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Zweite Chance für Dickkopf & Co.

Landwirte und Bäcker in der Oberlausitz setzen immer häufiger auf alte Sorten. 2016 gab es jedoch einen Rückschlag.

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© André Schulze

Von Miriam Schönbach

Bautzen. Der Duft frischer Brötchen liegt über der Backstube. Der Ofen verströmt die herbere Note des Dinkelbrots, das ganz langsam dunkler wird. Der Bautzener Bäckermeister Lutz Neumann greift nach einem Sack Mehl. „Dickkopfweizen“ steht auf dem Etikett, darüber leuchtet das Logo der Rätzemühle Spittwitz. „Regional wird immer wichtiger. Ich weiß, auf welchen Feldern das Getreide gestanden hat und wer daraus das Mehl mahlt“, sagt der Chef der Bäckerinnung Bautzen.

Seit einem halben Jahr bäckt Lutz Neumann aus Bautzen mit alten Getreidesorten, unter anderem Brötchen aus Dickkopfweizen. Für sie braucht es aber mehr Geduld als für herkömmliche Produkte.
Seit einem halben Jahr bäckt Lutz Neumann aus Bautzen mit alten Getreidesorten, unter anderem Brötchen aus Dickkopfweizen. Für sie braucht es aber mehr Geduld als für herkömmliche Produkte. © Uwe Soeder

Lutz Neumanns Familienbetrieb ist eine von sieben Bäckereien in der Lausitz, die wieder mit alten Getreidesorten arbeiten. Sie wachsen im Biosphärenreservat Heide- und Teichlandschaft. Der Ableger des Staatsbetriebs Sachsenforst brachte das Projekt zur Erhaltung regionaler Getreidesorten 2007 auf den Weg. Projektleiterin Eva Lehmann musste zunächst Überzeugungsarbeit leisten. Berkners Schlesische Wintergerste, Jägers Pommersche Dickkopfweizen, Norddeutscher Champagnerroggen oder Heines Goldthorpe, wie sie nun auf den Feldern der Region zu finden sind, sind weniger ertragreich als herkömmliches Getreide. Auch deshalb wurden sie in den 1950er Jahren ausgemustert.

Knapp 70 Jahre später kehren sie als „Nischenprodukt“ zurück. „In diesem Herbst haben wir 231 Hektar mit alten Sorten bestellt. In Vorjahren waren es im Schnitt 50 bis 70 Hektar. Die Menschen besinnen sich auf gesunde und regionale Ernährung“, sagt die Agraringenieurin. Zehn Landwirtschaftsbetriebe sind Projektpartner. Die Agrargenossenschaft Klitten gehört zu den größeren Anbauern, aber auch kleine Betriebe mit Landwirtschaft im Nebenerwerb setzen auf die alten Sorten.

Über den Trend freut sich Bäckermeister Lutz Neumann. Er füllt die Zutaten für die Dickkopf-Brötchen in den Kneter. Während der Teig für normale Brötchen acht Minuten knetet, schaltet der Bäckermeister das Gerät auf zwölf Minuten. Nur so kann eine saftige Krume, das Innere des Brötchens oder Brots, entstehen. Seit einem halben Jahr experimentiert der Bautzener mit Champagnerroggen und Dickkopfweizen. Schon etwas länger bieten die Himmelsbäckerei Andreas Hultsch in Neukirch oder der Kubschützer Bäckermeister Stefan Richter ihre Produkte aus dem heimischen Korn an. „Neben dem Mischbrot ist unser Heidekasten das beliebteste Brot im Laden“, sagt der Himmelsbäcker.

Roggenmischbrot geht am besten

Noch mehr Erfahrung bringt Bäckermeister Jörg Sperling aus Spremberg (Kreis Landkreis Spree-Neiße) mit. Die Brandenburger Landwirte haben bereits 1994 alte Getreidesorten neu entdeckt. Bäcker Sperling baut sie auf 158 Hektar an und mahlt das Vollkornmehl. Von den Brandenburgern kam das erste Saatgut für das sächsische Projekt. „Neben dem Erhalt alter Sorten geht es auch darum, dass auf einst intensiv genutzten Flächen gefährdete Ackerwildkräuter zurückkehren können“, sagt Eva Lehmann. Zum Biosphärenreservat gehören 10 000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche.

Lutz Neumann wiegt die erste Portion des fertigen Teigs ab. Seit 1.30 Uhr produzieren der Meister und sein Geselle Brot, Brötchen und Kuchen. Am besten geht auch bei ihm immer noch das Roggenmischbrot. „Aber immer mehr Kunden lassen sich von den Vollkornprodukten überzeugen. Gerade für Allergiker ist das Brot aus alten Sorten gut“, sagt er.

Gedämpft wird die Euphorie durch den nassen Sommer. Müllermeister Sebastian Unger von der Rätzemühle in Spittwitz kann kaum auf alte Sorten zurückgreifen, weil es während der Ernte geregnet hat. „Die 35 Tonnen Champagnerroggen aus dem vergangenen Jahr haben wir allerdings bis auf das letzte Korn verkauft. Nun versuchen wir aus anderen Regionen Deutschlands Korn dazuzukaufen“, sagt er.

Die Bäcker und die Projektleiterin sind dennoch optimistisch. „Wenn man etwas neu anfängt, muss man ein bisschen probieren“, sagt Neumann. Dann macht er den Ofen aus und holt die „Dickköpfe“ heraus. Im Korb wandern sie in den Laden. In der Backstube bleibt nur ihr herrlicher Duft zurück. (dpa)