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Zwischen Baumschutz und Kahlschlag

Bis Februar ist nun wieder Zeit fürs Fällen. Die Anforderungen dafür stehen aber in der Kritik.

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Von Stefan Schramm und Gabriele Naß

Einst spendete er den Leuten, die unter seinem dichten Blätterdach auf einer Bank Platz genommen hatten, kostbaren Schatten. Nun ist von dem Baum nur noch ein Stumpf übrig. Er musste gefällt werden. Eine Motorsäge schnitt sich durch seinen viele Jahre alten Stamm.

Sägen sind dieser Tage wieder öfter zu vernehmen. Denn die Fällsaison läuft, von Oktober bis Februar. Eine Lockerung des gesetzlichen Baumschutzes im Jahr 2010 ließ einige Hürden wegfallen. So dürfen Besitzer von Grundstücken, die mit einem Gebäude bebaut sind, dortige Bäume seither ohne Genehmigung fällen – sofern der Stammumfang in einem Meter Höhe einen Meter nicht übersteigt.

Es gibt Ausnahmen

Zu beachten sind aber einige Ausnahmen. Einerseits gilt die Einschränkung mit dem Umfang nicht für Nadelgehölze, Obstbäume, Birken und Pappeln – sie dürfen außerhalb der vom 1. März bis 30. September andauernden Vegetationsperiode unabhängig von ihrer Größe gefällt werden. Andererseits dürfen bestimmte Gehölze gar nicht gefällt werden, darunter die besonders geschützte Eibe sowie sogenannte Habitatbäume, in denen zum Beispiel Fledermäuse in Höhlen überwintern. Nicht angetastet werden dürfen auch das Landschaftsbild prägende Bäume, Gehölze aus gesetzlich angeordneten Ersatzpflanzungen sowie Streuobstwiesen und andere Biotope.

Der wegen der Lockerung im Baumschutz vielerorts befürchtete Kahlschlag ist ausgeblieben. „Viele sind da sehr verantwortungsvoll“, sagt Isabel Seiler von der Stadtverwaltung Bischofswerda auf Anfrage. Sie schätzt, dass etwas die Hälfte derer, die vorhaben, einen Nadelbaum zu fällen, im Rathaus sicherheitshalber fragen kommen, obwohl sie das gar nicht mehr müssten. Und viele würden nach der Fällung von sich aus etwas Neues pflanzen, schon weil sie es schön haben wollen.

Landesgesetze gelten

„Sicher haben einige Grundstückseigentümer die Gunst der Stunde genutzt und sich vom einen oder anderen Gehölz getrennt“, sagt Bautzens Baubürgermeister Peter Hesse. Insgesamt sei man aber auch in Bautzen besonnen mit den Möglichkeiten aus der Neufassung der Gehölzschutzsatzung umgegangen. Bautzen gehört wie Bischofswerda zu den nur noch 39 Kommunen im Landkreis, die eine Baumschutzsatzung haben. 22 Städte und Gemeinden haben keine solche Satzung mehr. Hierhin gehe die Tendenz, sagt Sabine Rötschke, Sprecherin im Landratsamt Bautzen. In Kommunen, die die Satzung abgeschafft haben, gelte dennoch das Landesgesetz.

Nach Einschätzung des Sächsischen Städte- und Gemeindetags (SSG) haben viele Kommunen den Eindruck, dass sich der Baumbestand in den vergangenen Jahren verringert hat. „Da der Gesetzgeber seinerzeit keine Ersatzpflicht vorgesehen hat, werden auch Ersatzpflanzungen kaum noch vorgenommen“, berichtet SSG-Geschäftsführer Mischa Woitscheck. Auch der mit dem Gesetz zur Vereinfachung des Umweltrechts verfolgte „Bürokratieabbau“ habe sich leider nicht eingestellt. Im Gegenteil: Der Arbeitsaufwand sei eher gestiegen. „Weil die Einwohner verstärkt nachfragen, ob und wann sie eine Fällgenehmigung benötigen, und weil für diese Auskünfte regelmäßig vertiefte Prüfungen der Kommunen erforderlich sind“, begründet Mischa Woitscheck. Außerdem sei die Anzahl der Fällanträge aufgrund der Kostenfreiheit des Genehmigungsverfahrens gestiegen.

Kontrolle fällt oft weg

Kritik kommt auch aus Reihen der Naturschutzverbände. „Das ist eine Katastrophe“, sagt der Großdubrauer Arndt Hochrein, der Vorsitzende des Sächsischen Fledermausverbands. Durch die größere Zahl genehmigungsfreier Fällungen falle oftmals die vorherige Kontrolle weg. Kommunen und Privatleute würden deshalb nicht bemerken oder gar absichtlich ignorieren, wenn in Höhlen beispielsweise Fledermäuse oder auch Bilche wie der Siebenschläfer leben. „Für gewöhnlich überwintern in Höhlenbäumen um die 30 Tiere, selten sind es sogar über 100“, erklärt Arndt Hochrein. Liegen die Höhlen in größerer Höhe im Baum oder herrschen Frost und Schnee, sei eine Fällung für Fledermäuse das Todesurteil. Der Verursacher mache sich strafbar. „Die meisten Fälle erfahren wir gar nicht – nur die, wenn zufälligerweise der Nachbar hinschaut“, sagt Hochrein.

Besonnenes Handeln sei günstiger als ein Verhalten wie die sprichwörtliche Axt im Walde. „Vor einer Fällung sollte man auf jeden Fall nachschauen, ob es Höhlen in dem Baum gibt“, sagt Herbert Schnabel, Chef der Ortsgruppe Wittichenau des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu). Die könne man dann von Experten auf ihre Bewohner untersuchen lassen. Der Ansprechpartner sei die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises. Auf ein Wort

Link zur Baumschutzsatzung von Bischofswerda