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Zum Piepen

Aldi in Ebersbach hat am Sonnabend geschlossen. Viele Kunden bedauern das. Nun soll der Komplex umgebaut werden.

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© Matthias Weber

Von Susanne Sodan

Ebersbach. Müllbeutel. Das letzte Produkt, das bei Aldi in Ebersbach über das Band rollt, sind Müllbeutel. Die Kasse piept ein letztes Mal. Die beiden letzten Kunden sind Cornelia Wünsche und ihre Tochter Linda. Fast auf die letzte Minute sind sie noch ins Aldi gehuscht. „Wir brauchten eben noch dringend eine Rolle Müllbeutel. Ich habe gerade festgestellt, dass ich keinen einzigen mehr im Haus habe“, sagt Cornelia Wünsche und lacht. Aldi war manchmal schon für sie die letzte Rettung, wenn noch was fehlte im Haushalt. „Klar, ich wohne um die Ecke“, sagt sie. Es ist Sonnabend, gleich 18 Uhr. Die Tür summt noch einmal, um sich zu öffnen, die beiden Frauen gehen. Das Ende von Aldi auf dem Unteren Kirchweg verläuft still. Die Kasse hat ihren letzten Piep getan, das Rauschen der Kühlungen ist noch zu hören.

Zehn Stunden früher, 8 Uhr am Sonnabend. Die Ebersbacher Aldi-Filiale hat zum letzten Mal ihre Türen geöffnet. Es stehen keine langen Schlangen an, es gibt auch keine roten Schlussverkaufsschilder. Außer bei verderblichen Waren in der Kühlung, die teilweise reduziert sind. Alles andere in den Regalen wird in den kommenden Tagen eingepackt und in andere Filialen gebracht. Und trotzdem, man sieht, dass hier etwas zu Ende geht. In den sonst vollen Regalen sind Lücken, viele der Kisten sind beinahe leer. Johannisbeer-Nektar ist schon aus, die Kaiserbrötchen auch, das Katzenfutter geht zur Neige. In einer großen Pappkiste auf einer Palette lagen Säcke mit Grillkohle. Jetzt liegt dort nur noch ein bisschen Kohlestaub. Vorne an der Kasse hat das Gepiepse begonnen, die ersten Kunden bezahlen ihren letzten Wochenend-Einkauf beim Ebersbacher Aldi. Eine junge Verkäuferin in mittelblauer Aldi-Kleidung kassiert. Die meisten Kunden sagen diesmal nicht nur „Guten Tag“ und „Tschüss“, sondern wechseln ein paar Worte mehr. „Alles Gute für Sie“ hört man häufig. Und: „Sie werden uns fehlen“.

Dass Aldi aus dem Einkaufskomplex an der Ecke Unterer Kirchweg und Goethe-Straße auszieht, hängt mit dem geplanten Umbau des Areals zusammen. Es gehört dem Münchner Unternehmer Christoph Geiger. Nach bisherigen Informationen plant er, anstelle des alten, 1991 erbauten Gebäudes einen modernen Einkaufskomplex zu schaffen. Einen Bebauungsplan für das Areal gibt es.

„Es ist ein komisches Gefühl“, sagt die Verkäuferin. Auf der einen Seite ist alles wie immer. „Die Kunden, die früh beizeiten einkaufen, kommen auch heute früh beizeiten.“ Sie kaufen, was sie sonst auch kaufen. Und für die Verkäuferin wird sich vermutlich in ihrer Arbeit künftig nicht viel ändern. Laut SZ-Informationen werden die acht Mitarbeiter in Ebersbach in Zukunft in anderen Filialen in der Region arbeiten. Das Ebersbacher Geschäft aber sei etwas besonderes für sie gewesen, sagt die Verkäuferin. „Wir waren hier wirklich ein tolles Team, das war schön“, erzählt sie. Und: Man kannte viele der Kunden. „Wir hatten hier sehr viele Stammkunden“, bestätigt auch eine andere Kollegin. „Manche Kunden waren jeden Tag da.“ Vor allem ältere Menschen. Die Filiale liegt in einem Wohnviertel, direkt nebenan ziehen sich die drei Wohn-Blocks der Goethe-Straße. In der Nähe liegt außerdem die DRK-Wohnanlage Dreiseithof. Die Kundschaft scheint sich auch untereinander zu kennen. Die Szene sieht man häufig an diesem Sonnabend: Zwei, drei Leute, die auf dem Parkplatz oder auf den Gängen im Geschäft beieinanderstehen und sich über des Neueste unterhalten.

