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Zum Schluss ein Weinkeller

Ein Paar träumt von einem naturnahen Leben auf dem Dorf. Jetzt haben sie ein Haus, an das sich andere nicht herantrauten.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Kmehlen. Repräsentativ steht das Fachwerkhaus in der Frühlingssonne. Es wirkt erhaben, auch wenn sich im Inneren gerade Bauleute mit dem Entkernen laut zu schaffen machen. Katja und Jörg Erdmann sind mit Töchterchen und Hund aus Weinböhla auf ihre neue Baustelle gekommen. Nach wie vor hat das riesige, fast 200-jährige Gebäude die Faszination, die das Paar schon bei der ersten Besichtigung umfing. Sie hoffen, dass sie bleibt. „Die Frau, die zuletzt allein hier drin wohnte, ist 96 Jahre alt geworden“, erzählt Katja Erdmann. Man kann wohl von einem guten Karma reden.

Die Filialleiterin der Meißner Porzellanmanufaktur und der studierte Winzer fanden das Haus auf einer Immobilien-Webseite. Das Spiel des Lichts in dem 27 Meter langen Gebäude mit den kleinen Fenstern hat sie gleich beeindruckt. Außerdem der authentische Charakter des Gemäuers, der große Bauerngarten und die alten Bäume. „Wir wollen naturnah auf dem Lande leben, Schafe, Enten, Hühner halten und einen Weinberg anlegen“, so Jörg Erdmann. Der 40-Jährige ist ein resoluter Typ – und verrückt genug, um die Sanierung dieses Grundstückes anzugehen. „Es gab schon vor uns Interessenten – aber denen war das Haus viel zu groß“, wissen die Erdmanns.

Immerhin 250 Quadratmeter auf jeder Etage erwarten die Bauherren. Das Dach muss neu gedeckt, das Fachwerk saniert – sprich die ländliche Baukultur gepflegt werden. „Weil wir genau das wollten, hatten wir keine Diskrepanzen mit dem Denkmalschutz“, sagen die jungen Leute. Sie haben sich darauf eingestellt, sich mit der vorhandenen Baustruktur des Wohnstallhauses zu arrangieren, dem Denkmal „seine Seele nicht zu rauben“, wie es Jörg Erdmann ausdrückt. Allerdings ist er 1,94 Meter groß. Doch die Raumhöhe passt.

Bauliche Veränderungen sind eh nur im Raster des Fachwerks möglich. Das haben die Erdmanns in Quedlinburg erfahren, wo sie sich noch vor dem Kauf mit einem ausgewiesenen Fachmann für die Sanierung von Fachwerkhäusern unterhielten. „Wir werden mit natürlichen Baustoffen wie Lehm, Holz oder Tonziegeln arbeiten“, sagt Jörg Erdmann. Dafür wird das Haus bald aber vorerst nur noch wie ein Gerippe dastehen. Der original erhaltene Stallbereich soll bleiben, ins Erdgeschoss kommt neben der modernen Heizungsanlage zudem eine Einliegerwohnung. Die Bauherren wollen selbst ins Obergeschoss ziehen – möglichst schon dieses Jahr Weihnachten. Viele lokale Handwerksfirmen wurden beauftragt.

„Ein Wahnsinn“ bleibt das Vorhaben trotzdem. Es wird Jahre dauern, bis das Haus wirklich fertig wird, sofern das überhaupt zu schaffen ist. „Wir trauen uns den Wahnsinn zu“, sagt Jörg Erdmann. Denn die Familie kann mit Unterstützung rechnen. Über die ländliche Entwicklung wurde für das Umbau- und Wiedernutzungsprojekt der Höchstzuschuss von 90 000 Euro bewilligt. Die Gesamtkosten sind sechsstellig. Nach jetzigem Plan.

Spannend fanden die Erdmanns bereits ein Holzschutzgutachten. Das wies aus, dass an den Balkenköpfen mehr Arbeit nötig ist als ursprünglich geplant. Doch die jungen Bauherren sind gerade jetzt im Frühling voller Tatendrang. „Vier Wochen wird das Entkernen dauern, dann geht der Neubau los“, sagen sie freudig. Ihre anfängliche Skepsis über den Arbeitsumfang in so einem Denkmal ist verflogen.

„Wir möchten dieses einzigartige Haus wieder mit neuem Leben füllen und uns in die Dorfgemeinschaft einbringen“, unterstreichen Katja und Jörg Erdmann. Teil ihres naturgelassenen Gartens ist auch ein Löschteich sowie das jetzige Feuerwehrhaus. Da ergab sich schon ein erster Kontakt zu den Alteingesessenen. Winzer Jörg Erdmann will sich zudem eine kleine Weinpresse in den Keller stellen, um die Gartenfrüchte zu verarbeiten. Vielleicht wird ja auch das ein angesagter Dorftreffpunkt.