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Zwischen ABM und Biolandwirtschaft

Das Stadtgut feiert sein 25-jähriges Bestehen mit einem Hoffest am Sonnabend in Görlitz. Am Wochenende öffnen auch einige Gärtnereien.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Görlitz. Irgendwie können die meisten Görlitzer etwas mit den Feldern, Obsthainen und Gebäuden zwischen Görlitz und Kunnerwitz anfangen. Die einen kennen es noch als Volksgut, die anderen erinnern sich an Hunderte ABM-Kräfte, die in den 1990er Jahre täglich hier zur Arbeit geströmt sind. Und viele verbinden die Flächen auch mit Bio-Landwirtschaft. Letzteres hofft zumindest Frank Richter. Der Landwirt aus der Uckermark ist schließlich der Chef des Unternehmens, dass nun seit exakt 25 Jahren unter dem Namen Stadtgut firmiert.

„In der ersten Zeit hat es die Stadt selbst betrieben“, sagt er: „Nach der Wende hat sie das einst enteignete Land zurückerhalten.“ Nach dem, was er gehört hat, sollen in den 1990er Jahren bis zu 500 ABM-Kräfte gleichzeitig im Stadtgut mit seinen drei Betriebsteilen Kunnerwitz, Arnsdorf-Hilbersdorf und Klein Krauscha gearbeitet haben – und eine große Verwaltung, die die ABM-Kräfte betreut hat. „Das war ein Riesenarbeitgeber, aber eine wirtschaftliche Katastrophe“, sagt Richter. Letzteres sei der Grund gewesen, warum das Stadtgut 2002 gleichzeitig mit den Stadtwerken privatisiert wurde. Es gab eine europaweite Ausschreibung, an deren Ende drei Ökobauern aus der Uckermark sämtliche Anteile von der Stadt übernahmen. Frank Richter aus Grimme bei Prenzlau, Hans-Joachim Mautschke aus Hohenwalde und Hans-Peter Wendt aus Wallmow wurden die neuen Besitzer des Öko-Stadtgutes Görlitz.

„Meine Großeltern sind aber aus Görlitz, deshalb habe ich damals mitgemacht“, sagt Richter. Anfangs sollte er sich nur um die Hühner kümmern. Damit kannte er sich aus: „Das habe ich in der Uckermark auch gemacht.“ Heute ist der inzwischen 53-Jährige der alleinige Chef. Das liegt nicht nur daran, dass Wendt inzwischen in Rente gegangen ist, sondern auch an der Teilung des Stadtgutes im Jahr 2006. Die Wege waren zu lang, deshalb wurde Klein Krauscha abgetrennt. Mautschke führt seither den dortigen Betrieb „Gut Krauscha“, Richter das verbliebene Stadtgut in Kunnerwitz und Arnsdorf-Hilbersdorf. Wobei: „In Letzterem ist heute nur noch Ackerbau, die Gebäude stehen praktisch leer oder sind an einen privaten Bauern vermietet.“

Richter fokussiert sich stattdessen beim Standort voll auf Kunnerwitz, beim Inhalt auf Ackerbau, Obstbau und Hühnerhaltung gleichzeitig. „Drei Standbeine sind in der heutigen Zeit ungewöhnlich, die meisten Betriebe konzentrieren sich auf eine Richtung“, sagt er. Beim Stadtgut sei aber schon immer alles da gewesen: „Und ich finde diese Vielgestaltigkeit auch gut.“ Wirtschaftlich mache jedes Standbein tatsächlich ungefähr ein Drittel aus.

Die Zahlen heute sind freilich ganz andere als früher. Statt 500 ABM-Kräften beschäftigt das Stadtgut heute noch ganze 30 Mitarbeiter, mehr als die Hälfte davon im Obstbau, jeweils fünf bis sechs im Ackerbau und der Hühnerhaltung und ganze zwei volle Stellen in der Verwaltung. Hinzu kommen in der Saison bis zu 40 Erntehelfer. Auch die Anbaufläche im Obstbau ist enorm geschrumpft: Von 1000 Hektar zu Volksgut-Zeiten auf 60 Hektar heute.

Trotzdem scheut das Stadtgut keine Investitionen. Zwischen Biesnitz und Kunnerwitz flossen vor drei Jahren 1,8 Millionen Euro in eine sanierte alte und eine angebaute neue Halle für Sortierung, Lager und Büroräume. Zu den 15000 Hühnern kommen jetzt 6000 Junghennen, sodass nahe des Loenschen Gutes nun 21000 Tiere leben. Und innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre soll ein dringend benötigtes neues Getreidelager gebaut werden. Wo, verrät Richter derzeit noch nicht: „Wir haben noch keine Baugenehmigung, sondern gerade erst den Bauantrag gestellt.“

All das, was schon da ist, will das Stadtgut am Sonnabend, 10 bis 16 Uhr, beim Hoffest auf dem Betriebsgelände zwischen Biesnitz und Kunnerwitz anlässlich des Jubiläums präsentieren. Es gibt einen Biomarkt regionaler Anbieter, dazu die beliebten Führungen durch die Obstanlagen, zur Hühnerfarm und den Bienenvölkern, ein Konzert der Band Apple Juice und viel zu Erleben für die Kinder. Die direkten Nachbarn vom An- und Verkauf Püschel laden am selben Tag zu ihrem großen Frühlingströdelmarkt ein, sodass ein Flanieren zwischen beiden Veranstaltungen möglich ist.

Zufall oder nicht: Der Landesverband Gartenbau veranstaltet am Sonnabend und Sonntag auch seine Aktion „Tag der offenen Gärtnerei – Blühendes Sachsen 2017“. Gärtnereien aus ganz Sachsen präsentieren die blumigen Trends für die aktuelle Balkon- und Gartensaison. Daran beteiligen sich auch mehrere Gärtnereien in Görlitz und Umgebung, beispielsweise die Gärtnerei Jonathan, Friedhofstraße, und die Gärtnerei Wähner, Friedrich-Engels-Straße.