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Zu Gast im Stall 4.0

Ein Dresdner Start-up will das Futtermanagement für Rinder und Schweine revolutionieren. Das Versprechen: Die Futterkosten sinken und die Tiere werden noch gesünder.

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© Ronald Bonß

Von Ines Mallek-Klein

Der größte Feind seiner Daten ist der Mensch selbst. Mal ergießt sich der Inhalt einer Kaffeetasse über die Laptop-Tastatur. Mal rutscht das Handy in einem unachtsamen Moment aus der Hosentasche, landet auf dem Stallboden und mit etwas Pech direkt in der Güllegrube. „Wir empfehlen den Bauern deshalb unseren Handybikini, ein Gummiband mit Karabiner, das das Handy vor dem Absturz bewahrt“, sagt Carsten Gieseler.

Er ist einer von vier Gründern der Fodjan GmbH aus Dresden. Sie sind angetreten, die Landwirtschaft zu digitalisieren. „Unser Programm ermöglicht es den Landwirten, das Futtermanagement für die Tiere zu optimieren“, sagt Carsten Gieseler. Er hat an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden Landwirtschaft studiert, sollte dort im Rahmen eines Seminars die Fütterung von Tieren verbessern und stellte dabei recht schnell fest, dass die gängigen Softwareprogramme dafür ungeeignet waren. Ihre erste Schwachstelle ist der Umstand, dass sie nicht webbasiert sind. Sie arbeiten offline. „Der Landwirt braucht die Analyse aber nicht in seinem Büro, sondern im Stall oder besser noch in der Futterküche“, sagt Carsten Gieseler. Das zweite Manko war das Prinzip der Programme: Die Landwirte arbeiten bisher meist nach dem Trail-and-Error-Prinzip. Sie variieren zum Beispiel den Mais- und Grasanteil. Die Software errechnet dann den Zucker- und Fettgehalt. „Ob die Futterzusammensetzung für die Tiergesundheit optimal ist oder ob sie ökonomisch überhaupt sinnvoll ist, weiß der Landwirt dann immer noch nicht“, sagt Carsten Gieseler. Er merkt es erst am Ende, entweder an der Tierarztrechnung und am Milch- oder Fleischertrag.

Es waren diese beiden Punkte, die Carsten Gieseler besser machen wollte. Und er fand Mitstreiter. Informatiker Johannes Völker kümmert sich um den „Maschinenraum“. Er entwickelt die Software im Hintergrund. Webentwickler Daniel Schreck ist für das Frontend und die gefällige Bedienoberfläche zuständig, während Betriebswirt Michael Schütze die Zahlen im Blick behält.

Im Herbst 2013 ist das Quartett gestartet, in der Gründerschmiede der HTW, unterstützt mit einem Exist-Gründerstipendium. Mittlerweile zählt das Team, das in die Großenhainer Straße umgezogen ist, zehn Mitarbeiter. Die Regale sind aus Wellpappe und neben der Kaffeemaschine steht der obligatorische Kickertisch. „Ein Spielchen hilft gegen die Mittagsmüdigkeit“, verrät Carsten Gieseler, der auf dem Landwirtschaftstag der Volks- und Raiffeisenbank Gelegenheit hatte, seine Software vor rund 300 Bauern aus ganz Sachsen zu präsentieren. Sie ticken, wie alle Landwirte Ostdeutschlands, anders als die Kollegen im Westen. „Die Betriebe hier sind vielfach größer und arbeiten extrem effizient“, so Gieseler. Es war also vergleichsweise leicht, Partner zu finden, die das Fütterungsprogramm testen. Einer von ihnen ist Marc Bernhardt aus Somsdorf bei Freital.

Die Bauern geben dazu wichtige Daten preis. Sie verraten ihre Futtereinkäufe, ihre Lagerbestände und ihre verkauften Milchmengen, die wiederum Rückschlüsse auf die Tiergesundheit zulassen. „Nur eine gesunde Kuh gibt richtig viel Milch“, sagt Carsten Gieseler, der sich oft ärgert über das falsche Bild, das in der Öffentlichkeit von den Landwirten gezeichnet wird. „Die Bauern haben ein ureigenstes Interesse, dass es ihren Tieren gut geht. Sie sind die Basis ihrer Existenz“, so Gieseler. Dennoch können sich auch die bäuerlichen Betriebe den Gesetzen der Marktwirtschaft nicht entziehen. Wer überleben will, muss effizient arbeiten und dabei ist die Fütterung ein wichtiger Punkt. In einem Milchviehbetrieb verursacht sie etwa fünfzig Prozent aller anfallenden Kosten. „Wir helfen, die Ausgaben um bis zu zehn Prozent zu reduzieren, gleichzeitig führt die optimale Fütterung natürlich dazu, dass die Tiere gesünder und leistungsfähiger werden“, so Carsten Gieseler. Die Software wird keinen Mitarbeiter im Stall ersetzen, die Arbeit aber wesentlich erleichtern und das, so der Unternehmer, gelte auch für Firmen, die sich einen eigenen Fütterungsberater leisten. Er erhält mit dem Programm ein zusätzliches Werkzeug.

„Die Kosten für die Software sind abhängig von der Unternehmensgröße, sie liegen zwischen 40 und 70 Euro pro Monat. Das ist vergleichbar mit einem Smartphonevertrag“, so Gieseler. Aufgrund der Milchkrise war das Investitionsklima in der Landwirtschaft zuletzt aber eher schlecht. „Die Preise waren lange Zeit im Keller, da haben die Landwirte andere Sorgen als Investitionen in den Stall 4.0“, zeigt Gieseler Verständnis. Die Gebühren für die Software wurden von der Beratungsleistung getrennt, was die Nachfrage beflügelt. „Zudem bieten wir ein Freemiummodell mit Gratisfunktionen in einer App“, sagt Gieseler. Aufklärungsarbeit muss er auch immer wieder bei dem Thema Datenmanagement leisten. Den Begriff Cloud findet Carsten Gieseler dabei reichlich verwirrend. „Wir speichern die Daten ja nicht in einer Wolke, sondern auf Servern, und die stehen oft genug im Keller“, sagt er. Hier sind sie aber, mehrfach gespiegelt, sicherer als im Büro des Landwirts. „Dort einzubrechen, ist um ein Vielfaches einfacher, als unsere Software zu hacken“, so Gieseler. Er glaubt an seine Idee und verschiedene Investoren, darunter der High-Tech-Gründerfonds, tun das ebenfalls. Auch der Technologiegründerfonds Sachsen hat Gelder investiert. Die vier Gründer achten allerdings darauf, das operative Geschäft autonom gestalten zu können. Das sei, so Gieseler, eine Frage der Motivation. Nachdem die App für die Milchkuhfütterung ihre Marktreife erreicht hat, arbeitet das Fodjan-Team nun an dem Programm für die Schweinefütterung. Es soll in diesem Jahr auf den Markt kommen.

Kontakt und weitere Informationen zu dem Start-Up finden Sie im Netz unter https://fodjan.de/.