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Zwischen Dresdner Stollen und Frauen-Fitness-Riegel

Traditionell oder vegan – sächsische Nahrungsmittelhersteller hören von Trends und wollen folgen. Aber nicht immer.

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© Sven Ellger

Von Georg Moeritz

Wenn das keine sächsische Spezialität ist: ein Schokoriegel namens Nucao aus Dresden-Pieschen. Aber das „Nu“ im Namen ist gar nicht sächsisch gemeint, sagt der Mit-Erfinder Thomas Stoffels mit freundlichem Grinsen. Der 29-jährige Wirtschaftsingenieur ist aus Aachen nach Dresden gekommen – ohne Sächsisch-Kenntnisse, vielmehr auf der Suche nach billigen Räumen für Temperiermaschine und Kühlzelle. Eigentlich wollte er nach Berlin. Seit einem Jahr stellt Stoffels mit wenigen Kollegen nun in Dresden Schokoriegel her, die nicht für ein sächsisch-gemütliches Publikum gedacht sind. Das „Nu“ im Namen steht für nutritious, englisch für nahrhaft.

Matthias und Heike Quendt testen mit dem Bäcker Sebastian Pietsch in Freital neue Formen.
Matthias und Heike Quendt testen mit dem Bäcker Sebastian Pietsch in Freital neue Formen. © Andreas Weihs
Bei Vadossi in Radebeul ergänzt Stollenkonfekt das Weihnachtsangebot.
Bei Vadossi in Radebeul ergänzt Stollenkonfekt das Weihnachtsangebot. © Arvid Müller
Maximilian Deharde folgt in der Lausitzer Früchteverarbeitung in Sohland an der Spree ebenfalls neuen Ernährungstrends.
Maximilian Deharde folgt in der Lausitzer Früchteverarbeitung in Sohland an der Spree ebenfalls neuen Ernährungstrends. © Uwe Soeder

Thomas Stoffels bietet seine veganen, glutenfreien und laktosefreien Süßigkeiten nicht im Supermarktregal neben Dresdner Stollen an, sondern im Frauen-Fitness-Center und in Bioläden. Zum „Premiumpreis“ von 2,99 Euro für 40 Gramm. „Der Snack für dein Gewissen“ steht auf der Papphülle um die kompostierbare Zellulosefolie.

Nucao-Produzent Thomas Stoffels probiert längst aus, was andere sächsische Lebensmittelhersteller am Dienstag beim Mitteldeutschen Ernährungsgipfel in Dresden von Experten hörten: Es gibt mindestens fünf Trends beim Essen, um die sich die Produzenten kümmern müssen. Pflanzliche Ernährung ist einer davon, Zeit sparen ein anderer. Zugleich gibt es mindestens neun Arten von Kunden, von traditionell bis sozial-ökologisch. Manche Gruppen überschneiden sich. Es allen recht zu machen, dürfte schwer werden.

Maximilian Deharde will es anscheinend versuchen. Der Juniorchef in der Lausitzer Früchteverarbeitung in Sohland an der Spree ist Sprecher des Netzwerks Ernährungsgewerbe Sachsen. Deharde eröffnete den Ernährungsgipfel, der erstmals in Dresden stattfand. Enge Zusammenarbeit in der Branche scheint keine starke Tradition zu haben. Vor sechs Jahren löste sich der Verein Agrar-Marketing Sachsen auf, Deharde versucht es nun mit einem Netzwerk mit derzeit 25 Teilnehmerfirmen.

Im Frühjahr hat Maximilian Deharde den Titel „Unternehmer des Jahres“ bekommen, gemeinsam mit seinem Vater Werner. Ihre 160 Mitarbeiter stellen Sauerkirschnektar und Sauerkrautsaft her, Rote Grütze und Gewürzgurken. Doch Deharde weiß, dass immer wieder Neues gefragt ist: „Früher war Ostalgie ein Thema, dann kam Regionalität. Wir müssen uns aber an die Welt-Trends anpassen“. Die englische Marktforscherin Katya Witham vom Unternehmen Mintel in London erheiterte das Tagungspublikum mit Beispielen aus aller Welt: In den USA hat jemand Kaffee in kaubarer Form auf den Markt gebracht. Zwei Würfel ersetzen angeblich eine Tasse Kaffee. Tschechen bieten ein Brot an, das nach dem Vorbild von Babynahrung länger satt hält und dem Hunger am späten Abend vorbeugen könnte. Franzosen kümmern sich um die Kunden, die möglichst nichts verschwenden und wegwerfen möchten, bieten eigens „unperfekte“ Ware wie verbogenes Gemüse an. Doch ein ganz wichtiger Leitsatz für die Nahrungsmittelbranche bleibt: Tradition schafft Vertrauen.

Traubensaft ergänzt Meißner Wein

Darum knüpfen sächsische Traditionsbetriebe mit Neuheiten gerne an Bekanntes an. Die Winzergenossenschaft Meißen bietet seit vorigem Jahr Traubensaft und den Jungwein „Grünschnabel“. Daraus würde er gerne eine Tradition machen, berichtet Vorstand Lutz Krüger in den schicken Räumen seiner „Weinerlebniswelt“ mit Blick zum Dom. Wer Vadossi-Chef Karl-Heinz Hartmann in Radebeul besucht, einen der drei großen Stollenbäcker in Sachsen mit Supermarktware ab 6,99 Euro pro Kilo, der bekommt eine Fülle von Stollen-Ergänzungen zu sehen. Hartmann bietet Stollenkonfekt in der Tüte an und in kleinen Portionen. Die gibt es einzeln verpackt auch im Adventskalender. Seine Nuss-Nugat-Creme Nudossi gibt es für Plaste-Verächter inzwischen auf Wunsch auch im Glas und ohne Palmöl. Hartmann hat mit Forschern außerdem versucht, den Zucker zu reduzieren, fand das Ergebnis aber zu teuer.

Der Radebeuler Süßwarenproduzent hat eine pragmatische Einstellung zu Trends: „Ich kann alles fit und gesund machen“, sagt Hartmann. „Aber mit jedem neuen Produkt muss ich mich im Westen anstellen“. Denn die Chef-Einkäufer der großen Supermarktketten nehmen Neuerungen nicht mit offenen Armen entgegen, sondern verlangen einige Tausend Euro, bevor etwas Neues ins Regal darf.

Matthias und Heike Quendt, früher auch Stollenhersteller, wenden sich mit ihren Erfindungen daher eher an Mittelständler, Bäcker und Fleischer: Als Berater mit eigener Produktentwicklung in Freital schlagen Quendts vor, wie sich „Nährwert und Genusswert“ kombinieren lassen. Manchmal werde ein Trend auch zu früh angepeilt, warnt Matthias Quendt. Doch seine Erfahrung ist: „Die sächsischen Hersteller neigen dazu, traditionell zu sein“.