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„Zum Mietvertrag ein Kleingarten obendrauf“

Immer mehr Parzellen stehen leer. Der Verband der Gartenfreunde will gegensteuern – und hat dafür einige Ideen.

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© Lutz Weidler

Riesa. Der Verband der Gartenfreunde Riesa vertritt die Interessen von mehr als 70 Kleingartenvereinen in der Region. Im SZ-Interview erklären die Vorsitzenden Torsten Sittmann und Dietmar Günter Friesecke, welche Herausforderungen sich den Kleingärtnern im kommenden Jahr stellen.

Herr Sittmann, Herr Friesecke, sehnen Sie sich schon nach dem Frühling? Immerhin dürfte es in den Gartenanlagen ja kaum etwas zu tun geben ...

Sittmann: Nein, denn auch im Winter kann man einiges machen, von kleineren Reparaturen bis hin zu Pflanzplänen fürs kommende Jahr. Wir sind also beide regelmäßig in unseren Gärten.

Wahrscheinlich auch, um dort nach dem Rechten zu sehen. Winterzeit ist in den Kleingärten schließlich auch Einbruchszeit.

Friesecke: Bis jetzt ist es allerdings noch nicht so schlimm wie im letzten Winter. Damals war ich auch betroffen: Die Laube wurde aufgebrochen und teures Werkzeug gestohlen. Zuletzt sind es aber vor allem Wasserhähne und Wasseruhren gewesen, die gestohlen wurden. Da waren vermutlich Profis am Werk, die haben sogar das Wasser abgestellt, ehe sie das Metall geklaut haben.

Was kann denn der Verband tun, um solche Einbrüche zu verhindern?

Sittmann: Wir können in dieser Hinsicht nur beraten. Der wichtigste Hinweis an die Kleingärtner: Keine Wertsachen in der Laube lassen. Außerdem sollte man auch im Winter durch die Anlage gehen und nach dem Rechten sehen. Und unbekannte Leute ruhig auch einmal ansprechen.

Einbrüche sind nicht das einzige Problem, mit dem die Kleingärten zu kämpfen haben. Fast alle Vereine klagen über schwindende Mitgliederzahlen. Wie sieht’s bei Ihnen aus?

Sittmann: Auch wir kennen diese Situation. Es gibt zu viele Kleingärten und zu wenig Kleingärtnernachwuchs. Im gesamten Verbandsgebiet stehen deshalb rund 170 Gärten leer, das sind etwa fünf Prozent. Kurioserweise sind ausgerechnet die Anlagen im Hochwassergebiet fast voll belegt. Um Kosten zu sparen, werden in weniger stark nachgefragten Anlagen Gärten zurückgebaut, zuletzt etwa in der Anlage Am Heger. Zum Teil geht das freiwerdende Land dann zurück an die Stadt.

Friesecke: Am Burgsberg entsteht gerade aus einer leerstehenden Parzelle ein kleiner Park, den auch Besucher nutzen können. Das ist eines der Projekte, die die Bevölkerung auch in die Kleingärten hineinziehen sollen.

Sittmann: Das macht auch Sinn, denn es handelt sich bei Kleingärten um öffentliches Grün der Gemeinden und Städte.

Wie lassen sich denn neue Mitglieder gewinnen?

Friesecke: Das ist nicht so einfach, denn der Hauptgrund für den Leerstand ist, dass viele junge Leute aus der Region weggehen. In Großstädten wie Dresden und Leipzig gibt es Wartelisten für Gärten, hier stehen sie leer. Hinzu kommt noch, dass ein Kleingarten auch finanzielle Verpflichtungen bedeutet. Der Pachtzins für einen 500-Quadratmeter-Garten liegt zwar bei 40 bis 44 Euro im Jahr. Aber es kommen noch eine ganze Reihe weiterer Kosten und Verpflichtungen dazu, etwa für Strom, Wasser und Vereinsbeiträge. Wir versuchen aber, so gut wie möglich die Trommel zu rühren.

Sittmann: Die Vereine verstehen es aber auch immer besser, sich öffentlich zu präsentieren. Außerdem suchen wir den Kontakt zu den Wohnungsvermietern. Bei der RD-Vermögensverwaltung Vermögensverwaltung wird beispielsweise zum Mietvertrag auch gleich ein Garten angeboten.

Herr Sittmann, 2015 gab es in Pulsen heftigen Streit um ein Koniferen-Verbot. Schrecken die strengen Regeln in den Gärten nicht den Nachwuchs ab?

Sittmann: Diese Regeln müssen aber eingehalten werden, um die Kleingärten zu schützen. Derzeit ist Bauland stark gefragt. Deshalb ist verstärkt damit zu rechnen, dass auch in den Kleingärten nach Gründen gesucht wird, die Pachtverträge zu kündigen. Wir wissen, dass derzeit Gutachter in Anlagen unterwegs sind und genau schauen: Handelt es sich überhaupt noch um einen Kleingarten? Darauf wurde in den vergangenen 20 Jahren nicht so geachtet. Alle Vereine haben aber schon viel gemacht, um die vertragliche Situation wiederherzustellen.

Wie sich leerstehende Gärten auch nutzen lassen, zeigt auch ein Projekt des Vereins Am Heideberg. Dort bewirtschaften seit Anfang des Jahres Asylbewerber eine Parzelle. Wie verlief das erste Jahr?

Sittmann: In der ersten Zeit war es sehr anstrengend für den Vereinsvorstand, dort Aufklärungsarbeit zu leisten. Derzeit besteht der harte Kern aus sechs, sieben Asylbewerbern. Natürlich gärtnern die anders, bauen anderes an. Und sicher gefällt es auch nicht jedem Kleingärtner, was dort alles steht und wächst. Aber die Befürchtungen einiger Kleingärtner sind nicht eingetreten. Man muss auch sagen: Die Mitglieder des Vereins „Neue Chance“ geben sich sehr viel Mühe, obwohl die Hürden für Fördermittel ziemlich hoch sind.

Apropos Fördermittel: Wie steht der Verband denn finanziell da?

Friesecke: Wir würden wir uns mehr Unterstützung von der Stadt wünschen. Für die Sportvereine ist das Geld da, aber wir gehen nahezu leer aus. Dabei bewirtschaften wir Kleingärtner Land, das den Städten und Gemeinden gehört. Wenn sie diese Flächen selbst pflegen müssten, wäre das ein riesiger finanzieller Aufwand.

Sittmann: Für die Umlandpflege bekommen wir von der Stadt Riesa jedes Jahr eine finanzielle Unterstützung. Dafür danken wir, diese fällt jedoch sehr gering aus. Unser Jahresbudget liegt bei etwa dem Zehnfachen. Unsere Arbeit wird immer kostspieliger, und die Bürokratie nimmt zu. Eigentlich müssten die Verträge neu ausgehandelt werden.

Das Gespräch führte Stefan Lehmann.