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Zum Wassertrinken in die Anstalt

Auf seine Geschäftsidee kommt Friedrich Adolph Struve bei einer Kur. Seine Erfindung erobert die Welt.

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© Reproduktion: Städtische Galerie Dresden/Franz Zad

Von Jana Mundus

Die Erfolgsgeschichte beginnt lebensbedrohlich. Bei seiner Arbeit vergiftet sich der Dresdner Apotheker Friedrich Adolph Struve 1808 mit Blausäure. Krämpfe, Atemnot und Erbrechen plagen ihn seitdem. Der 1781 in Neustadt/Sachsen geborene Struve weiß, was zu tun ist. Schließlich hat er vor der Übernahme der angesehenen Dresdner Salomonis-Apotheke am Neumarkt bereits in Halle und Leipzig Medizin studiert. Nun hilft nur noch eine Trinkkur zur Entgiftung des Körpers. Er fährt ins böhmische Karlsbad. Es wird ein Genesungsurlaub mit Geschäftsidee.

Fasziniert schaut Struve sich an, wie die Kurgäste das Karlsbader Mineralwasser gleich literweise in sich hineinschütten. Ein gutes Geschäft. Das Trinken von Heilwasser war bei gut Betuchten schon seit längerer Zeit absolut angesagt. Das müsste sich doch irgendwie auch in Dresden machen lassen, denkt sich Struve. Einziges Problem: In seiner Heimatstadt gibt es nun einmal keine Heilquelle. Doch für einen Apotheker mit Kenntnissen in Chemie ist das kein Problem. Der Dresdner analysiert die Zusammensetzung bekannter Heilwasser – und stellt sie danach künstlich her. Zehn Jahre später ist er in der Lage, das Wasser von 40 bekannten Heilquellen nachzuempfinden. Geschmack und Geruch sind nahezu identisch zu den Originalen. Die Dresdner sind entzückt.

Im Juni 1821 eröffnet er „Dr. Struves Sächsische konzessionierte Mineralwasseranstalt“ an der damaligen Großen Oberseegasse 21, zwischen der Bürgerwiese und dem zu dieser Zeit noch nicht gebauten Hauptbahnhof. Außerdem den „Struveschen Gesundheitsgarten“ an der späteren Prager Straße 18. Bis zu 600 Kurgäste kommen täglich in die Trinkanstalt, um das Wasser zu trinken. Lange Reisen nach Böhmen sind nun nicht mehr notwendig, um sich Gutes zu tun. Auch verschiedene Besucher aus dem Ausland kommen wegen Struves Erfindung nach Dresden.

Der Geschäftsmann Struve hat schon wieder neue Ideen. Auch in anderen Städten entstehen seine Trinkhallen. So neben Berlin auch in Königsberg, Brighton, Moskau oder Kiew. Dort setzt er gern seine Schüler oder auch Verwandte ein. Sein Neffe wird beispielsweise Leiter der Filiale in St. Petersburg, in die auch das Zarenpaar zum Wassertrinken kommt.

In Dresden genießt er damals so viel Ansehen, dass er 1833 zum Stadtverordneten wird. Nur sieben Jahre später stirbt er während eines Berlin-Aufenthalts. Beigesetzt wird er in der Familiengruft auf dem Dresdner Trinitatisfriedhof.

Auch nach seinem Tod bleibt Struve vielen im Gedächtnis. Dafür sorgt auch eine andere Berühmtheit. Der Schriftsteller Theodor Fontane ist ab 1842 Geselle in der Salomonis-Apotheke am Neumarkt. In seinem Buch „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“ beschreibt er, dass die Lehrlinge damals gern selbst zum Mineralwasser griffen, versetzt mit Himbeer-, Erdbeer- und Berberitzensaft. Irgendwann rechneten sie aus, was Gehilfen und Lehrlinge über ein Jahr hinweg getrunken hatten. „Die Summe war ein kleines Vermögen“, schreibt Fontane. „Wir empfanden aber durchaus keine Reue darüber.“

Gut 20 Jahre nach Struves Tod rentieren sich die Trinkhallen nicht mehr, weil zu wenig Leute kommen, die Einrichtungen deshalb nur mäßig Gewinne abwerfen. Viele werden daraufhin geschlossen. In verschiedenen Stadtteilen entstehen in der Folgezeit Wasserhäuschen. Dort können die Dresdner verschiedenste künstliche Mineralwasser kaufen. Ein Verkaufshit ist Mineralwasser noch heute.