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Zwei Jahrgänge, eine Klasse?

Pulsnitz will viel Geld in den Brandschutz der Grundschule Oberlichtenau stecken. Dazu muss vielleicht sogar ein neues Unterrichtsmodell her. Aber nur im Ernstfall.

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© Matthias Schumann

Von Reiner Hanke

Oberlichtenau. Das wäre ein Novum im Landkreis: Eine Grundschule, die jahrgangsübergreifenden Unterricht anbietet. Also ein Modell, bei dem die üblichen Klassenstufen aufgelöst werden. So lernen zum Beispiel Erst- und Zweitklässler gemeinsam.

Diese Möglichkeit will sich die Stadt Pulsnitz für die Grundschule in Oberlichtenau offen halten. Das heißt jetzt aber nicht, dass sofort damit begonnen wird. Es ist eher ein Schachzug, aber mit ernstem Hintergrund. Derzeit ist es ein notwendiger Schritt, um dringend benötigte Fördermittel zu bekommen. Die braucht die Schule, um Brandschutzauflagen zu erfüllen. Außerdem muss die Elektroinstallation erneuert und es könnten ein paar Umbauten bei der Gelegenheit erledigt werden. Wenn die Stadt als Schulträger den Forderungen nicht nachkommt, droht aber sogar die Schließung. Genau die will die Stadt verhindern und schob jetzt zügig die Planung für die Investitionen an. Ohne Fördermittel geht freilich nichts bei geschätzten Kosten von 900 000 Euro. Damit das Geld fließen und tatsächlich gebaut werden kann, fehlt deshalb noch ein wichtiger Baustein. Die Stadt muss nachweisen, dass die Schule überhaupt langfristig Bestand haben wird und das Geld gut angelegt ist.

Höhere Geburtenraten

Daran lassen die derzeitigen Geburtenraten als Indikator keinen Zweifel. Die liegen schon seit zwei Jahren über den Prognosen der Schulnetzplanung. Die sind nicht ganz so rosig, aber offensichtlich auch nicht so nah an der Realität. Die Prognose lag bei 14 Kindern in Oberlichtenau und Friedersdorf pro Jahrgang, real waren es sogar neun Kinder mehr. Fürs kommende Schuljahr gibt es mit 21 Anmeldungen erneut deutlich mehr als erwartet.

Die Stadt müsse sich dennoch wappnen und auch mit sinkenden Schülerzahlen rechnen, so Bürgermeisterin Barbara Lüke. Und das wäre mit einem jahrgangsübergreifenden Unterricht möglich. Der Stadtrat beschloss nun, diese Option zu ermöglichen. Verbunden mit dem Auftrag, ein Konzept zu erarbeiten. Das ist auch notwendig. Denn es gibt durchaus unterschiedliche Erfahrungen. Und das Modell funktioniert nicht einfach, indem man zwei Klassen zusammenlegt. Die Stadt ist sich ihrerseits sicher, dass die räumliche Struktur und die bisherige Lernmethodik an der Schule diesem Schulmodell entgegen kommen. So wäre im Ernstfall auch ein Übergang „ohne größere Brüche“ machbar. Auch die Schulkonferenz sieht den Weg positiv und hat sich einstimmig dahinter gestellt.

Bildungsagentur begleitet kleine Grundschulen

Angela Ruscher von der Bildungsagentur in Bautzen sichert ihrerseits für den Ernstfall zu: „Kleine Grundschulen werden bei der Einrichtung von jahrgangsübergreifendem Unterricht durch das Sächsische Bildungsinstitut umfassend begleitet.“ Das Projekt selbst ist noch jung. Es startete mit dem Schuljahr 2014/15.“ Die Begleitung der Schulen umfasse Beratung, Fortbildung und Vernetzung. Es sei dabei wichtig, die Unterstützung an den Bedürfnissen vor Ort auszurichten und konkrete Angebote mit den Lehrern vor Ort abzustimmen.

Angela Ruscher argumentiert: „Guter Unterricht lässt sich nicht daran messen, ob er jahrgangshomogen oder jahrgangsübergreifend gestaltet wird.“ Im Gegenteil. So ist dieses System keineswegs nur ein Modell zweiter Wahl, um kleine ländliche Schulen vor dem Aussterben zu retten. Entwickelt wurde es nach den Worten von Fachleuten als eine Antwort auf den Pisa- Schock. Das Ziel ist es danach, Kinder individueller zu fördern. Die ganz Fixen können den Lernstoff von zwei Klassen in einem Jahr durchackern. Die anderen können sich eben mehr Zeit nehmen.

Dabei seien Teamarbeit und Kooperation der Schlüssel zum Erfolg, sagt Angela Ruscher. Sie sehe für die Schüler Chancen zu einem vielfältigen Lernen: mit- und voneinander. Zehn Grundschulen in Sachsen praktizieren dieses Schulmodell inzwischen. Im Landkreis Bautzen wäre Pulsnitz mit der Grundschule in Oberlichtenau der Vorreiter. Die Stadt Pulsnitz spricht aber zugleich von einem Beschluss auf Vorrat. Es kann also gut möglich sein, das der Beschluss in der Schublade bleibt. Um die Sanierung zu ermöglichen, wird er aber dringend gebraucht.