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Zukunft für ein süßes Haus

Die Alte Pfefferküchlerei in Weißenberg kooperiert jetzt mit Pulsnitz. Es gibt schöne Ideen und einige Probleme.

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© Wolfgang Wittchen

Von Irmela Hennig

Weißenberg. Das Löschwasser stand vorsichtshalber immer bereit neben dem Backofen. Denn in der Pfefferküchlerei von Weißenberg war der Schornstein aus einem Lehm-Stroh-Gemisch gebaut worden. Feuergefahr inklusive. „Der Schornsteinfeger musste deswegen auch nicht nur den Kamin kehren, sondern darin nach oben klettern und die Wände auf Risse untersuchen“, so erzählt Andreas Eßlinger. Risse brachten nämlich Strohhalme zutage. Und die hätten sich ganz schnell entzünden können, sagt das Vorstandsmitglied vom Förderverein für das heutige Museum „Alte Pfefferküchlerei“. Die Gruppe betreibt das Haus seit 2004, weil damals in der Stadt selbst das Geld dafür fehlte.

Ihnen, aber vor allem der Weißenbergerin Irmgard Wenzel und schließlich ihrer Tochter Gundula ist es zu verdanken, dass Geschichten wie die vom Schornsteinfeger bis heute erzählt werden. Irmgard Wenzel setzte sich ein für die Wiedereröffnung des Hauses am Markt als Museum Ende der 1950er-Jahre und hielt den Betrieb am Laufen; nach ihrem Ruhestand übernahm Tochter Gundula. Bis 2017, dann gab sie den Staffelstab weiter. Seitdem kümmert sich ein dreiköpfiger Vorstand. Sortiert sich. Und muss nun ganz neue Wege gehen, um weiter Geld vom Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien zu bekommen.

Dieses Gremium, das Mittel des Freistaats, der Landkreise und Kommunen an Kultureinrichtungen verteilt, hat für die Förderung von Museen neue Kriterien festgelegt. Danach muss es unter anderem Fachpersonal in den unterstützten Häusern geben. Daran fehlt es in Weißenberg – noch. Doch in zwei bis drei Monaten will der Verein eine Kooperationsvereinbarung mit der Kultur und Tourismus Pulsnitz gemeinnützige GmbH unterschreiben. Die betreibt unter anderem die dortige Pfefferkuchenschauwerkstatt.

Zusammen werden die Häuser künftig 1,5 feste Mitarbeiterstellen haben. Eine knappe ist in Pulsnitz angesiedelt, eine reichliche halbe Stelle in Weißenberg. Die Kollegen sollen zusammenarbeiten, für die Häuser Ideen entwickeln im Bereich Pädagogik und Wissensvermittlung, für Ausstellungen, Veranstaltungen und die Vermarktung. Andreas Eßlinger erhofft sich viel. Und er ist selbstkritisch. Die Internetseite des Museums müsse zum Beispiel dringend überarbeitet werden. Der Besuch von Schul- und Kitagruppen sei zurückgegangen. Im Haus müssten Ausstellungsstücke verstärkt erklärt und beschriftet werden. Die Dauerausstellung mit historischen Modeln und Ausstechformen sowie anderen Backutensilien müsse durchsortiert, vielleicht übersichtlicher gestaltet werden. Insgesamt soll das Zweierteam ein Konzept für die beiden Einrichtungen erstellen. Die Museen bleiben jeweils vor Ort erhalten.

Obdach für Flüchtlinge nach 1945

Aufgaben für die neuen Kollegen gibt es genug. In Pulsnitz ist die Stelle durch Andreas Jürgel, den Geschäftsführer von Kultur und Tourismus, schon besetzt. In Weißenberg brachte eine Ausschreibung 33 Bewerbungen, mit vier Kandidaten gebe es Vorstellungsgespräche. Idealerweise fängt der oder die Neue am 1. April oder 1. Mai an.

