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Zwischen Pleite und Premiere

Der Dresdner Magier André Sarrasani will aus der finanziellen Schieflage. Weshalb er trotz Insolvenz fast nur an die Show denken kann, erzählt der 45-Jährige im Interview.

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© Sven Ellger

Dresden. Noch sieht es nach Provisorium aus, doch in den Zelten am Elbepark bastelt Magier André Sarrasani gerade an seiner zweiten Chance. Firma pleite, Privatinsolvenz, rund 600 000 Euro Schulden – all das sorgte die vergangenen Monate für Kopfzerbrechen bei Sarrasani. Aktuell hat er dafür keinen Platz in seinem Kopf. Derzeit dreht sich alles um die Show Elements III, die am 24. November startet und mit der der Illusionist den Grundstein legen will, finanziell wieder auf die Füße zu kommen. Ein harter Weg, aber Sarrasani ist entschlossen und sicher, dass es funktioniert.

Im SZ-Interview zeigt er sich zuversichtlich. Zwischendurch schaut er sich immer wieder um, sagt, die Kronleuchter hingen zu hoch und gibt freundlich, aber bestimmt Anweisungen an sein Team.

Herr Sarrasani, Sie wirken verändert, positiv und voller Tatendrang.

Mir geht es wieder richtig gut. Ich habe positiven Stress, weil gerade alles ziemlich gut läuft. Der neue Platz ist toll, der Elbepark unterstützt uns überall, und vor allem das Team arbeitet richtig super.

Noch sieht es ziemlich nach Baustelle aus. Wie lange bauen Sie bereits auf?

Etwa drei bis vier Wochen. Wir bauen dieses Mal massiver als am Wiener Platz. Das Theater bleibt das gesamte Jahr über stehen. Wir vermieten es dann auch für Veranstaltungen, wenn die Saison für unsere Dinner-Show vorbei ist. Aber jetzt ist noch viel zu tun, und es bleibt wenig Zeit.

Wie verläuft derzeit ein Tag von André Sarrasani?

Der fängt etwa 6.30 Uhr an. Das war in den vergangenen Wochen die einzige Zeit, in der ich meine Kinder gesehen habe: fertig machen, die Große in die Schule, den Kleinen in die Kita bringen. Dann geht es zur Baustelle: organisieren, einkaufen, mit Künstlern sprechen, die Show vorbereiten, Buchhaltung machen und einiges mehr. Das geht bis etwa 19 oder 20 Uhr. Danach kann ich ein bis zwei Stunden trainieren. So geht das sieben Tage die Woche. Mittlerweile schlafen die Kinder bei ihrer Oma, weil wir noch weniger Zeit haben.

Trainieren Sie auch mit den Tigern?

Selbstverständlich. Nicht jeden Tag, aber fast – zwischen einer halben und eineinhalb Stunden. Diesen Donnerstag waren sie zum ersten Mal mit auf der Bühne – das war ganz okay.

Heißt das, Sie werden in der Show doch wieder mit den Tigern auftreten?

Es wird ein Raubtier auftreten, auf jeden Fall. Ob es einer der Tiger oder mehrere sein werden, ist noch nicht klar. Vielleicht wird es auch ein anderes Raubtier, aber dazu kann und möchte ich derzeit noch nicht mehr sagen. Ich bin wieder freier im Kopf, der Druck ist anders. 2016 war das negativer Druck, deshalb hätte ich nicht mit Raubtieren auf der Bühne arbeiten können und wollen. Im Moment fliege ich regelrecht. Außerdem werde ich mehr auf der Bühne sein als in der Vorsaison. Die Zuschauer wollen mehr Sarrasani.

Können Sie die Insolvenzen komplett ausblenden?

Das ist aktuell wirklich kein Thema für mich. Es ist ein Teil, der zur Firma und zu mir gehört. Aber mir nehmen meine Geldgeber und Berater gerade sehr viel ab diesbezüglich. Ich habe auch gesagt, ich möchte bis zur Premiere nur einbezogen werden, wenn es irgendwo richtig brennt. Alles andere können Rechtsanwälte klären. Ansonsten steht für mich im Vordergrund, mir zu beweisen, dass ich es noch kann. Es gibt im Moment auch kein Privatleben, sondern nur die Show.

Aber der Druck muss doch da sein, oder können Sie alles abschütteln?

