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Alkoholrausch und Zerstörungswut

Ein Asylbewerber aus Tunesien fällt seit Jahren durch Straftaten auf. Gleich wegen einer ganzen Liste von Vergehen in Kamenz stand er jetzt vor Gericht.

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© Uwe Soeder

Bautzen/Kamenz. Richter Dirk Hertel sparte nicht mit klaren Worten: Der Angeklagte Raouf Ben A. ist in seinen Augen ein „gewaltbereiter Intensivtäter“ – einer, der sich partout nicht an die Regeln halten will, einer der Streit und Ärger sucht und dabei auch immer wieder gewalttätig wird. Die Einschätzung des Richters hat gute Gründe. Zwar wird A. am 1. August erst 26 Jahre alt, doch seine kriminelle Karriere ist schon jetzt beachtlich. Für seinen Prozess vor dem Amtsgericht Bautzen wurde er am Mittwoch aus der JVA Leipzig gebracht. Dort sitzt der Asylbewerber aus Tunesien derzeit ein.

2012 war er zum ersten Mal in Deutschland. Warum er seine Heimat verlassen hat, wollte er vor Gericht nicht verraten. „Ich habe Probleme gehabt, aber das gehört nicht hierher. Die Probleme sind dortgeblieben.“ Da A. auch in Deutschland schon mehrfach vor Gericht stand und auch bereits Haftstrafen verbüßte, wird schnell klar, was es schon in Nordafrika gab: Alkoholmissbrauch, Beschaffungskriminalität, Gewaltausbrüche.

Nach seiner Abschiebung nach Italien ist A. letztes Jahr prompt wieder in Deutschland eingereist. Einige Zeit hat er – über die Erstaufnahme in Chemnitz verteilt – im Asylbewerberheim in Kamenz verbracht. Viel Gutes wird von dort nicht berichtet. Im Gegenteil.

So hat er am 29. Mai 2015 den Feuermelder im Heim am Flugplatz mutwillig ausgelöst, einen Feuerlöscher beschädigt und Fluchtwegeschilder heruntergerissen. Daran konnte er sich am Mittwoch vor Gericht zwar nicht mehr erinnern („Ich trinke zu viel.“), aber am Tattag selbst hatte er sich sofort bei der Heimleitung gemeldet: „Das war ich!“ Was ihn dazu trieb, war schon damals nicht zu erhellen. Ein Polizeibeamter als Zeuge sprach von „Zerstörungswahnsinn“, und eine Sicherheitsmitarbeiterin meinte, A. sei im Heim immer „ein bisschen wie verstrahlt“ herumgerannt. Nicht nur von regelmäßigem Alkoholkonsum war die Rede, auch von Drogen. O-Ton Zeugin: „Wahrscheinlich ist das Haus einfach zu groß für eine Razzia ...“

Mit dem Wischmopp verjagt

Möglicherweise im Crystal-Rausch war Raouf Ben A. auch am 18. August in Kamenz auffällig geworden. Ausgerechnet während des Dienstsportes des Polizeireviers in der Halle am Siedlungsweg. Eine Reinigungskraft teilte den volleyballspielenden Beamten mit, dass sich gerade eine verdächtige Person in der Frauenumkleide herumtreibe. Dort zückte A., offenbar mit Blut an den Händen, ein Messer mit einer etwa 13 Zentimeter langen Spitzklinge. Die Polizisten in Sportsachen drängten A. mithilfe eines nassen Wischmopps aus der Halle. Dieser trat noch zweimal gegen die Tür und steckte sein Messer ein.

„Ich wusste nicht, dass die Männer Polizisten waren“, beteuerte A., aber spätestens, als sie ihn außerhalb der Halle verfolgten, dürfte ihm dies klargeworden sein. Er warf das Messer gegen die Beamten und wehrte sich mit wüsten Beschimpfungen gegen die vorläufige Festsetzung. Sie währte nur kurz, denn schon am 20. August wurde A erwischt, wie er zwölf T-Shirts stehlen wollte. Auch zwei Wodka-Diebstähle und ein Handtuchklau bei AWG sind aktenkundig.

Amtsrichter Dirk Hertle informierte nach der Beweisaufnahme über einschlägige Vorstrafen – geahndet in Chemnitz, Braunschweig und Leipzig, wo A. seit sechs Monaten eine Haftstrafe unter anderem wegen Drogenhandels verbüßt.

Aus all dem ergäbe sich eine höhere Haftstrafe – womöglich dreieinhalb Jahre? Der Prozess musste deshalb an das Amtsschöffengericht verwiesen werden. Das Gericht ordnete Untersuchungshaft überdies an, falls A. – aus welchen Gründen auch immer – in Leipzig schon eher auf freien Fuß gesetzt werden sollte. „Dann bestünde Fluchtgefahr.“ Gegen den „gewaltbereiten Intensivtäter“ soll nun im Herbst in Bautzen neu verhandelt werden. Vorsitzender Richter wird dann wieder Dr. Hertle sein. Der Angeklagte war darüber nicht erfreut. (SZ)