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Zwischen Gold und Enttäuschungen

Auf dem Flohmarkt in der Riesaer Arena schätzen erfahrene Trödler Objekte der Besucher. Auch die SZ brachte was mit.

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© Sebastian Schultz

Von Kevin Schwarzbach

Riesa. Die Männer sprechen wie wandelnde Lexika. Welche Münze, welches Porzellan, welche Medaille die Besucher ihnen auch vorlegen – stets zaubern Jochen Hein und Jörg Peter Pietzka-Leone eine erste preisliche Orientierung aus der Tasche. Zwei schmale Goldringe? Historisch unbedeutend, 30 Euro. Ein unbemalter Porzellanteller? Ausschussware, zehn Euro. Ein kleiner DDR-Anstecker? Fünf Euro, Materialwert, mehr nicht. Was kundige Zuschauer an die Fernsehshow „Bares für Rares“ erinnert, ist am vergangenen Wochenende Teil des Flohmarktes in der Riesaer Sachsenarena. Gemeinsam mit Günter Adam haben Heim und Pietzka-Leone ihren Stand direkt am Eingang der Halle aufgebaut und laden die Besucher zum Schätzen ihrer Gegenstände ein. Die Besucher lassen sich nicht lange bitten und erscheinen zahlreich am Stand der Trödelexperten. Alle sind sie begeistert von der Möglichkeit, dass da vielleicht ein kleiner Schatz Zuhause in ihrem Schrank schlummert. – Dass die beiden Männer ihnen ohne großes Überlegen Auskünfte erteilen können, ist ihren Aussagen nach reine Erfahrungssache. „Mein Vater hat mich schon im Alter von sechs Jahren mit auf Flohmärkte genommen. Mit der Zeit eignet man sich einfach eine Menge Wissen an“, sagt Jochen Hein. „Durch meinen Ziehvater hat sich das Interesse am Schätzen noch vertieft.“ Denn auch Günter Adam lebt für den Trödel, betreibt sogar einen Laden in Finsterwalde, den er Ende des Jahres wegen seines bevorstehenden Ruhestandes jedoch schließen wird. „Angefangen hat es mit ein paar Hinterlassenschaften aus meinem Elternhaus, die ich nicht einfach wegschmeißen wollte und deswegen auf dem Trödelmarkt verkauft habe“, erzählt Adam.

Unsere Schätzchen

Die Medaille von Sebastian Schultz „Der Medaille erinnert an die 11. Arbeiterfestspiele 1969. Die Aufschrift: ‚In Anerkennung hervorragender Leistungen.‘ Ich habe sie für zwölf Euro bei Ebay ersteigert. 1969 war das Jahr, in dem der Riesaer Fotoklub ferrum die erste von zehn Goldmedaillen bei den Arbeiterfestspielen erringen konnte.“ Das sagt der Schätzer:  „Das Objekt ist gut erhalten, zählt jedoch nicht als gefragtes Stück, weshalb vor allem das Material über den Preis entscheidet. Der Wert liegt um die zehn bis 30 Euro, je nach Motiv. Für eine genauere Unterscheidung müsste man noch einmal in Spezialkatalogen zu DDR-Orden nachsehen.“
Die Medaille von Sebastian Schultz „Der Medaille erinnert an die 11. Arbeiterfestspiele 1969. Die Aufschrift: ‚In Anerkennung hervorragender Leistungen.‘ Ich habe sie für zwölf Euro bei Ebay ersteigert. 1969 war das Jahr, in dem der Riesaer Fotoklub ferrum die erste von zehn Goldmedaillen bei den Arbeiterfestspielen erringen konnte.“ Das sagt der Schätzer: „Das Objekt ist gut erhalten, zählt jedoch nicht als gefragtes Stück, weshalb vor allem das Material über den Preis entscheidet. Der Wert liegt um die zehn bis 30 Euro, je nach Motiv. Für eine genauere Unterscheidung müsste man noch einmal in Spezialkatalogen zu DDR-Orden nachsehen.“
Die Wodkabecher von Antje Steglich „Mein Vater hat 1980 sechs Wodkabecher aus Kiew mitgebracht. Dort hat er studiert – und sich ein olympisches Fußballspiel angeschaut. Die Becher haben die richtige Größe für eisgekühlten Wodka.“ Das sagt der Schätzer:  „Das Design ist deutlich jünger als der Keramikbecher aus den 60er bis 70er Jahren. Da das Motiv aufgeklebt ist, ist das Objekt nahezu wertlos.“
Die Wodkabecher von Antje Steglich „Mein Vater hat 1980 sechs Wodkabecher aus Kiew mitgebracht. Dort hat er studiert – und sich ein olympisches Fußballspiel angeschaut. Die Becher haben die richtige Größe für eisgekühlten Wodka.“ Das sagt der Schätzer: „Das Design ist deutlich jünger als der Keramikbecher aus den 60er bis 70er Jahren. Da das Motiv aufgeklebt ist, ist das Objekt nahezu wertlos.“
Die Goldmünze von Christoph Scharf „Die Münze ist ein Erbstück. Ein Angehöriger hatte sie 1913 im damals zu Österreich-Ungarn gehörenden Böhmen als Geschenk zur Taufe erhalten.“ Das sagt der Schätzer:  „Die Münze besteht aus reinem Gold und stammt aus dem 19. Jahrhundert. Da sie zu keinem seltenen Jahrgang gehört, zählt der Materialwert: 150 Euro.“
Die Goldmünze von Christoph Scharf „Die Münze ist ein Erbstück. Ein Angehöriger hatte sie 1913 im damals zu Österreich-Ungarn gehörenden Böhmen als Geschenk zur Taufe erhalten.“ Das sagt der Schätzer: „Die Münze besteht aus reinem Gold und stammt aus dem 19. Jahrhundert. Da sie zu keinem seltenen Jahrgang gehört, zählt der Materialwert: 150 Euro.“