Auf sie oder ihn wartet eine süße und europaweit wohl einmalige Welt. So zumindest haben es die Weißenberger recherchiert. Denn hier gibt es die älteste und einzige in ursprünglicher Form erhaltene Pfefferküchlerei auf dem Kontinent. Anderswo hatte einst der Fortschritt Einzug gehalten. Da wurde altes Handwerkszeug gegen moderne Maschinen ausgetauscht, alte Öfen durch neue ersetzt. In Pulsnitz lief es so. Dort produzieren ja bis heute acht Handwerksbetriebe und ein kleines Unternehmen das süße Gebäck. In Weißenberg aber schloss der ortsansässige Pfefferküchler 1936 seine Bäckerei, weil er keine Nachkommen hatte. Ein Jahr später vermachte er Haus und Inventar der Stadt.

Dort setzte Bürgermeister Arno Künzel ohnehin auf Tourismus in einem darniederliegenden Ort, so erzählt Andreas Eßlinger. Zusammen mit seiner Frau brachte er das Museum voran. Das wurde tatsächlich 1941, also mitten im Zweiten Weltkrieg, eröffnet. Im April 1945 tobten dann auch in Weißenberg Kämpfe. Viele Gebäude wurden schwer beschädigt. Die Pfefferküchlerei nicht. Doch sie diente obdachlosen Einheimischen und Flüchtlingen dann jahrelang als Quartier. Erst in den 50er-Jahren lebte der Museumsgedanke wieder auf, wurde umgesetzt. Erst als Heimatmuseum, denn das ursprüngliche Inventar war – abgesehen vom Ofen und dem Schornstein – weitgehend verschwunden. Nachdem Model, Ausstechformen, Teighölzer und Brotschieber neu zusammengetragen werden konnten, „gab es wieder ein Fachmuseum für Pfefferkuchen“, erzählt Eßlinger.

Das zeigt heute, wie Wohnen und Arbeiten in traditionellen Handwerkerhäusern einst zusammengingen. In der Ladenstube neben dem Geschäft wurde gegessen, die Schulaufgaben gemacht, aber auch Pfefferkuchen verziert und verpackt. Im ersten Stock schlief die Familie. Dort mischte der Meister aber auch Gewürze nach geheimen Rezepturen.

Derzeit kümmern sich die 19 Fördervereinsmitglieder und drei Ruheständlerinnen mit geringfügigem Beschäftigungsverhältnis um die täglichen Geschicke des Hauses. Ihre Stellen bleiben übrigens erhalten. 5 000 bis 8 000 Euro an Spenden sammelt der Verein jedes Jahr bei Bürgern und anderen Unterstützern dafür ein. Weißenberg steuert bislang über den Kulturraum der Region und direkt insgesamt 24 000 Euro im Jahr bei. 11 000 Euro kommen zusätzlich über den Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien. Andreas Eßlinger ist zuversichtlich, dass die finanzielle Unterstützung auch künftig fließt.

Blechdosensammlung angeboten

Ideen für die Zukunft gibt es viele. Derzeit läuft schon eine Art „Pilgercafé“ mit Kaffee für Wanderer. Das lasse sich ausbauen. Doch dafür müsste die WC-Situation verbessert werden. Backen mit Besuchern würde das Haus gern wieder anbieten. Dafür sei eine Küchenzeile nötig, ein neuer Ofen soll kommen. Ein Sammler aus Franken hat dem Haus eine Blechdosensammlung angeboten. Die könne man übernehmen, wenn es dafür Platz und eine Nutzungsidee gibt. Neue Flyer fürs Museum sind geplant, die Pressearbeit soll intensiviert werden. Mit Pulsnitz könnte ein gemeinsames Ticket aufgelegt werden. Das sind Aufgaben für die festen Mitarbeiter. Aber auch der Verein mit 19 Mitgliedern will sich weiter engagieren, sucht neue Mitstreiter. Das sei recht schwierig. Andreas Eßlinger hat erlebt, viele Menschen schauen aus der Ferne zu, wollen aber nicht so richtig anpacken.

Nun kommt erst mal Ostern. Die verzierten Ostereier haben sie dafür schon vom Boden geholt. Vielleicht wird auch eine Ausstellung über Osterbräuche aufgestellt.

www.stadt-weissenberg.de