Selbstverständlich ist da Druck. Der Druck, dass es klappen muss. Aber es wird klappen. Das sagen übrigens auch meine Geldgeber: Im ersten Jahr muss eine schwarze Null stehen, danach muss Geld verdient werden. Deshalb schaut ein Geldgeber, der Buchhalter ist, auch genau auf die Zahlen. Das macht es mir aber einfacher, weil ich mich besser konzentrieren kann. Dazu gibt es durch die Gesellschafter neue Ideen. Aber es gibt auch zusätzlichen Druck: Ich „spiele“ mit anderer Leute Geld, nicht mehr nur mit meinem. Ich muss mich rechtfertigen, aber das ist gut so.

Wie sehen denn derzeit die Vorverkaufszahlen aus?

Wir haben bereits fünf Shows ausverkauft. Gut, jetzt kann man sagen: 45 Shows sind noch nicht ausverkauft. Aber wir haben für alle Shows und den Brunch insgesamt etwa 3 500 Tickets verkauft, das sind deutlich mehr als 2016. Wir haben gesagt: 7 000 bis 10 000 müssen wir verkaufen, um die Kosten zu decken. In unseren Spitzenjahren hatten wir aber 20 000 bis 25 000 Besucher.

Zwischen Pleite und Premiere – wie fühlt man sich da?

Das ist eine sensationelle Erfahrung. Ich habe viel daraus gelernt. Ich respektiere jetzt viel mehr die wichtigen Dinge: Familie, Partnerschaft, Freundschaft, Zeit und auch Geld.

Auch das Geld anderer? Machen Sie sich Gedanken um Ihre Gläubiger?

Ich mache mir ausführlich Gedanken darum. Insbesondere bei Menschen, die mir sehr nahestehen. Aber das ist jetzt halt so. Ich habe Fehler gemacht. Dazu stehe ich. Aber ich habe die Leute ja nicht bewusst um ihr Geld gebracht. Ich versuche, die Geschäftspartner weiter zu integrieren, damit sie auf diesem Weg etwas zurückbekommen. Deshalb kann ich auch ganz cool vor dem eigenen Spiegelbild stehen und sagen: Ja, du tust alles dafür, dass die Leute ihr Geld bekommen.

Wie groß sind die persönlichen Einschnitte in der Privatinsolvenz?

Wir haben natürlich weniger als vor der Insolvenz. Der pfändungsfreie Betrag liegt bei gut 1 900 Euro. Alles, was ich als Geschäftsführer darüber hinaus verdiene, geht in die Insolvenzmasse. Aber meine Frau verdient auch Geld. Ich bin kein materieller Mensch: Aber anders als früher kaufe ich mir jetzt nicht mehr das aktuellste iPhone – das war mir bisher schon wichtig. Und wir gehen seltener Essen. Es ist ein großes Glück, dass meine Frau das alles in der letzten Zeit mitmacht. Sie hat mich die vergangenen eineinhalb Jahre finanziert. Im Sommer war das schwieriger, als unklar war, ob wir Geldgeber für unsere Projekte finden und es überhaupt weitergehen kann. Es war unklar, ob wir die Zelte zurückkaufen können und alles andere, wie auch die Tiger.

Und jetzt? Wie ist Ihre Gemütslage kurz vor der Premiere?

Ich stehe total unter Strom. Da ist eine gewisse Euphorie. Und ein Erwartungsdruck. Die Anspannung legt sich wahrscheinlich erst nach der Premiere und dann auch nicht komplett.

Wie läuft das am Premierentag ab? Wann werden Sie da ruhiger?

Beim Schminken. Da höre ich Swing, von Robbie Williams oder Michael Bublé – so laut, dass ich die anderen nicht höre. Dann erzähle ich mit meinem Bühnenmanager blöde Witze. Da kann auch mal die Show etwas zu spät losgehen.

Rituale, die sich wiederholen. Sind Sie abergläubisch?

Ich bin absolut abergläubisch. Ich achte darauf, nicht mit dem Rücken zur Bühne zu sitzen, es darf kein Schirm im Zelt aufgespannt werden, weil das ein Zelt im Zelt wäre, es darf nicht über Unfälle geredet werden, und ich gehe auch nicht unter einer aufgestellten Leiter durch.

Stichwort Bühne: Dieses Mal soll es mehr Plätze geben, von denen die Zuschauer besser sehen können.

Ja. Wir haben die Zuschauerplätze so gebaut, dass sie fast um die Bühne herum gehen. Dadurch ist die Sicht besser.

Das Gespräch führte Andreas Weller.