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Zwangspause bei K+S

Der weltweit größte Salzhersteller gerät unter Druck. Ein Standort in Hessen steht bereits still, nun droht ein weiterer hinzuzukommen.

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© dpa

Die Mienen der Kumpel beim Kali- und Salzproduzenten K+S sind am Dienstag so düster wie das Wetter. Der Dax-Konzern verhängte einen Produktionsstopp in Teilen des Bergwerks Werra, schickte 1 300 Beschäftigte am Standort Hattorf im osthessischen Philippsthal bis auf Weiteres in den Zwangsurlaub. In der Nacht zum Dienstag begann das Unternehmen, die Herstellung herunterzufahren. Der Grund: Zum 1. Dezember ist eine Genehmigung zum Versenken des anfallenden Salzabwassers in den Erdboden ausgelaufen. Nun bleibt nur noch die Entsorgung über die Werra. Doch der Fluss kann nicht unbegrenzt Abwasser schlucken.

Wie lange die Stilllegung anhält, ist ungewiss. Doch das Problem scheint sich eher noch zu verschärfen. Auch die Produktion im benachbarten Unterbreizbach in Thüringen ist gefährdet. Weitere 450 Angestellte müssten dann zu Hause bleiben.

Beim Dax-Konzern gehen Existenzängste in der Belegschaft um. Das im Werk etwas nicht stimmt, kann jeder sehen. Es herrscht weniger Betrieb. Vor allem der weithin sichtbare Förderturm steht still. Und in der Kaue (Umkleideraum) hängen die Klamotten der Bergleute ungenutzt in Körben unter der Decke. Werksarbeiter Steffen Volkenand (40) sagt: „Es ist traurig. Die Situation ist extrem angespannt. Die Leute fürchten um ihre Arbeitsplätze.“ Der Betriebsingenieur arbeitet nicht unter Tage, sondern macht mit seinen Kollegen die Anlagen winterfest für den Produktionsstopp. Von Donnerstag an muss auch er zu Hause bleiben.

Die Belegschaft soll Resturlaub und Überstunden abbauen. Der Betriebsrat hat vereinbart, dass jeder 100 Minusstunden aufbauen darf. Gesamtbetriebsrat-Chef Harald Döll ärgert sich: „Es kann nicht sein, dass die Arbeiter die Zeche zahlen müssen.“ Bald muss eine Lösung her. Die Rettung könnte eine Übergangsgenehmigung sein, die das Regierungspräsidium (RP) Kassel derzeit prüft. Sie könnte K+S Luft verschaffen, bis die Genehmigungsbehörde den neuen Antrag zur Salzwasser-Versenkung abschließend geprüft hat. Das RP sagt, das Dilemma sei entstanden, weil K+S die Unterlagen und ein zu prüfendes Modell zu spät vorgelegt habe. Das Unternehmen bestreitet das.

Auch Werksarbeiter Anton Lal (48) sind die Sorgen anzusehen. „Es geht hier um Existenzen“, betont er. „Wir hoffen alle, dass uns die Politik hilft, damit wir gute Aussichten haben und ein schönes Weihnachtsfest feiern können. Keiner lächelt mehr, viele haben Angst vor Arbeitslosigkeit.“ Wenn die Jobs durch K+S wegfallen sollten, wäre die strukturschwache Region tot, meint er. Und auch der Bürgermeister der nur 4300 Einwohner großen Gemeinde Philippsthal spricht Klartext. „Die Situation ist dramatisch“, sagt Ralf Orth (SPD). K+S ist der wichtigste Arbeitgeber in der Region. Hat das Unternehmen Probleme, geht es auch der Gemeinde schlecht. „Es geht nicht nur um die direkt Beschäftigten, auch Zulieferer, sogar die Bäckereien im Ort, Werkstätten und andere sind betroffen.“ Wenn die Produktion stillsteht, fließen auch weniger Gewerbesteuern.

Zu Kritikern von K+S gehört der Bund für Umwelt und Naturschutz. Thomas Norgall vom hessischen Landesverband sagt: „K+S macht Profite auf Kosten der Natur. Im Laufe der Zeit wurden zwar Verbesserungen beim Umweltschutz erzielt. Aber der Konzern hat es versäumt, ein funktionierendes Entsorgungskonzept für die Zukunft vorzulegen.“ Wie sich K+S durch Genehmigungsverfahren durchzuwurschteln versuche, nennt Norgall eine „Fehlleistung“. Das aktuelle Problem mit fehlenden Entsorgungsmöglichkeiten habe sich K+S selbst zuzuschreiben.

K+S-Betriebsrat Stefan Böck hält es für falsch, „Arbeitsplätze gegen Umweltschutz auszuspielen“. Bei all der Kritik an K+S werde aber oft übersehen, dass das Unternehmen bereits 400 Millionen Euro in den Umweltschutz investiert und im Lauf der Jahre einiges bewirkt habe: „Im Vergleich zu 1990 ist die Wasserqualität der Werra um 90 Prozent besser.“ (dpa)