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Zum Affen gemacht

Zwei Riesaer hatten zum Tag der Sachsen 1999 den wohl heißesten Job. Die SZ hat sie getroffen.

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Von Stefan Lehmann

Riesa. Der Tag der Sachsen 1999 war eine Veranstaltung der Rekorde. Nicht nur, weil der Umzug länger war als alle anderen bis dahin. Fast 500 000 Zuschauer strömten nach Riesa. Ein Besucherrekord, der danach nur ein einziges Mal getoppt wurde.

Gleich sechs Laiendarsteller waren zum Tag der Sachsen in den Fellkostümen unterwegs – bei deutlich mehr als 30Grad, unter ihnen Thomas Nowotny (37, l.) und Roberto Fichtner (38, re.).
Gleich sechs Laiendarsteller waren zum Tag der Sachsen in den Fellkostümen unterwegs – bei deutlich mehr als 30Grad, unter ihnen Thomas Nowotny (37, l.) und Roberto Fichtner (38, re.).

Fragt man Thomas Nowotny und Roberto Fichtner nach ihren Erinnerungen an dieses Wochenende, dann fällt ihnen vor allem eines ein: „Verdammt heiß war es.“ Das lag nicht allein am Hitzerekord, den Riesa nebenbei auch noch aufstellte, sondern auch an der ungewöhnlichen Arbeitskleidung, in der die beiden damals durch die Stadt liefen. Nowotny und Fichtner gehörten an den drei Festtagen zu den Maskottchen der Veranstaltung – und machten sich dafür im wahrsten Sinne des Wortes zum Affen. „Das Motto der Veranstaltung lautete ja: Hören, sehen, weitersagen“, erklärt Fichtner. Daran angelehnt war die Idee entstanden, die drei Affen aus den Werbeplakaten für die Veranstaltung auch während des Tags der Sachsen auftreten zu lassen. Eine schweißtreibende Aufgabe angesichts der Hitze. „Zum Glück hatten die Kostüme vorn einen Reißverschluss“, erzählt Nowotny. „Alle 30 Minuten musste man kurz lüften, so heiß war es.“

Zu ihrer tierischen Nebenrolle kamen die beiden jungen Riesaer eher zufällig. „Der Opa meiner damaligen Freundin hat früher den Riesaer Riesen gespielt“, erzählt Fichtner. Eines Tages habe er seiner Enkelin gesagt, dass noch einige Freiwillige fehlen. „Wir haben uns dann überzeugen lassen“, sagt Fichtner und lacht. Dabei waren Nowotny und Fichtner 1999 überhaupt nicht in Sachsen. „Ich habe bei Oldenburg eine Ausbildung zum Koch gemacht, Roberto war zur Lehre in Stuttgart“, sagt Nowotny. Für den Tag der Sachsen nahmen die beiden Urlaub – und fuhren Hunderte Kilometer zurück in die Heimat. Und das, obwohl für den Auftritt im Affenkostüm nur eine Aufwandsentschädigung winkte, die nicht einmal die Fahrtkosten deckte.

In Riesa ging es dann ohne große Proben los. Insgesamt zwei Gruppen zu je drei Affen waren für die Veranstaltung eingeteilt. „Die eine Gruppe stand vor der Arena, die andere war in der Stadt unterwegs.“ Die Aufgabe der sechs Laiendarsteller war klar: Die Besucher sollten bespaßt werden. Im Grunde ein Selbstläufer. Vor allem bei den Kindern waren die Maskottchen extrem beliebt. „Die kamen schon mal an, haben am Fell gezogen und gefragt: Bist du echt?“, erzählt Fichtner und schmunzelt. Auf Hunderten Fotos und Videos dürften Thomas Nowotny und Roberto Fichtner außerdem zu sehen sein. Ein Video des MDR haben die beiden noch daheim. Da war es wohl zu verschmerzen, dass sich die Kostümierten auch manchmal dumme Sprüche von Besuchern anhören mussten, die schon etwas zu tief ins Glas geschaut hatten.

Vom Rummel beim Tag der Sachsen bekamen die beiden Affen dagegen nicht so viel mit. „Wir waren von früh bis spät im Kostüm, da blieb wenig Zeit.“ Erst wenn es in den Abendstunden ruhiger wurde, konnten die beiden Freunde auch gemeinsam ein Feierabendbier trinken. „Aber da war die Hälfte der Buden sowieso schon zu.“ Missen möchten sie die Zeit aber nicht. „Es war ein Erlebnis“, resümiert Roberto Fichtner. Noch heute können die beiden aus den drei Tagen eine Anekdote nach der anderen erzählen. Es sind eben nur andere, als sie die Besucher erlebt haben.

Kein Wunder also, dass sie eindeutig für eine erneute Bewerbung der Stadt zum Tag der Sachsen sind. „Wir sind voller Euphorie, dass es wieder passiert.“ Damals habe alles gepasst, und Riesa sei wochenlang in der Presse gewesen. Die Sorge mancher Riesaer, die leeren Geschäfte im Zentrum würden ein schlechtes Bild auf die Stadt werfen, wischen sie weg: „Die leeren Geschäfte sieht man doch gar nicht, weil dann alles voll ist.“ Roberto Fichtner und Thomas Nowotny wären in jedem Fall auch 20 Jahre später wieder dabei. Auch als Helfer? „Gerne wieder“, sagen beide und feixen. „Aber nicht wieder im Affenkostüm.“