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Zum Schein deutsch

„Zarte Würzigkeit, herber Blümenstand von Geschmäcken“ - klingt nach Käse, nur nicht wirklich deutsch. Scheinmarken, die so tun, als seien sie „Made in Germany“, stehen in russischen Supermärkten hoch im Kurs.

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© dpa

Thomas Körbel

Moskau. Schon mal Grüntäler Käse gegessen? Klingt irgendwie vertraut, dürfte aber in deutschen Supermarktregalen kaum zu finden sein. Die russische Firma Cheeseart produziert den würzigen Schnittkäse in der Nähe von Moskau und vertreibt ihn, ansprechend verpackt, unter dem deutschen Namen und mit deutscher Beschreibung.

Russland hat sich vor anderthalb Jahren buchstäblich selbst den „Milchhahn“ zugedreht. Käse, Butter und andere Lebensmittel aus der EU sind in den Supermärkten seit dem 6. August 2014 Fehlanzeige. Mit einem weitreichenden Importverbot wehrte sich Moskau damals gegen Sanktionen des Westens in der Ukraine-Krise. Geschmuggelten Westkäse ließ Kremlchef Wladimir Putin demonstrativ tonnenweise vernichten und gab das Ziel aus, mit dem Embargo die eigene Produktion zu stärken.

Das Ergebnis: Viele Käsesorten werden jetzt in Russland hergestellt, und manche Produzenten machen ihre Ware den Kunden mit deutsch anmutenden Etiketten schmackhaft. Das Phänomen ist zwar auch in Deutschland bekannt - etwa bei angeblich russischen Wodka-Sorten. In Russland aber wird branchenübergreifend veredelt und aufgewertet mit scheinbar deutschen Marken sowie Verweisen auf „deutsche Qualität“.

So auch beim Grüntäler. „Gewürzkräuter - Zarte Würzigkeit, herber Blümenstand von Geschmäcken“, steht in holprigem Deutsch auf der Verpackung. Deutsche Käseliebhaber in Moskau ätzen bereits im Internet: „Viele Umlaute machen noch keinen deutschen Käse!“

Der Chef der Firma Cheeseart ist für eine telefonische Stellungnahme nicht zu erreichen. Eine Sprecherin sagt der Deutschen Presse-Agentur aber, das Unternehmen habe früher Käse aus Deutschland vertrieben, doch wegen des Embargos komme die Ware nun aus Russland.

Auskunftsfreudiger ist der Moskauer Hersteller Nelt, der in Russland die Käsemarke Schönfeld vertreibt. Vor dem Embargo habe das Unternehmen eng mit deutschen Firmen zusammengearbeitet. „Wir wissen, wie gut die Kunden deutsche Qualität auffassen“, sagt Sprecherin Ljudmilla Nikljudowa. Daher habe Nelt sich 2011 entschieden, die neue Marke mit dem deutsch klingenden Namen Schönfeld zu registrieren.

„Made in Germany“ ist bei Russen beliebt. Die Lebensmittelindustrie springt damit auf einen Marketingtrick auf, den schon russische Firmen aus völlig anderen Branchen vor Jahren entdeckt haben: Technik von Kaiser - nie gehört? Aber eins ist klar: Wer seine Wohnung liebt, der putzt in Russland mit Reiniger von Meine Liebe. Und die Marke mit dem starken Namen Kanzler bietet „Mode für Männer, die Entscheidungen treffen“ - diese lässt sich dann hervorragend waschen mit Waschpulver von Frau Schmidt.

Dass vermeintlich deutsche Marken in Russland gut ankommen, findet die deutsche Auslandshandelskammer in Moskau undramatisch. „Solange nicht echte Produktfälschung vorliegt, hat das Phänomen für mich eher eine humoristische Komponente“, sagt AHK-Sprecher Jens Böhlmann.

Er sehe darin Anerkennung für deutsche Leistung. Das zeige: „Deutschland steht immer noch für Qualität und Zuverlässigkeit.“ Juristisch relevant würde ein solcher Fall lediglich, wenn etwa deutsche Markennamen oder gängige Werbeslogans missbraucht würden.

Ein Grenzfall könnte Böhlmann zufolge eine Butter sein, die deutschsprachige Kunden in russischen Supermärkten mit ihrem schrägen Namen erheitert: Danke Anke. Doch weniger der Name oder die schemenhafte Zeichnung einer blonden Trachtenträgerin vor einem Bergpanorama bereiten AHK-Experten Kopfschmerzen, als vielmehr die Tatsache, dass der St. Petersburger Hersteller Nevamilk Danke Anke als „Deutsche Markenbutter“ ausgibt.

„Das geht nicht, dagegen könnte man klagen“, meint Böhlmann. Anfragen bei Nevamilk bleiben zunächst unbeantwortet. Zugleich geht Böhlmann davon aus, dass kein deutscher Fabrikant ernsthaft eine Klage plane, wohl auch, weil das in Deutschland geschützte Qualitätssiegel in Russland kaum jemand verstehen dürfte.

Folgen hatte indes das aggressive Marketing des Elektroherstellers Bork, der sich früher Bork Germany nannte. Nach einer Beschwerde von Wettbewerbern schritten die russischen Behörden 2009 ein. Denn wie sich herausstellte, ließ Bork die meisten Produkte in China fabrizieren und nicht wie viele Kunden glaubten in Deutschland.

Heute findet sich in den betont schicken Bork-Boutiquen im Zentrum von Moskau kaum ein Hinweis auf Deutschland. Zwar verweist die Firma auf ihrer Webseite auf eine deutsche Herkunft. Doch die Darstellung, der Name Bork käme vom deutschen Wort „abborken“, erscheint wenig überzeugend. Der Duden jedenfalls kennt ein solches Verb nicht. (dpa)