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Zur Debatte um die Straßenbaubeiträge

In seiner Sitzung am 24. Mai will der Görlitzer Stadtrat eine Entscheidung zur Zukunft der Straßenausbaubeiträge fällen. Die spannende Frage ist, ob die Satzung abgeschafft wird. Am Freitag erschien in der SZ ein weiterer Beitrag zu dem Thema. Dazu erreichten uns diverse Reaktionen.

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© nikolaischmidt.de

„Entscheidende Faktoren übersehen“

Von Michael Wieler, Bürgermeister Der Stadt Görlitz

Die Berichterstattung über Straßenbauförderung vermittelt dem Leser leider nur ein halbes Wissen und übersieht mehrere entscheidende Faktoren:

1. Für den Leser entsteht der Eindruck, die Straßenbauförderung beziehe sich auf die Gesamtkosten einer Maßnahme. Dies ist nicht der Fall. Es gibt praktisch immer nicht förderfähige Kosten. Und Berechnungsgrundlage für die Straßenbauförderung sind eben nicht die Gesamtkosten, sondern immer nur die förderfähigen Kosten.

2. Nie förderfähig ist die Straßenbeleuchtung. Straßenbeleuchtung ist häufig Bestandteil unserer Straßenbaumaßnahmen und wird von den Bürgern auch als selbstverständliche Bestandteile derselben empfunden. Die Straßenbeleuchtung fällt aber unter die Beitragsfähigkeit der Straßenausbaubeiträge. Fallen diese weg, muss die Stadt diese zukünftig immer zu hundert Prozent bezahlen. Auch Zittau oder andere Städte. (Vielleicht hat Zittau das noch nicht gemerkt, nimmt es in Kauf oder baut einfach keine mehr. Straßenbeleuchtung ist schließlich eine freiwillige Aufgabe und jede Stadt kann dies auch lassen.

3. Ein ganz wesentlicher Faktor wird überhaupt nicht gesehen: Wichtige und zur Zeit die größten Straßenbaumaßnahmen in Görlitz wie der Demiani- oder der Postplatz werden ganz (Postplatz) oder zu Teilen (Demianiplatz) nicht mit Straßenbauförderung gebaut, sondern mit Städtebaufördermitteln, denn sie wurden lange vor der Änderung der Straßenbauförderung geplant und so beantragt und bewilligt. Bei der Städtebauförderung gilt aber eben nicht der Grundsatz, dass die Förderung für die ausfallenden Anliegerbeiträge einspringt. Im Gegenteil: Es müssen immer die höchstmöglichen Beiträge (75, 50, 25 Prozent) abgezogen werden. Der Fördermittelgeber geht davon aus, dass die Stadt diese Beiträge erhebt oder sie selbst bezahlt. Während die Punkte 1 und 2 überall gelten, ist der Punkt 3 an Städtebaufördergebiete gebunden. Davon könnte Zittau auch betroffen sein, aber wohl eher wenige Städte landes- und bundesweit. Für Görlitz ist diese Förderung aber bekanntlich elementar. Ohne sie wäre Görlitz nicht Görlitz geworden, wie wir es heute sehen. Die finanziellen Konsequenzen in den nächsten Jahren bei einer Abschaffung oder Senkung der Beiträge unter das von der Stadtverwaltung vorgesehene Maß, hätte dadurch allgemeine und vor allem spezifische Konsequenzen für den Haushalt, die nur ermessen werden können, wenn diese aufgezeigten Bedingungen beachtet werden.

Der Kommentar deutet die schwierige Entscheidungssituation für die Stadträte immerhin an. Die Faktenlage vermittelt aber eben – und zwar in entscheidender Weise – nur das halbe Wissen, welches erforderlich ist, um ein sachorientiertes Urteil zu fällen.

„Anliegern ist das kaum noch vermittelbar“

Von Ralf Altenburg, Görlitzer Bürger

Mit der aktuellen Fassung der Richtlinie des Freistaates für den Straßenbau, die für Vorhaben gilt, die erstmalig ab 2016 bewilligt werden, sei der automatische Abzug der Straßenbaubeiträge von den zuwendungsfähigen Kosten nicht mehr vorgesehen. Er wird nur bei den Kommunen angewandt, die noch eine Straßenbaubeitragssatzung haben. „Diese Kommunen erhalten die Förderung gekürzt, um den Anteil der nach Satzung einzunehmenden Beiträge“… . Anders gesagt: Da, wo die Anlieger keine Beiträge zahlen, springt der Freistaat ein. Oder im Umkehrschluss: Wo Anlieger zahlen, gibt der Freistaat weniger Fördermittel. „Wer keine Beiträge erhebt, bekommt die volle Förderung“… . Hinzu komme der Verwaltungsaufwand bei jeder Beitragserhebung. … „Den dann Beitragspflichtigen wäre dieser Umstand kaum zu vermitteln, sie müssten einen Anteil des Straßenausbaus bezahlen, der im Falle der Nichtexistenz einer Straßenbaubeitragssatzung gefördert werden könnte.“ Aus diesem Grund sei es sinnvoll, die Straßenbaubeitragssatzung aufzuheben.“ In Görlitz ist aus folgenden Gründen alles etwas anders:

1. Die Stadt Görlitz gibt bisher keine oder nur extrem geringe Eigenmittel zu Straßenausbaumaßnahmen aus.

2. Gemäß Straßenausbaubetragssatzung wird der Bürger bis zu 75 Prozent an den Kosten beteiligt.

3. Obwohl es 80 Prozent Förderung durch das Land Sachsen gibt, werden diese Mittel nicht annähernd in möglicher Höhe in Anspruch genommen.

4. Es werden nicht nur die Fördermittel nicht in voller Höhe in Anspruch genommen, sondern der Eigenanteil der Stadt wird durch den „Bürgeranteil“ gedeckt.

5. Görlitz hat einen sehr hohen Hebesatz für Grundsteuern, bezogen auf die Größe der Stadt.

6. Bürgermeister Wieler suggeriert öffentlich, dass die Stadt hohe Eigenmittel beisteuert und diese Mittel, bei wegfallenden Bürgeranteilen nach Abschaffung der Satzung, so umfänglich wären, dass kaum noch Straßenausbau möglich wäre.

7. Es soll im Grunde alles so bleiben wie es ist, nur der extreme hohe Bürgeranteil soll gesenkt werden, um den Landesanteil besser zu verrechnen.

8. Görlitz beabsichtigt weiterhin keine Eigenmittel für diese Zwecke aufzubringen.

Nun sollte jeder Stadtrat bei seiner Stimmenabgabe verstanden haben, wofür oder wogegen er stimmt, auch wenn er sich in das komplexe Thema nicht hineingearbeitet hat oder in Fachausschüssen tätig ist.

„Stadtrat soll Erfahrungen anderer Städte prüfen“

Von Hans-Joachim Zähr, Görlitzer Siedlerverein

Mit der Aussage, dass fehlende Straßenausbaubeiträge durch den Freistaat mit Fördermitteln ausgeglichen werden, dürfte nach Abschaffung der Satzung zum Straßenausbau, zum Beispiel in Görlitz, auch keine Finanzierungslücke entstehen. Den Verband Wohneigentum Sachsen e.V. habe ich entsprechend informiert und um Prüfung dieser Auslegung gebeten. Als Görlitzer Siedlerverein sehen wir uns in unserer Forderung nach Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung in Görlitz bestärkt und gehen davon aus, dass der Stadtrat die beschriebenen Erfahrungen, die in anderen Städten nach der Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen gemacht wurden, auswerten und objektiv prüfen wird, bevor es zu einer Entscheidung kommt.