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Züchten gegen den Zeitgeist

Die Zahl der Kaninchenzüchter nimmt ab. In Zeithain trotzt ein Verein dem Trend – und feiert.

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© Sebastian Schultz

Von Dörthe Gromes

Zeithain. Man nennt die niedlichen Nagetiere auch die „Schweine des kleinen Mannes“, sagt Horst Förster. Nicht unbedingt eine charmante Bezeichnung, aber anscheinend eine treffende: „Die Tiere sind relativ einfach zu halten und waren deshalb als Fleischlieferanten in Notzeiten begehrt. Deshalb blühte jeweils nach den Weltkriegen die Kaninchenzucht auf“. Auch in Zeithain. Vor 95 Jahren wurde dort der „Rassekaninchenzüchterverein 1920 Zeithain und Umgebung“ gegründet.

Horst Förster ist heute dessen Vorsitzender. Mit seinen Vereinsleuten trifft er sich einmal im Monat zum Austausch. Die Kaninchen stehen dann nicht nur im übertragenen Sinn im Mittelpunkt: „In der Regel sitzt eins auf dem Tisch und wird angeschaut.“ Bei dieser „Tierbesprechung“ wird genau geprüft, inwieweit das jeweilige Kaninchen dem im Zuchtkatalog definierten Ideal seiner Rasse entspricht. Je mehr, desto mehr Punkte gibt es. „Die höchste Punktzahl ist 100“, sagt der Vereinschef, „aber ein solches Tier habe ich noch nie gesehen. Die höchste Wertung waren 98.“

Kein lukratives Geschäft mehr

Wofür es Punkte gibt, das hat sich im Lauf der Zeit verändert: „Zu DDR-Zeiten wurde vor allem Wert auf leistungsstarke Tiere gelegt, die zum Beispiel viele und gesunde Nachkommen zeugen konnten“, so Horst Förster, der seit 1977 züchtet. „Mittlerweile geht es hauptsächlich um die Schönheit der Tiere.“ Vor der Wende habe sich die Kaninchenzucht auch finanziell gelohnt, entsprechend viele Züchter habe es gegeben. „Heute ist die Arbeit mit den Tieren kein lukratives Geschäft mehr“, so der 74-Jährige. „Das muss man schon um der Sache willen machen.“ Für ihn selbst scheint ein Leben ohne Kaninchen möglich – aber sinnlos. Zusammen mit seiner Ehefrau Sieglinde hält er rund 40 Tiere der Rassen Havanna und Zwergwidder. Einen Teil der Tiere verkauft das Ehepaar – vor allem zu Weihnachten. Der andere Teil wird zur Zucht verwendet – oder landet im eigenen Kochtopf. „Wir essen die Tiere meiner Frau“, meint Horst Förster schmunzelnd.

Bevor jedoch die meisten Tiere des aktuellen Zuchtjahres in die Pfanne kommen, bereiten die insgesamt 23 Zeithainer Züchter die große Schau zum 95. Vereinsgeburtstag vor. „Das ist der Lohn für ein ganzes Jahr Arbeit“, so der agile Rentner.

Viel Mühe und Zeit

Ob es in fünf Jahren einen 100. Geburtstag und danach weitere Jubiläen geben wird? Schwer zu sagen. Weil das Hobby viel Mühe und Zeit erfordert, gleichzeitig aber wenig abwirft, gibt es auch in Zeithain kaum Nachwuchszüchter. Der Altersdurchschnitt im Verein liegt bei 60 Jahren. „Die jungen Leute haben heute lange Arbeitstage und -wege, da bleibt kaum Zeit und andere Angebote gibt es viele“, meint Horst Förster, dessen eigene Kinder keine Kaninchen züchten. Mag sein, dass diese intensive Beschäftigung mit den Tieren etwas dem Zeitgeist zu wider läuft, der ständige Flexibilität und Mobilität predigt. Trotzdem ist sich der langjährige Züchter sicher: „Ganz aussterben wird auch die Rassekaninchenzucht nicht, denn wer einmal dran hängt, lässt so schnell nicht wieder los.“

Die Kreisschau des Verbandes Riesa-Großenhain findet am nächsten Wochenende, 24. und 25. Oktober, in der Mehrzweckhalle Röderau statt. Gezeigt werden etwa 264 Tiere aus 30 verschiedenen Rassen. Der Eintritt ist frei.