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Ziemlich beste Ernte

Zurzeit wird der letzte Wein gelesen. Das Ergebnis macht Mut, dass die Winzer die Krise hinter sich lassen können.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Dominique Bielmeier

Landkreis Meißen. Was war das für ein Jahr für die sächsischen Winzer: Der Weinskandal bestimmte über Monate den gesellschaftlichen Diskurs, verunsicherte Verbraucher, erschütterte das Vertrauen in eine Traditionsmarke und stellte eine ganze Branche mit nur einigen wenigen schwarzen Schafen unter Generalverdacht.

Als hätte die Natur nun selbst etwas gut zu machen bei den sächsischen Winzern, schenkte sie ihnen zum Abschluss des Jahres eine Rekordernte: Locker ein Drittel mehr Ertrag als im Vorjahr schätzt Anja Fritz für ihr Weingut Mariaberg in Meißen; eine „überdurchschnittlich gute Ernte“ mit 15 Prozent mehr prognostiziert Matthias Schuh vom Weingut Walter Schuh in Sörnewitz; andere Winzer äußern sich ähnlich zufrieden über das Ergebnis der Lese, die in diesen Tagen abgeschlossen wird.

„Es ist ein vielversprechender Jahrgang, sowohl hinsichtlich der Lesemenge als auch der Qualität der Trauben“, sagt Martin Junge, Sprecher von Schloss Wackerbarth in Radebeul. Zwei Drittel der Lese sind dort bereits beendet, aktuell sind die Riesling-Trauben dran, die Rebsorte mit der größten Rebfläche.

Auch Anja Fritz freut sich über die Qualität: „Fäulnis und so weiter hat sich absolut in Grenzen gehalten.“ In ihrer schwieriger zu erntenden Steillage eine große Arbeits- und Zeitersparnis, da weniger ausgelesen werden musste.

Bei Schloss Proschwitz in Diera-Zehren ist die Lese zu etwa 75 Prozent abgeschlossen. „Die Mostgewichte sind sehr ansprechend, alle im Prädikatsbereich, wie wir uns das wünschen“, sagt Alexandra Prinzessin zur Lippe. Auch die Säurewerte überzeugen sie. Die ersten Weine seien schon vergoren – Goldriesling und Elbling „präsentieren sich vielversprechend“.

Für Thomas Herrlich vom Weingut Vincenz Richter in Meißen ist das Kuriose an diesem Jahrgang nicht der Ertrag oder die Qualität, sondern der Lesetermin. Einen ganzen Monat früher als im Jahr 1996 ist der Riesling dran. Die Lese wird zwei bis drei Wochen früher abgeschlossen sein als 2015, ähnlich wie auf Schloss Proschwitz.

Trotz des fast durchweg weinfreundlichen Wetters gab es für Anja Fritz vom Weingut Mariaberg in diesem Jahr auch eine „Angstphase“: Im August meldeten die Versuchsstationen, dass die gefürchtete Kirschessigfliege auch in unseren Breiten angekommen ist. Doch großen Schaden konnte sie in der Steillage nicht anrichten. Mit guten Ratschlägen aus Pillnitz – im Weinberg entlauben und sensen – wurde verhindert, dass die Tiere einen Rückzugsort in den Weinstöcken finden. Auch die Hitze bekam der Fliege nicht.

Keine Preiserhöhungen

Weil es häufig über 30 Grad heiß wurde – zum Tag des offenen Weingutes waren es sogar 37 Grad – musste die Winzerin teilweise auf die Zuckerbremse treten. Ihren Traminer will sie mit wenig Restsüße ausbauen.

Für den Geschmack von Thomas Herrlich vom Weingut Vincenz Richter war die Sonne schon fast zu viel. „Alles über 24 Grad kann der Rebstock gar nicht verarbeiten.“ Die Leute würden immer denken, so komme besonders viel Zucker in die Beeren, so Herrlich. „Aber das ist ein Irrtum.“

Worin sich die befragten Winzer zur Freude der Verbraucher alle einig waren, ist, dass es keine Preiserhöhungen bei den Weinen geben soll. Neue Sorten plant aktuell nur Matthias Schuh und der will über die zwei Neuen noch nicht sprechen, weil er noch nicht sicher ist, wann er sie abfüllen wird. Bei Schloss Wackerbarth werden rund 3 000 Riesling-Rebstöcke auf einer Fläche von einem halben Hektar für Eiswein stehen bleiben.

So groß, wie die Freude über diese Ernte ist: Der Weinskandal, der noch immer nicht vollständig aufgearbeitet wurde, hallt nach. Auf Schloss Proschwitz ist die Verunsicherung vieler Kunden noch immer zu spüren, berichtet Prinzessin zur Lippe. „Es gibt sogar Mails an uns, in denen Leute schreiben, dass sie keinen sächsischen Wein mehr kaufen. Der Schaden ist schon immens.“ Matthias Schuh ist verärgert, dass „die Ministerien noch immer nicht fähig sind zu veröffentlichen, wer denn jetzt der Schuldige ist und wer nicht“. Für ihn bleibt der Generalverdacht so bestehen. Auch für die Winzer selbst herrsche eine große Unsicherheit, „wenn man nicht weiß, wer es war“, so Anja Fritz. „Aber die Lese hat das alles wieder wettgemacht.“ Sie habe sich mit diesem Jahr inzwischen ausgesöhnt – mit all seinen Turbulenzen.