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Ein Sachse unter Spionage-Verdacht

Ein Hoyerswerdaer gerät ins Visier der Bundesnetzagentur. Der Grund: ein ferngesteuerter Minipanzer. Nicht das einzige Spielzeug, das sich als verbotene Sendeanlage entpuppt.

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© Hersteller; Repro/Montage: SZ/Ilona Mittasch

Andreas Rentsch

Der Schlamassel beginnt mit einem zweiseitigen Brief, versehen mit dem Bundesadler im Logo. Absender: die Bundesnetzagentur. Deren Schreiben holt Detlef Haustein aus Hoyerswerda Mitte August aus seinem Briefkasten. „Verstoß gegen § 90 Telekom-munikationsgesetz (TKG)“, steht da, und: „Anhörung“. In den folgenden Zeilen präzisiert die Behörde, was sie dem 57-Jährigen vorwirft. Haustein habe bei einem Onlinehändler auf Amazon ein ferngesteuertes Kamera-Auto mit Smartphone-Steuerung erworben. Das Gefährt vom Typ i-Spy ermögliche es, von einem mobilen Endgerät aus via WLAN auf die integrierte Kamera und deren Aufnahmen zuzugreifen. Laut § 90 TKG sei es jedoch verboten, „Sendeanlagen unter anderem zu besitzen (...), die mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs verkleidet sind und aufgrund dieser Umstände in besonderer Weise geeignet und dazu bestimmt sind, das Bild eines anderen von diesem unbemerkt aufzunehmen“.

... gehört aus Sicht der Bundesnetzagentur in die Kategorie „unerlaubte Sendeanlage“.
... gehört aus Sicht der Bundesnetzagentur in die Kategorie „unerlaubte Sendeanlage“. © Hersteller; Repro/Montage: SZ/Ilona Mittasch
Detlef Haustein lebt in Hoyerswerda und hat 2015 versehentlich eine „unerlaubte Sendeanlage“ gekauft. Jetzt hat er ein Problem.
Detlef Haustein lebt in Hoyerswerda und hat 2015 versehentlich eine „unerlaubte Sendeanlage“ gekauft. Jetzt hat er ein Problem. © privat

Im Klartext: Bei dem Mini-Panzer handelt es sich aus Sicht der staatlichen Verbraucherschützer um ein illegales Spähwerkzeug. Nicht nur dessen Besitz ist hierzulande verboten, sondern auch Herstellung, Vertrieb und Einfuhr. Die Bundesnetzagentur fordert daher, den i-Spy zu vernichten und dies bis spätestens 24. August nachzuweisen. Für den Fall, dass sich Haustein weigert, dieser Verpflichtung nachzukommen, wird ihm ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu 25 000 Euro angedroht.

Käufer bleiben nicht anonym

Hausteins Erlebnisse stellen keinen Einzelfall dar. Die Regulierungsbehörde recherchiert ständig nach verbotenen Sendeanlagen. Wer die illegale Technik über einen Internet-Shop anbietet, werde zur Löschung aufgefordert, sagt der Kölner IT-Anwalt Christian Solmecke. Allein von Januar bis Mitte August 2017 hat die Bundesnetzagentur rund 160 Verfahren eingeleitet und etwa 400 Angebote gelöscht. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag hervor. Dazu kommt, dass Verkaufsplattformen gezwungen werden können, Käufernamen herauszugeben. So geraten Privatpersonen ins Visier der Behörden.

Wie entsorge ich eine „unerlaubte Sendeanlage“ richtig?

Von Verkäufern und Käufern kann ein Nachweis darüber verlangt werden, dass das laut Paragraf 90 TKG verbotene Gerät zerstört wurde. So kann der fragliche Gegenstand z.B. bei einer Abfallwirtschaftsstation abgegeben werden.

Die Bundesnetzagentur hat auf ihrer Internetseite ein Formular eingestellt, das man herunterladen und vom Mitarbeiter der Entsorgungsfirma unterschreiben und abstempeln lassen kann. Download-Link: www.sz-link.de/entsorgt

Der Vernichtungsnachweis muss an folgende Adresse gesandt werden: Bundesnetzagentur, Dienstleistungszentrum 8/50, Postkamp 26, 25524 Breitenburg. Fax:

04821/895598, E-Mail: [email protected]. Wer Rückfragen hat, erreicht die Behörde montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr unter der Durchwahl 030/22480500.

Ebenso als Beweis zugelassen sind Fotos (maximal 15 Megabyte), die „eindeutig die Zerstörung des in Rede stehenden Spionagegeräts zeigen“. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass die Funktionsuntüchtigkeit des Geräts eindeutig zu erkennen ist.

Was nicht genügt, ist, den Gegenstand an den Verkäufer zurücksenden. Die Bundesnetzagentur betont, der Käufer sei selbst für die Vernichtung verantwortlich.

Wer es versäumt, den Vernichtungsnachweis innerhalb der gesetzten Frist zu erbringen, oder sich verweigert, dem drohen eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft und Ermittlungen. Zu den Befugnissen der Ermittler gehört auch das Durchsuchungsrecht.

