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Zölibat und sexueller Missbrauch - gibt es Zusammenhänge?

Die Aufdeckung von sexuellem Missbrauch durch Priester hat die katholische Kirche erschüttert. Welche Geistlichen sind besonders gefährdet? Wissenschaftler haben in kirchlichem Auftrag Täterprofile ausgewertet.

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Von Edgar Bauer

Trier. Im Kampf gegen sexuellen Missbrauch durch katholische Priester hat die Deutsche Bischofskonferenz die Fälle von 78 als Täter beschuldigten Geistlichen untersuchen lassen. Demnach waren 30 der Geistlichen homo- oder bisexuell. Neun waren pädophil und vier hatten eine Neigung zu pubertären Jungen. Die Beweggründe seien aber „nur in wenigen Fällen Folge einer spezifischen Psychopathologie", sagte der Leiter der an externe Sachverständige in Auftrag gegebenen Studie, Prof. Norbert Leygraf, am Freitag in Trier. Es gebe „keine bedeutsamen Unterschiede" zur übrigen Bevölkerung.

In der nicht repräsentativen Untersuchung wurden Täterprofile erstellt. Dabei wurden Daten aus den Personalakten über die Persönlichkeit der Beschuldigten und deren Taten mit allgemein bei sexuellem Missbrauch bekannten Befunden abgeglichen.

Die Studie sei ein „weiterer, wichtiger Schritt in unseren Bemühungen zur transparenten Missbrauchsaufarbeitung", sagte der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann. Einen kausalen Zusammenhang zwischen Zölibat und sexuellem Missbrauch gibt es nach seiner Darstellung nicht.

Des Missbrauchs verdächtige Geistliche, die weiter in der Kirche blieben, könnten durch ein soziales Kontrollnetzwerk vor Rückfällen geschützt werden, sagte Leygraf, der das Institut für Forensische Psychiatrie der Universität Duisburg-Essen leitet. Unklar sei aber das Rückfallrisiko ohne Therapie. Bei etwa der Hälfte der begutachteten Geistlichen sieht die Studie keine Bedenken gegen einen erneuten oder weiteren Einsatz in der Gemeinde.

Die Missbrauchsfälle liegen in den meisten Fällen schon Jahrzehnte zurück, die Mehrzahl ereignete sich zwischen den 1960er und 1990er Jahren. Etwa drei Viertel der Opfer waren männlich.

Die Bischofskonferenz hat bereits im Jahr 2002 Leitlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch herausgegeben, 2010 wurden sie überarbeitet. Seither wurden auch psychiatrisch-psychologische Gutachten in Auftrag gegeben. Nun haben die Wissenschaftler in einer Gesamtstichprobe die Gutachten zu 78 Geistlichen aus dem Zeitraum 2000 bis 2010 ausgewertet. Sie waren von 21 der 27 deutschen Bistümer aus den Personalakten eingereicht worden.

Die katholische Kirche hat bislang nach Angaben der Bischofskonferenz rund 1200 Anträge auf Entschädigung von minderjährigen Missbrauchsopfern positiv beschieden. Geschädigte erhalten von der betroffenen Ordensgemeinschaft oder dem zuständigen Bistum eine einmalige Zahlung von bis zu 5.000 Euro. (dpa)