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Zeit für den Hummel-Kuss

Damit Erdbeeren wie gemalt aussehen, brumseln jetzt Hunderte Hummeln durch die Gewächszelte in Ponickau.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Birgit Ulbricht

Ponickau. Bienen sind fleißig, davon künden Gedichte, Lieder und Kinderbücher. Hummeln brummeln durch die Wiesen, etwas schwerfällig und träge. So richtig zu etwas nütze scheinen sie erst auf den zweiten Blick zu sein. Alles schlechte Publicity. Hummeln arbeiten schneller und länger als Bienen. Ihr Arbeitstag beginnt schon kurz nach Sonnenaufgang und endet, wenn die Sonne schon schlafen gegangen ist. Außerdem ist eine Hummel-Königin ab etwa zwei Grad Celsius aktiv, die Arbeiterinnen ab sechs Grad. Bienen kommen nicht aus der Beute, eh das Thermometer wenigstens acht Grad anzeigt. In manchen Frühjahren entscheiden diese paar Grad aber über Erfolg und Misserfolg der ganzen Ernte, und die Hummeln machen die Arbeit des Bestäubens beim Hobbygärtner oft unbemerkt fast allein – während die Biene wie selbstverständlich das Lob einheimst.

Die Hummel gilt als etwas betulich oder träge, dabei arbeitet sie länger und härter als Bienen.
Die Hummel gilt als etwas betulich oder träge, dabei arbeitet sie länger und härter als Bienen. © dpa

Hummeln besuchen so viel mehr Blüten als Bienen, was der erfahrene Obst- und Gemüsebauer zu schätzen weiß. Und die Hummeln schaffen das Bestäuben weitaus gleichmäßiger als Bienen. Die Biene fliegt eine Blüte an, sammelt etwas ein und steuert zielgerichtet zur nächsten Blüte. „Die Hummel umkreist die ganze Blüte und verpasst ihr dabei viele Knutschflecken“, erklärt Gartenbauerin Elizabeth Schöne lachend. Tatsächlich zeigt sie uns die kleinen braunen Stellen rund um die Blüten, die beim Hummel-Kuss entstehen.

Paketbote bringt das Hummelnest

An genau diesen Knutschflecken der Blüten erkennt die 24-jährige Gemüseanbauerin auch, wie die Tiere ihren Job gemacht haben. Seit Jahren kaufen Schönes Hummelvölker, um sie zum Bestäuben der Erdbeer- und Tomatenblüten in den Zelten einzusetzen. Seit zwei Wochen brumseln Schönes Hummeln durch die Zelte.

Angeliefert werden sie bei Bestellung am selben Tag per Express mit dem Paketservice in einer Kiste mit Nistmaterial, die dann auch gleich das Hummelzuhause ist. Unter der Kiste liegt ein kleiner Tank mit Zuckerwasserlösung, der vom Gärtner nur noch per Docht angeschlossen wird. Wenn o`zapft is am Futtertank – dann gewöhnen sich die Hummeln auch schnell an ihr neues Zuhause unterm Zelt und machen erste Ausflüge. „Klar büxen auch mal paar aus, aber das Volk bleibt schon da, selbst wenn die Folien mal offen sind“, erzählt Elizabeth Schöne. Der Tochter von Holger Schöne, der der Gemüseanbau auf dem Ponickauer Hof obliegt, bringt ihre Hummelvölker nicht nur nach Ponickau, auch in Moritzburg in den Heidelbeeren sorgen die sympathischen Insekten für reiche Erträge. Eben jener Hummelgründlichkeit, um jede Blüte herumzulaufen, verdankt die Erdbeere ein Aussehen wie aus dem Bilderbuch.

Nix Gentechnik oder Chemie – die Hummeln befruchten mit vollem Körpereinsatz sorgfältig jede Eizelle in der Blüte durch ein Pollenkorn. Wenn das passiert, geben alle Nüsschen auf der Oberfläche der Erdbeere gleichmäßig Wachstumshormone an den Fruchtkörper ab – so wachsen schöne symmetrische Erdbeeren der Handelsklasse „Extra“. Ausgerechnet mit ihrem dicken, bepelzten Hummel-Pops, der ihnen den Ruf von Gemütlichkeit oder gar der Trägheit eingebracht hat, schaffen die kleinen Insekten, was weder Maschinen noch Menschen so gleichmäßig hinbekommen. Und da die Hummeln sich noch ordentlich die Taschen an den Beinen mit Pollen vollstopfen, fliegen sie eben manchmal doch eher wie dicke Brummer, die sich kaum in der Luft halten können. Der Spruch ist bekannt: „Nach den Gesetzen der Aerodynamik können Hummeln nicht fliegen, aber sie wissen es nicht und fliegen einfach los.“

Bloß kein blaues T-Shirt tragen

Ganz falsch ist der Eindruck nicht, denn Hummeln erinnern im Flugverhalten mehr an Hubschrauber als an Flugzeuge. Unter ihren zugegeben zu kleinen Flügeln – zum Körpergewicht betrachtet – entstehen nämlich Luftwirbel, die Auftrieb geben, eben wie beim Hubschrauber. Denn Hummeln haben biegsame Flügel und schlagen der Physik so ein Schnippchen. Nur so sind die hübschen Brummer überhaupt in der Lage, das Doppelte ihres Körpergewichtes zu tragen – und sind, so die besten tierischen Helfer der Gemüsebauern. Am liebsten sind den Hummeln aber kräftige blaue oder rote und nicht die weißen Blüten der Erdbeeren. „Bei Blau drehen sie durch“, lacht Elizabeth Schöne. Wer unter Zelt arbeitet, achtet deshalb immer darauf, kein blaues T-Shirt zu tragen. Sonst wird er von einer Hummel-Wolke umbrumselt, und beide, Mensch und Insekt, kommen nicht zum Arbeiten. Stechen tun auch Hummeln, aber ihr Stich ist weniger schmerzhaft als der der Biene. Sollten Sie einmal eine Hummel vor der Nase haben, die ihnen scheinbar mit dem Mittelbein winkt, dann sollten Sie den Rückzug antreten. Denn die Hummel winkt Ihnen nicht, sie kündigt ihren Angriff an. Spätestens, wenn sie laut brummt, sich auf den Rücken dreht und den Hummel-Po streckt, nehmen Sie die Nase weg.