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Die Bemühungen, unbemerkte Fernüberwachung zu verhindern, beschränken sich keineswegs auf versteckte Kameras. Ebenso wenig erlaubt sind Alltagsgegenstände, die dank winziger Mikrofone und Funkschnittstellen dazu taugen, Gespräche mitzuhören und zu übertragen. Die im Februar verbotene Kinderpuppe „My Friend Cayla“ fällt in diese Kategorie. Besitzer mussten die sprechende Puppe zerstören. Im November traf es Hersteller von smarten Kinderuhren, speziell Modelle mit integrierter Sim-Karte und Monitorfunktion. Eltern können hier über eine App definieren, dass die Uhr eine beliebige Nummer anruft, ohne dass es ihr Träger bemerkt. Steht die Verbindung, wird das eingebaute Mikro aktiviert, und die Erwachsenen hören aus der Ferne mit, was beispielsweise im Unterricht ihrer Kinder gesprochen wird. Ermittlungen der Netzagentur haben ergeben, dass Smartwatches für Fünf- bis Zwölfjährige tatsächlich dafür missbraucht werden.

Detlef Haustein aus Hoyerswerda beteuert, er habe den i-Spy 2015 ohne böse Absichten gekauft. „Im Dachstuhl meines Hauses hat es an einer schlecht zugänglichen Stelle gestunken. Da habe ich nach einem Gerät mit integrierter Kamera gesucht, um in diese Ecken schauen zu können.“ Mit einer Selbstbaulösung erreicht er sein Ziel nicht, deshalb sucht er in Onlineshops nach etwas Passendem – und wird fündig. Benutzt hat er das gut 60 Euro teure Vehikel nur wenige Male. Letztlich habe es nicht wie erhofft funktioniert, sagt er. Unter anderem sei die Auflösung der integrierten Kamera zu schlecht gewesen. „Es ist vielleicht ein halbes Jahr her, da habe ich das Ding bei einer Entrümpelungsaktion in den Müll getan.“

Am 22. August erklärt Haustein in einer formlosen E-Mail an die Bundesnetzagentur, den Mini-Panzer nicht mehr zu besitzen. Damit, so denkt er, hat sich die Angelegenheit erledigt. Eine Fehleinschätzung: Mitte November wird ihm eine Vorladung zugestellt. Er soll aufs Hoyerswerdaer Polizeirevier kommen. Dort wiederholt er in einer Vernehmung, was er im Sommer schriftlich erklärt hat. Außerdem wird zu Protokoll genommen, dass er den i-Spy zur Entsorgung abgeben wird, falls der sich doch noch irgendwo anfinden sollte.

Auf Nachfrage der Sächsischen Zeitung erklärt Olaf Peter Eul von der Bundesnetzagentur, bei Verstößen gegen § 90 TKG gebe man sich nicht mit Versicherungen an Eides statt zufrieden. Stattdessen richte sich die Behörde in ihrem Verwaltungsverfahren nach dem Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen.

Detlef Haustein wundert sich über den Eifer der Behörden in seinem konkreten Fall. Er habe den Eindruck, das Netz sei voll von Artikeln, die laut Gesetz ebenfalls verboten sein müssten. Tatsächlich ist es kein Problem, in einschlägigen Online-Shops Lampen, Uhren, Wecker, Rauch- oder Bewegungsmelder zu finden, in denen Kameras versteckt sind. Selbst die Bundesnetzagentur räumt ein, aufgrund der großen Anzahl von verbotenen Sendeanlagen auf dem hiesigen Markt sei „eine komplette Marktbereinigung nicht möglich“.

Quadkopter unter Verdacht

Andererseits ist längst nicht jedes Gerät, in dem eine Mini-Kamera und eine Funkschnittstelle stecken, per se verboten. So hätten Behördenvertreter auch schon Drohnen beschlagnahmt, sagt Rechtsanwalt Solmecke. „Dass die Quadkopter aber als Alltagsgegenstände einzustufen sind, in denen niemand eine Kamera vermutet, darf bezweifelt werden.“ In der Tat werden die meisten Bundesbürger wissen, dass Drohnen regelmäßig dazu verwendet werden, Fotos und Videos aufzunehmen. Aus demselben Grund fallen auch Fotohandys nicht unter das Verbot.

Bei Modellfahrzeugen à la i-Spy ist die Beurteilung komplizierter. Laut Bundesnetzagentur kommt es beispielsweise auch darauf an, ob die Kamera einen ausreichend großen Aufnahmewinkel hat. Der scheint bei dem Mini-RC-Panzer, wie Haustein ihn besaß, dank ausfahr- und schwenkbarer Linse gegeben zu sein, sagt Solmecke. „Relevant ist auch, ob die gefilmte Person die Kamera eindeutig als solche erkennen kann.“ Also muss die Linse eine gewisse Größe haben und sich farblich vom Gesamtbild absetzen.

Fazit: Der Grat zwischen harmlosem Spielzeug und Spionagewerkzeug kann manchmal ziemlich schmal sein.

Tipps der Bundesnetzagentur:Was beim Kauf von smarten Geräten zu beachten ist, die als „unerlaubte Sendeanlage“ gelten könnten