„Als mir dann eines Tages auf einem Markt in Leipzig ein Händler eine Münze abkaufte, von der ich nachher erfuhr, dass sie das Fünffache wert war, sagte ich mir, dass mir das nie wieder passieren wird und begann, mich deshalb intensiver mit den Objekten auseinanderzusetzen.“ Der Eindruck, den die Fernsehshow „Bares für Rares“ vermittelt, täuscht aber, meint Adam. „Mit jedem Markt und jedem neuen Buch wächst das Wissen, aber kein Experte kann alles wissen, jeder hat seine Fachgebiete.“ Auch deshalb hat er sich mit Jochen Heim und Jörg Peter Pietzka-Leone zu einem Team zusammengetan, bei dem jeder seine Fähigkeiten einbringen kann. Und wenn alle drei einmal nicht weiter wissen? „Dann müssen wir Nachschlagewerke bemühen, in Datenbanken recherchieren und Fachkataloge wälzen“, sagt Hein.

Meist aber wissen Hein und Pietzka-Leone, die auf dem Flohmarkt in der Sachsenarena die Schätzungen gemeinsam vornehmen, woran sie sind, wie sie bei einem Test mit Gegenständen von SZ-Redakteuren auch gleich unter Beweis stellen. Die beiden Männer drehen die Objekte gekonnt zwischen ihren Fingern, betrachten ihre Details durch daumengroße Lupen und sprechen dabei als würden sie aus einem Fachbuch zitieren. Besonders Pietzka-Leone rasselt die Informationen nur so herunter, dass die Zuschauer des Schätzschauspiels aus dem Staunen kaum mehr heraus kommen. – Sechs Trinkbecher mit Motiv von den Olympischen Sommerspielen 1980 in Moskau? „Zehn Euro, vielleicht fünfzehn, wenn sie einen Sammler finden. Mehr bekommen sie dafür nicht“, urteilt Hein. „Die Becher sind aus Keramik und das Design lediglich ein Aufdruck, der deutlich später erst aufgeklebt wurde. Das ist nichts wert“, meint Pietzka-Leone.

Weiter geht es mit einer DDR-Medaille des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes. Ist die etwas wert? „Puh, da müsste ich jetzt noch einmal in einem Fachkatalog nachsehen, ob die zehn oder 30 Euro bringt. Mehr geht da aber nicht“, so Jochen Hein.

Letzter Versuch: die Goldmünze des SZ-Lokalchefs. Zumindest einen anerkennenden Blick gibt es schon einmal. „Historisch bedeutend ist dieses Stück nicht, dafür ist es der falsche Jahrgang“, sagt Heim. „Aber eine Österreicher aus dem 19. Jahrhundert, da können sie schon mit 150 Euro rangehen“, meint Pietzka-Leone. Und dann wendet er schon die Münze des nächsten Kunden zwischen seinen Fingern.