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Zurück zu den Wurzeln

Andreas Oschika leitet die Behindertenwerkstatt in Panschwitz-Kuckau. Zwischendurch hat er mit Millionen jongliert.

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© Kristin Richter

Von Frank Oehl

wer weiß schon beizeiten, was gut für ihn selbst ist und damit auch für andere? Als Andreas Oschika sein Abi am BSZ in Kamenz in der Tasche hatte, stand er ziemlich ratlos da, wie er heute bekennt. Wie nun weiter? Spontan gab er sich ein Jahr Zeit zum intensiveren Nachdenken – als Zivildienstleistender. In Puschwitz kümmerte er sich um Behindertensport. Die Arbeit mit den Gehandicapten hat ihm viel Freude gemacht, und nebenbei konnte er auch Übungsleiterlizenzen erwerben. Damals ahnte er noch nicht, welche nachhaltige Wirkung dieses Jahr haben würde.

Andreas Oschika ist in Panschwitz-Kuckau aufgewachsen. Die zweisprachige Gemeinde wird durch das Zisterzienserinnen-Kloster St. Marienstern geprägt. Eine Großtante des Heranwachsenden lebte dort tatsächlich als Ordensschwester, und der Ministrantendienst formte ihn ebenso wie das Singen im Kolpingchor. Trotzdem wusste er auch nach dem Zividienst noch nicht genau, was gut für ihn ist.

Da bot sich die Sparkasse Westlausitz an. Mit einem dualen Betriebswirtschaftsstudium. Theorie in der Berufsakademie Bautzen, Praxis im Arkadenhof in Kamenz. Andreas Oschika war ein guter Student, das Rechnen fiel ihm nicht schwer. Nach dem Studienabschluss, mit 22 Jahren, handelte er mit Wertpapieren. Kreditüberschüsse wollten gut angelegt sein. „Ich saß im geschniegelten Anzug am Computer und schob Millionen durch die Gegend.“ Und er schaute in einen imaginären Spiegel: Das soll es nun fürs Leben gewesen sein? Das hatte der Schöpfer mit einem vor?

Flatterängste nach der Auszeit

Dazu kam Fernweh. Wie es für junge Leute typisch ist. Nach zwei Jahren bei der Sparkasse wagte der junge Mann den Absprung. „Das war in der Zeit der ersten Sparkassenfusion mit Pirna.“ Man bedauerte den Weggang eines jungen Anlage-Talentes mit Kapitalfluchtgedanken durchaus, hatte aber auch Verständnis. Andreas Oschika nahm ein Freiwilliges Soziales Auszeit-Jahr und kam über die Initiative Christen für Europa in ein Kinder-Pflegeheim im russischen St. Petersburg. Auch dort standen Behinderte im Fokus. Der gewesene Banker ahnte nun schon, dass das etwas ist für ihn. Unter schwierigen Bedingungen versuchte er sich also an der „Rettung der Welt in einem Jahr“, wohl wissend, dass dies nicht gelingen kann. Er sammelte nicht nur weiter Erfahrung im Umgang mit Behinderten („Für den Moment, wo man für sie da ist, ist man für sie da.“), sondern auch an den Ecken und Kanten des Projekt-Managements. „Ich erfuhr, dass man vieles, was man auf der Schulbank gelernt hat, in der Pfeife rauchen kann.“ Für das Heim in St. Petersburg wurde ein Verein gegründet, der Spendengeld für Freiwilligenprojekte sammelte.

Aber auch das FSJ musste mal zu Ende gehen. Und nun? Wie weiter? „Ich bekam existenzielle Flatterängste“, erinnert sich der heute 36-Jährige. Mitte zwanzig und kein Einkommen – das prägt den sozialen Status auch eines frischgebackenen Studenten der Sozialpädagogik an der FH in Görlitz. Da braucht’s also Nebenbei-Jobs, klaro. Zum Beispiel für den DRK-Blutspendedienst. „Ich bin mit dem Transporter durchs Oberland gefahren und habe den Leuten Blut abgesaugt.“ Das Geld reichte dann sogar für ein Auslandssemester in Sheffield, was die Vermittlungschancen später nicht minderte. Ganz im Gegenteil.

Gutes Team übernommen

Nach dem Studium übernahm Andreas Oschika leitende Aufgaben im Paritätischen Wohlfahrtsverband in Dresden. Zum Beispiel im FSJ-Projekt „Chance“, das versuchte, Jugendliche vom sozialen Rand mehr in die Mitte der Gesellschaft zu holen. Eine Zwölfergruppe arbeitete für ein Jahr in der Altenpflege, und etwa die Hälfte der Teilnehmer hat es dann tatsächlich geschafft. „Weil wir die jungen Leute nicht an ihren Defiziten festgemacht haben, sondern am gebraucht Werden.“ Der Erfolg verhalf Andreas Oschika zu einer Referentenstelle für Eingliederungshilfe und Betriebswirtschaft in der Behindertenarbeit. Als Berater für immerhin 60 Wohn- und 20 Werkstätten in ganz Sachsen. War es das, was das Leben für ihn bereithalten sollte? „Nein. Ich wollte zurück an die Wurzeln. Ich wollte vor Ort mit Behinderten zu tun haben.“ Drei Jahre war er im Epilepsiezentrum in Wachau fürs Wohnen zuständig. Und als die Stelle in der Behindertenwerkstatt St. Michael in Panschwitz-Kuckau ausgeschrieben wurde, war Andreas Oschika schnell der Wunschkandidat. Ein Panschwitzer, der genau so gut mit Behinderten wie mit Geld umgehen kann? Welch Geschenk des Himmels!

Seit sechs Wochen ist der Mittdreißiger nun Chef von 32 Mitarbeitern, die 127 geistig, psychisch und körperlich behinderten Menschen ein Leben in Würde ermöglichen. „Ich habe ein gutes Team übernommen, das sich richtig reinhängt.“ Die Arbeit ist die Methode, heißt es. Und die Methode muss ins Haus kommen. Das heißt: Qualitätsmanagement und Auftragsbeschaffung haben Priorität. Und eine gute Werkstattorganisation ist dabei natürlich das A und O. Und Andreas Oschika, der irgendwie den Eindruck eines endlich Angekommenen macht, schwebt da schon heute einiges vor. Aber das ist bereits wieder eine andere Geschichte ...