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Zuflucht Zittau

Familie Sulaiman ließ ihr Leben im Bürgerkriegsland Syrien hinter sich. Zurück möchte sie nicht mehr.

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Von Matthias Klaus

Giwara macht, was viele jungen Menschen heutzutage in der Freizeit auf dem Sofa machen und bringt damit seine Eltern ein bisschen auf die Palme: Er beschäftigt sich hingebungsvoll mit seinem Smartphone. So wie die Töne klingen, die das Gerät von sich gibt, läuft da wohl gerade ein Spiel. Vater Jwan Sulaiman schaut tadelnd auf seinen Nachwuchs, lächelt und zuckt mit den Schultern. Kinder eben.

Giwara lebt mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder, der demnächst auf die Realschule geht, in Zittau. Die Familie kommt aus Syrien. Sie sind in Deutschland als Kriegsflüchtlinge anerkannt. Reem Kalou, die Mutter, kam vor zwei Jahren zunächst allein mit den beiden Kindern nach Europa. Erst drei Monate später folgte Vater Jwan. Beide haben Verwandtschaft in Deutschland, im Westen der Republik. Dass die Familie in Zittau landete – ein Zufall. „Wir wollten nicht nach Zittau“, sagt Jwan Sulaiman und schmunzelt. Inzwischen hat er sich mit der Situation arrangiert – und möchte nicht mehr weg. „Zittau ist eine kleine Stadt, perfekt für unsere Kinder. Sie wachsen hier viel besser, sicherer auf, als in einer Großstadt“, sagt er.

Der Weg aus dem vom Bürgerkrieg geplagten Land war für die Familie nicht billig. 10 000 Euro pro Person zahlte sie. Die Route aus der Gefahrenzone führte über die Türkei, Griechenland nach Deutschland. Probleme, als Kriegsflüchtlinge anerkannt zu werden, hatten sie nicht. 23 Bürgerkriegsflüchtlinge leben inzwischen zwischen Weißwasser und Zittau. Sie werden in Deutschland anders behandelt als Asylbewerber. Langwierige Verfahren, ob sie in hierzulande bleiben dürfen, gibt es nicht. Bundesinnenminister Thomas de Maizere (CDU) hatte veranlasst, dass Flüchtlinge aus Syrien unkompliziert eine Aufenthaltserlaubnis bekommen – in Absprache mit den Bundesländern. Sachsen soll demnach bis zu über 1 020 Flüchtlinge aufnehmen.

Reem Kalou erinnert sich noch gut an ihre Ankunft in Deutschland. „Wir haben gesagt, wir kommen aus Syrien, dann ging alles ganz schnell“, erzählt sie. Einen Monat verbrachten sie in Chemnitz, dann ging es zunächst ins Asylbewerberheim an die Sachsenstraße nach Zittau. „Keine schöne Zeit“, räumt Frau Kalou ein. In Syrien war sie Hausfrau. Ihr Mann Jwan Sulaiman besaß ein Geschäft für arabische Süßigkeiten. „Was daraus geworden ist? Ich weiß es nicht. Ich habe die Tür abgeschlossen, dann waren schon wir auf dem Weg in Richtung Deutschland“, sagt Jwan Sulaiman. Seinen großen Garten, den vermisst er allerdings ein bisschen. Die Familie kommt aus Al-Hasaka, Hauptstadt des Gouvernements al-Hasaka im Nordosten Syriens. Viele Kurden wohnen in diesem Gebiet – so wie die Sulaimans. „Es war eine schwere Zeit, bevor wir weggingen“, sagt Frau Kalou. Dabei war es in der Region lange Zeit noch vergleichsweise ruhig.

Aber dann konnten Kinder plötzlich nicht mehr auf den Straßen spielen, wie früher, Reem Kalou habe sich kaum noch aus dem Haus getraut. „Es kamen Kämpfer aus unterschiedlichen Ländern“, schildert sie. War es denn vor dem Krieg unter Assad besser in Syrien? Reem Kalou und Jwan Sulaiman lächeln. „Auf jeden Fall war es für uns sicherer“, ist sich die muslimische Familie einig. Heute lernen Mutter Reem und Vater Jwan pro Tag fünf Stunden Deutsch in der Euroschule in Zittau. Beide können sich relativ problemlos in der für sie bisher ungewohnten Sprache verständigen. „Wir wollen beide später in Deutschland arbeiten, nicht mehr nach Syrien zurückkehren“, sagt Reem Kalou. Deutsch sprechen – das bedeute für sie auch Kontakt zu den Einheimischen. Darauf legt sie Wert.

Ob die Familie später in Zittau bleiben wird, steht noch nicht fest. Bis jetzt ist die Aufenthaltsgenehmigung auf drei Jahre befristet. „Wir werden auf jeden Fall eine Verlängerung beantragen“, sagt Reem Kalou. Sie ist des Lobes voll über die deutschen Behörden, von der Ausländerbehörde bis hin zum Jobcenter. „Wir wurden sehr gut unterstützt und beraten“, so Frau Kalou. Selbst mit dem deutschen Wetter haben sich die Syrer angefreundet. „In Syrien ist es im Sommer sehr heiß, um die 40 Grad und im Winter sehr kalt“, sagt Jwan Sulaiman. Und wegen des Krieges sei die Gasversorgung ausgefallen. „Bäume wurden abgeholzt, damit die Stuben geheizt“, sagt er.

Sohn Giwara hat erst Recht keine Probleme damit, künftig in Zittau zu wohnen. Der Siebenjährige kommt in die zweite Klasse, ist begeisterter Fußballer. Er zeigt stolz Fotos, Auszeichnungen, die er schon für seine sportlichen Aktivitäten in Zittau erhalten hat. Dann zieht es ihn wieder aufs Sofa, zu seinem Handy. Vater Jwan seufzt vernehmlich: „Kinder!“

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