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Zurück in die Vergangenheit

Grundschüler lernen heute Schreiben nach Hören. Das sorgt für Fehler. Auch Wissenschaftler sind skeptisch. Also Kehrtwende?

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Von Lucy Krille

Als ich das erste Mal von der Deutschlern-Methode „Schreiben nach Hören“ gelesen habe, konnte ich es gar nicht glauben. Ich habe doch noch nie gehört, dass jemand so schreiben lernt. Doch diese Methode, erfunden von dem Reformpädagogen Jürgen Reiche, scheint schon seit einigen Jahren an deutschen Grundschulen üblich zu sein. An meiner war das zum Glück nicht. Es ist noch gar nicht lange her, da kam ich stolz nach Hause und habe mein Schreibheft gezeigt. „Mama, Mia, Oma.“ Es waren kleine Schritte, und sicher hat es auch eine Weile gedauert, bis ich genug Buchstaben gelernt hatte, um Sätze zu bilden. Doch dafür ging es dann immer besser, und spätestens in der dritten Klasse sah mein Geschriebenes auch nach deutscher Sprache aus. Das ist bei Drittklässlern, die die ersten zwei Jahre nach der Schreiben-nach-Hören-Methode gelernt haben, leider nicht so.

Denn diese schreiben die Wörter, so wie sie gesprochen werden, mit Hilfe von Anlauttabellen sollen die Buchstaben selbst abgeleitet werden. So verwundert es nicht, dass man in Schreibheften von Schülern der dritten oder vierten Klasse noch Sätze wie „Di kinda gen in den tso“ findet. Das Absurde ist nämlich, dass die Lehrer ihre Schüler nicht kontrollieren dürfen, auch die Eltern sollen vor allem in den ersten zwei Jahren keine Korrekturen machen. Verständlich, dass das vielen nicht gefällt. Die meisten machen sich Sorgen, dass der Nachwuchs später nicht mehr die Kurve bekommt und nie mehr die richtige Grammatik erlernt.

Befürworter der sogenannten Reichen-Methode dagegen setzen auf den Spaß am Schreiben und darauf, dass der Druck sinkt, die Kinder mehr Erfolgserlebnisse haben. Doch diese Erfolgserlebnisse muss man mit zwei Seiten betrachten, wie ich finde. Schließlich sind die Ergebnisse nach zwei Jahren schlichtweg falsch. Dann, wenn die Erwachsenen beginnen, das Kind zu korrigieren, wenn aus „di“ auf einmal die wird. Dann zeigt sich nämlich erst, ob die Methode angeschlagen hat. Außerdem muss man sich fragen, ob es für das Kind schön ist, wenn es nach zwei Jahren auf einmal hört, dass alles, was es geschrieben hat, falsch war. Wenn es hört, dass die Eltern und Lehrer es angelogen haben. Ich bin froh, dass ich mit der Fibel Deutsch gelernt habe. So konnte ich auch schon relativ zeitig ein Buch lesen, ohne mich wundern zu müssen, dass da alles anders geschrieben wird. Außerdem sprechen die Vergleichsarbeiten der letzten Jahre ihre eigene Sprache: Die Ergebnisse in Orthografie sind in den letzten Jahren immer schlechter geworden. Dies liegt zwar vielleicht an sozialen Netzwerken und der Tatsache, dass die Kommunikation sich immer mehr auf kurze E-Mails und Nachrichten statt auf herkömmliche Briefe beschränkt. Doch viele Wissenschaftler und Professoren sind der Meinung, dass auch die neue Methode, schreiben zu lernen, ihren Anteil an der schlechten Rechtschreibung von Schülern hat.

Da stellt sich die Frage, ob es nicht besser wäre, wieder wie früher lesen und schreiben zu lernen.

Schließlich wurde doch schon immer mit Fibel gelernt, die Grundregeln, wie z. B. ein doppelter Mitlaut nach einem kurzen Selbstlaut. Die haben meine Eltern genauso wie meine Großeltern gelernt. Mit dem Unterschied, dass Oma und Opa noch die Sütterlin-Schrift geschrieben haben. Die wurde ja inzwischen abgeschafft. Apropos abschaffen: Die gute, alte Schreibschrift, die ich und viele andere als Erstes in der Schule gelernt haben, verschwindet in immer mehr Bundesländern vom Lehrplan. Alles wird besser? Ansichtssache.