Auch Erika und Rudolf Kumpf haben prompt einen Bekannten getroffen. Zu den Täglich-Kunden gehören sie nicht, aber doch zu den regelmäßigen. „Wir fahren jetzt in den Urlaub“, erzählt Erika Kumpf. „Jetzt haben wir noch eingekauft, was wir brauchen, wenn wir wieder nach Hause kommen.“ Das Ehepaar ist mit dem Auto da. „Wir haben das Glück, dass wir noch mobil sind“. Sie können also zum Beispiel auch zu Lidl oder Netto in Ebersbach fahren, zu der Aldi-Filiale in Neugersdorf oder auch zu Kaufland. „Viele können das aber nicht mehr. Sie sehen es ja“, sagt Erika Kumpf. Wie sollen die Anwohner, die nicht mehr gut zu Fuß sind, in der nächsten Zeit zu ihren Einkäufen kommen? Eine ältere Frau mit Hut und Krücken packt vor dem Aldi ihren Einkauf zusammen. „Meine Nichte hilft mir“, sagt sie. Die Nichte werde auch in Zukunft die Einkäufe besorgen. „Verhungern werde ich jetzt also nicht.“ Trotzdem, sie sei gerne manchmal noch rausgegangen. Noch eine Kleinigkeit vom Aldi holen, das war ein Ziel. „Ich muss jetzt alles, was ich brauche, genau aufschreiben. Wenn ich mal was vergesse...“ Diesen Punkt nennen viele der Kunden: Einkaufsmöglichkeiten gebe es in Ebersbach-Neugersdorf und Umland durchaus. Und es komme ja auch ein neues Lebensmittelgeschäft. Aber bis dahin? Wer statt Auto Rollator fährt, für den könne auch der Weg zu Lidl an der B96 weit sein.

„Ich glaube, viele Ebersbacher bedauern die Schließung sehr“, sagt auch Heidrun Hensel. „Ich frage mich, ob das Alte nicht noch weiter hätte genutzt werden können.“ Die Aldi-Schließung macht so manchem deutlich, wie schnell die Zeit vergeht. Viele können sich wie Heidrun Hensel noch gut daran erinnern, wie der Komplex vor 26 Jahren erbaut wurde. Zunächst, das erzählen mehrere, sei ein anderer Discounter Mieter gewesen. 1993 kam Aldi. „Ich hatte den Eindruck, die Kombination in dem Komplex hat sich auch gut etabliert“, sagt Heidrun Hensel. Neben Aldi sind in dem Gebäude auch eine Tedi-Filiale und der Bekleidungs-Discounter Kik untergebracht, außerdem eine Physiotherapie und ein Zahnarzt. Regelmäßig machen auch Verkaufswagen auf dem Parkplatz halt. „Es ist eine Unsicherheit da, was jetzt kommt und was sich umsetzen lässt“, sagt Heidrun Hensel. Kik hat vor dem Gebäude jedenfalls ein Schild aufgestellt, das verkündet, die Filiale sei weiterhin geöffnet. Aber wie lange noch? Werden die bisherigen Geschäfte auch in dem neuen Bau vertreten sein? Und kommen die Verkaufswagen weiterhin?

Aldi Nord modernisiert seit vergangenem Jahr immer mehr der Filialen nach einem neuen Konzept. In dem geplanten neuen Ebersbacher Einkaufszentrum wird es nach jetzigem Stand aber nicht umgesetzt. Vermieter Christoph Geiger hatte dem Discounter angeboten, auch nach dem Umbau des Komplexes Mieter zu sein, teilte er der SZ im April mit. Nach langem Warten auf eine Antwort habe er Aldi schließlich gekündigt. Stattdessen soll künftig Rewe in Ebersbach präsent sein, kündigte der Investor an. Gerüchte gibt es auch über eine neue Drogerie. Bekannt ist außerdem: Sowohl Physiotherapie als auch Zahnarzt werden am Unteren Kirchweg bleiben, also Räume in dem neuen Komplex bekommen. „Wir lassen uns überraschen“, sagt Heidrun Hensel.