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„... dann kam die Kleine angefahren“

Welche Rolle spielt Norbert K., der zweite Angeklagte im Mordfall Anneli? Er hätte das Mädchen wohl retten können.

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© Robert Michael

Thomas Schade

Still und einigermaßen aufrecht sitzt Norbert K. auf der Anklagebank im Prozess um den Mord an der Unternehmertochter Anneli. Der 62-Jährige hat das Mädchen, das vor einigen Tagen 18 geworden wäre, nicht umgebracht. Aber saß er wirklich nur am Steuer, um dem Haupttäter Markus B. bei der Entführung behilflich zu sein?

Seit Freitag scheint klar, Norbert K. hätte den tödlichen Ausgang des Entführungsfalls verhindern können. Das ist der Aussage des Zeugen Matthias Lammel zu entnehmen. Der Gerichtspsychiater hatte den Angeklagten drei Monate nach der Tat untersucht. Dabei berichtete Norbert K. dem Sachverständigen auch, wie er die Entführung und den Tod der Schülerin erlebt hat.

Ein wichtiges Detail seiner Schilderung: Am Freitag, dem Tag nach der Entführung, fuhr Markus B. gegen 11 Uhr vom Hof in Lampersdorf und erteilte seinem Komplizen den Auftrag, auf Anneli aufzupassen. Das Mädchen saß in einer Scheune auf einem Stuhl – mit Kabelbindern gefesselt. Es ist noch unklar, wie lange Markus B. abwesend war. Als er zurückkam, erklärte er seinem Komplizen, dass der Vater das geforderte Lösegeld zahlen wolle. Das hatte Markus B. offenbar bei dem Telefonat mit Annelis Familie erfahren, zu dem es 11.52 Uhr gekommen war. Es war der letzte Kontakt zu den Entführern. Auch wenn derzeit nicht klar ist, von wo Markus B. telefoniert hat, so blieb Norbert K. ausreichend Zeit, um Anneli von ihren Fesseln zu befreien und zur Flucht zu verhelfen. Der Weg zum Firmensitz ihres Vaters beträgt nur etwas mehr als einen Kilometer.

Aber Norbert K. schaute in der Scheune nur nach, ob es Anneli gut ging, so berichtete er es dem Gutachter. Am Tag zuvor habe ihn Markus B. zu dem Feldweg gelotst, wo das Mädchen entführt werden sollte. Man habe gewartet. „... dann kam die Kleine angefahren“, habe Norbert K. gesagt, so der Gutachter. Der 62-Jährige habe immer wieder erklärt, wie er sich gesträubt habe, mitzumachen, so der Gutachter. Dennoch gab er an, den Kidnapper chauffiert zu haben. Außerdem hat Norbert K. nach Annelis Tod geholfen, die Leiche zu verstecken.

Norbert K.s Verteidiger Andrej Klein thematisierte am Freitag erneut die Umstände der vorläufigen Festnahme seines Mandanten und sprach von „rechtswidriger Beugehaft“. Aus der Akte gehe nicht hervor, wer die Festnahme angeordnet habe. Das will das Gericht nun klären. Der Prozess wird am 18. Juli fortgesetzt.