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Zu viel Bio hilft auch nicht

Landwirt Dirk Rudert hat auf Öko umgestellt. Für ihn ein Ausweg aus der Milchkrise – aber nicht für die gesamte Branche.

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© Sebastian Willnow

Von Sven Heitkamp

Als er nicht mehr so recht weiß, wie es mit seinem Hof weitergehen soll, kommt Dirk Rudert auf Öko. Mehr als 15 Jahre ist das jetzt her. Der junge Landwirt war damals Pflanzenbauleiter der Agrargenossenschaft Großzöbern im Vogtland – ein Großbetrieb mit 1 200 Hektar Land, fast 700 Kühen und Rindern und mit 26 Mitarbeitern. „Es herrschte Perspektivlosigkeit“, erzählt Rudert. „Wir hingen mit Investitionen und Innovationen der Konkurrenz hinterher, die Erlöse hätten besser sein müssen“, erzählt er. Doch viele Molkereien suchen damals händeringend Bio-Milch, auch Agrarberater des Freistaates erzählen von den Chancen einer Umstellung auf ökologische Landwirtschaft. Rudert, Anfang 30 und ehrgeizig, wird neugierig.

Heute ist der studierte Diplom-Agraringenieur 47 und Chef seiner Genossenschaft. Der Betrieb wirtschaftet seit 2001 nach den Richtlinien des ökologischen Anbaus, und es geht ihm richtig gut – er ist ein Vorreiter in der Region. Alle Mitarbeiter konnten gehalten werden, sie erwirtschaften seit der Umstellung jedes Jahr Überschüsse. Sogar die Milchleistung der Kühe ist dank besserer Haltungsbedingungen von 6 500 auf mehr als 8 000 Liter im Jahr gestiegen. Für die Milch zahlt ihnen ihre Bayreuther Molkerei 50 Cent je Liter – statt gut 30 Cent für konventionelle Milch. „Wir haben den Schritt nie bereut“, sagt Rudert. „Viele Ängste haben sich in Luft aufgelöst. Die Arbeit mit Bio macht Spaß.“ Die Genossenschaft hat sogar einen Hofladen eröffnet und sich neben der Milchproduktion auf Saatgutnachzucht und Dinkel-Anbau spezialisiert. Und Rudert vertritt heute den Öko-Verband „Naturland“ in Sachsen.

Keine Angst vor dem Ökolandbau

Gestern hält der Landwirt über seine Erfahrungen einen kleinen Vortrag auf der Agra, der größten Landwirtschaftsausstellung im Osten. Die Leistungsschau findet noch bis Sonntag auf der Leipziger Messe statt. „Jeder Milchbetrieb muss schauen“, sagt Rudert, „welche Lösung zu seinen Rahmenbedingungen passt. Aber man muss keine Angst davor haben, auf Ökolandbau umzusteigen.“ Hinter einem solchen Satz stehen zwei Trends, die in den vergangenen Jahren im Freistaat an Fahrt gewonnen haben: Weil der Marktpreis in den Keller fiel, auf teils nur noch 20 Cent je Liter, geben mittlerweile viele Milchbetriebe auf. Ihre Zahl ist inzwischen von über 900 auf 650 gefallen. Der Freistaat unterstützt jetzt sogar die Stilllegung von Milchbetrieben, die wegen der extrem niedrigen Verkaufspreise unter Druck geraten sind, mit 500 Euro pro Kuh. Doch immer mehr Bauern steigen nicht etwa aus, sondern auf Bio um: Ende vorigen Jahres zählte das Landwirtschaftsministerium bereits mehr als 600 Öko-Höfe, neun Prozent mehr als 2015. Sie bewirtschaften heute 48 000 Hektar. Damit wird Bio-Anbau inzwischen auf gut fünf Prozent der Felder in Sachsen betrieben. Bundesweit sind es allerdings schon sieben Prozent.

Für Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) ist der Zuwachs beim Öko-Landbau eine erfreuliche Entwicklung – und zugleich Ansporn. „Die Nachfrage nach Öko-Produkten wächst und zwar bisher schneller als das Angebot. Ich möchte, dass vom Trend zu Ökoprodukten auch Betriebe in Sachsen profitieren.“ Daher habe der Freistaat dieses Jahr die Prämien für die ersten beiden Umstellungsjahre erhöht. Allein beim Acker- und Grünland sind es nun 330 Euro statt zuvor 230 Euro. Bezahlt wird das von der EU, dem Bund und dem Land.

Der Bauernverband warnt allerdings vor zu viel Euphorie. „Eine massenhafte Umstellung auf Bio würde zu gleichen Problemen führen wie im konventionellen Bereich“, sagt Manfred Uhlemann, Geschäftsführer beim Sächsischen Landesbauernverband. „Mit einem überwiegenden Angebot an Biomilch würde auch dieser Markt kaputtgemacht.“ Biomilch müsse dauerhaft ein Plus von mindestens acht Cent gegenüber konventionell erzeugter Milch erwirtschaften.

Manche Probleme lösen sich allein

Dirk Rudert weiß das. Sein Betrieb profitiert davon, dass er auf einem Nebenstrang der Landwirtschaft unterwegs ist. Aber die Umstellung war auch nicht leicht. Die Agrargenossenschaft im Vogtland hat viel investiert, in Getreidetrockner und Ackertechnik wie Striegel und Hacken, mehr Stallauslauf und Liegeplätze für die Kühe wie auch eine neue Melkanlage. Die Mannschaft hat viel dazugelernt, wie sie die Felder ohne Dünger und chemische Spritze beackert und eine neue Fruchtfolge einführt, wie sie die Tiere mit weniger Antibiotika gesund erhält und wie sie sich trotz größerer Ertragsschwankungen neu am Markt behauptet. „Am Anfang versucht man, irgendwie alles richtig zu machen und auszuprobieren. Aber manche Probleme lösen sich fast von allein“, erzählt Rudert. „Dass die Tiere verhungern und umfallen – es passiert einfach nicht.“