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Zu warm für die Haselmaus

Kein Schnee, keine Kälte – der Dezember ist auf dem Weg, Rekorde zu brechen. Die Natur reagiert unterschiedlich.

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© Sven Büchner

Von Matthias Klaus

Es sieht schlecht aus für Neptun auf dem Görlitzer Untermarkt. Ein schützendes Schneekleid wird die Brunnenfigur zu Weihnachten und Silvester nicht zieren. Damals, vor fünf Jahren sah es noch ganz anders aus: weiße Pracht statt halbnackter Tatsachen.

Zwischen diesen beiden Fotos liegen fast exakt fünf Jahre: Links der Neptunbrunnen am 28. Dezember 2010, rechts am Dienstag.
Zwischen diesen beiden Fotos liegen fast exakt fünf Jahre: Links der Neptunbrunnen am 28. Dezember 2010, rechts am Dienstag. © Pawel Sosnowski
© Pawel Sosnowski

Deutschland erlebt den wärmsten Dezember seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1761, Kälte und Schnee sind nicht in Sicht. Die Wetterstation am Flugplatz Görlitz sagt für Heiligabend Temperaturen von etwa fünf bis acht Grad voraus. Dazu gibt es noch eine Sturmwarnung. Laut Deutschem Wetterdienst soll der Heiligabend sogar der wärmste Weihnachtstag werden. Danach gehen die Temperaturen zwar etwas in den Keller, bleiben aber wohl noch im Plus, beschreibt es Meteorologe Andreas Würtz.

Schlechte Aussichten für Schneefreunde, gute für Autofahrer – wie geht die Natur mit dem bisher warmen Winter um? Mäuse vermehren sich wie wild, warnt das Forstamt des Kreises Görlitz. Vor allem im Norden des Landkreises sorgten die relativ geringen Niederschläge im November dafür, dass der Mäuse-Bestand deutlich zugenommen hat. Die Tierchen machen sich nun über Baumrinde und Wurzeln kleiner Laubbäume her. Klingt zwar nicht so gut für die Bäume, sollte doch aber eine gute Nachricht für die Haselmäuse am Rotstein, sein. Die sind vom Aussterben bedroht, werden in einem speziellen Projekt betreut und beobachtet. „Leider ist das Gegenteil der Fall von dem, was die anderen Mäuse betrifft“, bedauert Sven Büchner. Dieses Jahr sei ein schlechtes Jahr für die niedlichen Nager gewesen, 2014 ein besseres. „Im Juni hatten wir relativ kalte und trockene Nächte“, schildert der Biologe aus Friedersdorf. Die sind den Haselmäusen, die eigentlich keine echten Mäuse sind, sondern zur Familie der Bilche gehören, nicht gut bekommen. „Im Juni gibt es die ersten Würfe, die Tiere reagieren sehr sensibel auf Umwelteinflüsse“, sagt Sven Büchner. Etliche gefundene tote Jungtiere zeugten davon, dass die Haselmäuse nicht so recht mit denen klar kamen.

Haselmäuse, erläutert Sven Büchner, setzen beim Nachwuchs nicht wie „echte“ Mäuse auf die schiere Masse. Es gibt nur zwei Würfe pro Jahr, der Nachwuchs wird dann auch noch 40 Tage lang liebevoll umsorgt. Der derzeitige Nicht-Winter hingegen sei nicht das große Problem für Haselmäuse, sagt der Biologe. „Sie fahren ihre Körpertemperatur herunter, schlafen. Natürlich wäre eine Schneedecke ideal – schon allein, weil sie gegen natürliche Feinde schützt“, sagt Sven Büchner.

Was Haselmäuse lieben, die Hasel, treibt manchen zweibeinigen Zeitgenossen derzeit schon die Tränen ins Gesicht. Allergikern macht der Pollenflug zu schaffen. Allerdings: In Görlitz ist davon bisher noch nichts zu spüren. In Nordsachsen bis nach Döbeln hingegen fliegen die Pollen bereits – wegen des milden Dezembers. „Die Saison beginnt bei uns eher im Januar“, sagt Rita Rönsch, Mitarbeiterin in der Pluspunkt Apotheke an der Berliner Straße in Görlitz. Deshalb habe die Apotheke bisher auch noch nicht mehr Anti-Allergiemittel als in anderen Jahren um diese Jahreszeit verkauft – warmer Winter hin oder her.

Während es sich die kleinen Haselmäuse im Winterschlaf bequem machen, sind größere Tiere noch ziemlich mobil. Ob Wildschwein oder Reh – wegen des milden Wetters überleben jetzt auch kranke und ältere Tiere. Ein Problem für Autofahrer, steigt die Zahl an Wildunfällen? „Nein“, sagt Thomas Knaup, Sprecher der Polizeidirektion Görlitz. Ein Anstieg werde in der Region derzeit nicht registriert. „Die Wege zur Futtersuche werden länger, die Brunft setzt ein – deshalb kommt es eher zu Wildunfällen“, schildert Thomas Knaup. Er appelliert an Autofahrer, gerade jetzt besonders aufmerksam zu sein.

Einen warmen November wie den vergangen gab es in Görlitz zuletzt 1963. Damals war von Klimawandel noch keine Rede. Der Dezember tut nun alles, um einen neuen Rekord aufzustellen.