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Die Knappen von der Fifth Avenue

Der Altenberger Verein hält die Bergbautradition hoch. Das Engagement führt den Verein dabei in die ganze Welt.

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Von Peter Salzmann

Zum Erfolg fährt kein Förderkorb, man muss schon Leitern und Treppen steigen – für die Bergleute eine gelebte Binsenweisheit. Auch für 35 Mitarbeiter des einstigen VEB Zinnerz Altenberg, die nach dem Ende des Betriebes 1994 den Knappenverein Altenberg ins Leben riefen, „weil Tradition verpflichtet und in die Zukunft getragen werden soll“. Das sagt Michael Bodrich, der Vereinsvorsitzende aus Schellerhau. Er weiß, wovon er spricht. „Das tun wir seit 20 Jahren mit Herz und Sinnen“, bringt es der 60-Jährige auf den Punkt und verweist auf die Vereinswurzeln im Jahre 1461. Denn damals ist die Zwitterstock-Gewerkschaft gegründet worden. Der 20. Vereinsgeburtstag wird im Agricola-Jahr begangen, denn „der Montanwissenschaftler und Herausgeber der zwölf Bücher über das Berg- und Hüttenwesen erblickte vor 520 Jahren das Licht der Welt“, so Bodrich.

Der Knappenverein Altenberg zählt inzwischen 112 Mitglieder, überwiegend Einheimische, aber auch aus Pirna, Freiberg, Schmiedeberg und Berggießhübel. Einer wohnt sogar im südafrikanischen Potgitergrus, der auf diese Weise seiner Erzgebirgsheimat verbunden bleibt. „Es sind vor allem Bergleute, auch Autobauer, Fahrlehrer, Maurer und eine Köchin“, erzählt Bodrich.

Mittelpunkt des Vereinslebens ist die Knappenstube im Altenberger Europapark. Hier ist Platz für Exponate der Bergbaugeschichte, für Minerale – darunter ein Riesenquarz mit einem Meter Durchmesser –, dazu Bilder, Teller, Krüge, Pokale. Ein Foto von 1920 zeigt Knappen und Steiger in Arbeitskleidung samt Helm und Grubenlampe. Seit 1994 sind die Habitträger bei Bergparaden und Aufzügen präsent. Zweifelsfrei ist der 11. Europäische Knappentag im ungarischen Balatonfüred einer der Höhepunkte, die in der Festschrift zum 20. Geburtstag des Knappenvereins verewigt sind. Die Altenberger paradierten mit ihrer Fahne unter anderem in Tschechien, Österreich, im Saarland, in Hessen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Bayern. „Aber“, so Michael Bodrich, „unvergessen bleibt für uns die 40. Steubenparade im September 1997 in New York.“

Immer wieder befasst sich der Knappenverein mit Projekten zur Erforschung der Bergbaugeschichte und sorgt sich um den Erhalt von Sachzeugen. Mit der Neuauflage der „Meißnerschen Chronik von Altenberg von 1747“ gelang es den passionierten Historikern, das Vorgestern ins Heute zu transportieren. Nicht minder bedeutungsvoll ist die Manuskript-Herausgabe des Dresdner Volksschullehrers Rudolf Schumann, der die Entwicklung des Bergbaus, der Grundherrschaften und Bergstädte zwischen Frauenstein, Dippoldiswalde, Glashütte, Altenberg und des böhmischen Grenzgebietes erforscht hatte. Dem Knappenverein ist es zu danken, dass die verstreuten Manuskripte überarbeitet und zusammengeführt werden konnten. Oft ist es der Altenberger Bergbauchronist Heinz Bernhardt, der mit seinen Recherchen und Veröffentlichungen seinen Verein weit über Sachsens Grenzen hinaus einen guten Namen macht.

Im Bündnis mit der Hochschule für Bildende Künste Dresden erforschen die Vereinsfrauen auf der Grundlage einer Diplom-Arbeit von Annegret Päßler aus Dresden seit 2012 die „Feier- und Festtagskleidung der Frauen im Erzgebirge um 1850“. Entstanden ist bereits ein Habit, entworfen nach dem Reglement von 1853. „Dieses Projekt ist für uns Anlass“, sagt Michael Bodrich, „mit 35 Frauen im Knappenverein eine Gruppe zu gründen, die sich mit der Rolle der Frau im Bergbau befasst.“

Wer weiß schon heute noch, dass Frauen während des Weltkrieges eingefahren sind?