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Zittau war Soldatenstadt

Die SZ erinnert an Gebäude, Menschen und Ereignisse, die jeder kennt, die aber nicht mehr da sind. Heute: Die König-Ludwig-Kaserne.

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© Rafael Sampedro

Von Rolf Hill

Bis in das Jahr 1621 reicht die militärische Vergangenheit der Stadt Zittau zurück. Die begann mit der Aufstellung sogenannter Stadtsoldaten. Wie abrupt diese plötzlich zu Ende gehen würde, konnten sich wohl nur wenige vorstellen. Schließlich hatte das Militär immer zum Zittauer Straßenbild gehört. Der erste Kasernenbau geht auf das Jahr 1839 zurück, als das ehemalige Zucht- und Waisenhaus an der Pfarrstraße für diese Zwecke umfunktioniert wurde. 1868 wurde die Mandaukaserne eingeweiht. Als dritter Neubau wurde 1902 die König-Ludwig-Kaserne an den Kaiserfeldern eingeweiht. Dort zogen die Soldaten des Königlich-Sächsischen 3. Infanterie-Regiments Nr. 102 „Prinz-Regent Luitpold von Bayern“ ein.

Die König-Ludwig-Kaserne in Zittau. Ende der 30er Jahre entstand dieses Bild. Das nationalsozialistische Hoheitszeichen, dessen Sockel die Zeiten bis heute überdauerte, schuf der Löbauer Bildhauer Johannes Hartstein.
Die König-Ludwig-Kaserne in Zittau. Ende der 30er Jahre entstand dieses Bild. Das nationalsozialistische Hoheitszeichen, dessen Sockel die Zeiten bis heute überdauerte, schuf der Löbauer Bildhauer Johannes Hartstein. © privat

Ein vorläufiges Ende fand die Garnison mit den Verträgen von Versailles nach dem Ersten Weltkrieg. Erst im Oktober 1937 kehrte die Armee, die nun Wehrmacht hieß, in das wohl recht gut erhaltene Areal zurück. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches zog 1950, ein Jahr nach der Gründung der DDR, die Kasernierte Volkspolizei ein. Um den Dienenden etwas sinnvolle Freizeit zu verschaffen, wurde 1952 das neue Kino und Kulturhaus erbaut – ein für diese Zeit typischer riesiger Kasten im stalinistischen Baustil. Heute beherbergt es sowohl das Kreisarchiv als auch den Wissenschaftlichen und Altbestand der Christian-Weise-Bibliothek.

Der entscheidende Abschnitt in der jüngeren Geschichte begann im Herbst 1963 mit der Konzentration der bisherigen acht Offiziersschulen der Landstreitkräfte der Nationalen Volksarmee (NVA) an den Standorten Löbau und Zittau. Anlässlich des 8. Jahrestages der Gründung der NVA wurden ihnen am 1. März 1964 die Truppenfahne und der Name „Ernst Thälmann verliehen. Anfang der 70er Jahre platzte die Kaserne förmlich aus allen Nähten. Um Platz zu schaffen, wurde die angrenzende Kleingartenanlage „Fichte“ liquidiert, und eine rege, langanhaltende Bautätigkeit begann. Beispiele waren das neue Versorgungsgebäude, modern ausgestattete Hörsäle, die heutige Zweigstelle des Landratsamtes, die 1977 beziehungsweise 1979 fertiggestellte Sport- und Schwimmhalle sowie das 1982 eröffnete Stadion.

Durchstreift man heute das frei zugängliche Gelände, können die vielen dem Verfall preisgegebenen Gebäude traurig stimmen. Einzig das ehemalige Stabsgebäude, noch immer Sitz des Technischen Rathauses, die beiden Asylbewerberheime, die Zolldienststelle im Block fünf, daneben der nun umgesiedelte Stammsitz der Kreismusikschule, der Stützpunkt des THW-Ortsverbandes und die Einrichtungen der HSG Turbine sind sowohl ansehnlich als auch funktionstüchtig. Auch die Städtische Dienstleistungsgesellschaft und der Bauhof bilden Ausnahmen.

Einige Straßen tragen jetzt die Namen Zittauer Partnerstädte. Menschen aus Villingen, Pistoia oder Portsmouth, die sich aufmachen, um diese Wege zu suchen, könnten unangenehm überrascht werden.