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Zwei kommen nicht in die Schule

Wegen der Baustelle fährt ein Taxi die Oberschüler zum Schulbus. Jedoch nicht alle.

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© André Braun

Von Sylvia Jentzsch

Simselwitz. Das hat Schulleiter Thomas Winter in seinen 36 Jahren Dienstzeit noch nicht erlebt. Zwei Schüler aus Simselwitz und Mischütz, die die Roßweiner Geschwister-Scholl-Schule besuchen, können nicht am Unterricht teilnehmen, weil sie vom Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS) nicht mitgenommen werden. Und das alles nur, weil die Staatsstraße, die durch Simselwitz führt, saniert wird.

Deshalb kann der Schulbus nicht seine gewohnte Runde fahren. Die Schüler werden von Simselwitz nach Großsteinbach mit dem Taxi gebracht, um dann in den regulären Schulbus nach Döbeln und Roßwein zu fahren. Vier Schüler aus Simselwitz besitzen dieses Privileg. Sie dürfen jeden Schultag in das Taxi steigen. Zwei Schüler, die zehnjährige Lucie und der 13-jährige Karl werden stehengelassen. Dabei hatten sie sich am Ende der Ferien so auf die Schule gefreut. Doch die Freude ist den Kindern wegen des Ärgers schon längst vergangen.

Sowohl Familie Izaber als auch Familie Eichler haben vom VMS, der im Auftrag des Landratsamtes die Schülerbeförderung übernommen hat, einen Bescheid vorliegen. Darin heißt es: „Die notwendige Beförderung auf dem Schulweg zur Geschwister-Scholl-Oberschule in Roßwein mit öffentlichen Verkehrsmitteln des Verkehrsverbundes Mittelsachsen wird im Schuljahr 2015/16 bewilligt.“ Und genau das könnte der Knackpunkt sein. Das Taxi ist kein öffentliches Verkehrsmittel.

Keine Antwort vom Landrat und den Sächsischen Staatsministerien

„Wäre der Schulbus wie immer gefahren, hätte es keine Probleme gegeben. Nun hängt der Schulbesuch von zwei Kindern von einer Baustelle ab. Das ist einfach unfassbar“, sagte Schulleiter Winter. Er habe schon Bürgermeister Veit Lindner (parteilos) und den SPD-Landtagsabgeordneten Henning Homann, der Mitglied im Förderverein der Schule ist, informiert. Einen Gesprächstermin soll es nächste Woche im Landratsamt geben. „Wir kämpfen für die Beförderung der Schüler an allen Fronten“, sagte der Schulleiter.

Ansonsten ist er bei seinen Versuchen, das Problem auf schnellem Weg aus der Welt zu schaffen, gescheitert. „Nicht einmal eine Antwort habe ich bekommen“, so Thomas Winter. Das haben auch die Eltern der beiden Schüler erlebt. Oft gab es keine Reaktion, wie zum Beispiel auf die Mail, in der sich die Eltern an Landrat Matthias Damm (CDU) mit der Bitte um Unterstützung wandten. Auch in den Sächsischen Staatsministerien, mit denen die Eltern in Kontakt getreten sind, habe sich niemand für ihr Problem interessiert, so Mike Izaber. Schließlich könnten die Kinder ihrer Schulpflicht nicht nachkommen. Aber auch das werde seltsamerweise von den Behörden hingenommen.

Eine Erklärung, warum Lucie und Karl vom Taxi nicht mitgenommen werden, haben die Eltern bekommen. Doch die scheint nicht logisch. Karl geht in die siebente Klasse. Zwei Jahre lang ist er mit dem Schulbus in die Roßweiner Schule gefahren. In diese Schule gehen die meisten Mochauer Grundschüler, wenn sie sich für eine weiterführende Einrichtung entscheiden. „Nun soll Karl in die nächstgelegene Schule gehen. Das ist die Schule in Döbeln Nord. Die hat aber gar keine Kapazität, einen Siebtklässler oder die Fünftklässlerin aufzunehmen. Auch vor zwei Jahren nicht“, so Mike Izaber. Leider habe er sich das nicht schriftlich bestätigen lassen. Außerdem hat der VMS selbst den Bescheid für die Geschwister-Scholl-Schule ausgestellt. „Also sind wir davon ausgegangen, dass alles passt. Eine Ablehnung, dass unser Sohn nicht befördert wird, haben wir nicht bekommen“, so der Vater von Karl.

Eltern fühlen sich machtlos und die Kinder sind sehr traurig

Lucie wollte eigentlich in die Stauchitzer Schule gehen. Diese hat das Mädchen aus Kapazitätsgründen nicht aufgenommen. „Auch in der Döbelner Schule gab es keinen Platz mehr. Zur Wahl standen noch Mügeln, Riesa, Lommatzsch und Roßwein. Wir haben uns für letztere entschieden“, so Remo Eichler.

Am Donnerstagabend erhielt er einen Anruf vom VMS, dass sich auch nach einer Beratung an der Tatsache, dass die Kinder nicht bis zum Schulbus befördert werden, nichts ändert. „Es soll wohl noch eine Sonderregelung geprüft werden. Dabei wäre es doch so einfach, die Kinder an der Simselwitzer Haltestelle mit einem größeren Taxi oder Kleinbus abzuholen, meinen die Eltern. An der Simselwitzer Haltestelle steht, dass während der Baumaßnahme um 6.38 Uhr ein Taxi eingesetzt wird, dass die Schüler zum Bus nach Döbeln und die Oberschule Roßwein fährt – ohne Hinweis, das es Ausnahmen gibt.

Familie Izaber will sich an einen Anwalt wenden und eine Selbstanzeige beim Ordnungsamt machen, weil ihr Kind der Schulpflicht nicht nachkommt. Während die Eltern sich machtlos und unverstanden fühlen, sind die Kinder sehr traurig. Wie es in der kommenden Woche weitergeht, weiß keiner. Die Eltern können die Kinder nicht nach Mochau oder Großsteinberg schaffen, weil sie berufstätig sind.

Die VMS will nun auf Nachfrage des DA zum Sachverhalt die Eltern, Schule, Bildungsagentur und Presse einladen, direkt über das Thema vor Ort zu sprechen. „Wir würden gern ausführlich erklären, welche Schüler warum Anspruch auf welche Art der Beförderung haben, und warum wir gegebenenfalls gezwungen sind, bestimmte Schüler nicht mit dem Schultaxi fahren zu lassen“, so Silke Dinger, Pressesprecherin der VMS. Der Termin könne erst am Montag vereinbart werden.