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Zeiss investiert 300 Millionen in Jena

Der Traditionskonzern rüstet seinen Gründungsort zum Hightech-Hotspot auf.

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© Zeiss

Von Sven Heitkamp, Jena

Es hagelte Superlative, als der Zeiss-Konzern am Freitag sein neues Vorhaben in Jena verkündete: größte Einzelinvestition des Konzerns, größte private Investition in Jena seit 1990, zweitgrößter Standort der globalen Gruppe. Tatsächlich hat sich Zeiss an seinem thüringischen Gründungsort eine Menge vorgenommen für die nächsten Jahre. Die Standorte in der Stadt sollen bis 2023 zum neuen High-Tech-Innovations-Campus nahe der Innenstadt zusammengeführt werden. Mehr als 300 Millionen Euro sollen dafür fließen, bis Mitte der 2020er-Jahre soll die Zahl der Mitarbeiter von 2 000 auf 2 500 klettern. Mit dieser Modernisierung wolle Zeiss globaler Technologieführer in Wachstumsmärkten der optischen Industrie bleiben, sagte Vorstandschef Michael Kaschke,

Mitten in Jena, an der Otto-Schott-Straße wenige Fußminuten von der Innenstadt entfernt, fertigt derzeit noch der Schwesternkonzern Schott Spezialgläser für den Technologiemarkt. Doch manche der historischen Fabrikgebäude wurden bis heute nicht saniert und stehen leer. Nun wird Zeiss das alte Betriebsgelände von seiner „Schwester“ kaufen, sanieren und Neubauten für seinen „Innovations-Hotspot“ errichten. Künftig sollen auf dem 80 000 Quadratmeter großen Areal die Sparte Mikroskopie, das Planetariums-Geschäft, die im Tec-Dax notierte Carl Zeiss Meditec AG und der Sitz der Gruppe gebündelt werden.

Zugleich soll auf dem Gelände ein Campus für weitere Ansiedlungen und Start-ups entstehen. So hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Ende August bekannt gegeben, sein neues Institut für Datenwissenschaften in Jena zu eröffnen. Es könnte auf dem künftigen Zeiss-Gelände seine Heimat finden. Das Aussehen des Ensembles und die Zukunft der denkmalgeschützten Gebäude soll ein Architekturwettbewerb bis Frühjahr 2018 klären. Tatsächlich gebaut werden soll erst ab 2019. Hintersinn des Mega-Umzugs sei es nicht zuletzt, Effizienz und Produktivität zu steigern, erklärte Kaschke. „Wir müssen im globalen Wettbewerb bestehen.“ Dazu würden Forschung und Produktion, Wissenschaft und Wirtschaft enger verzahnt. Dabei geht es besonders um die digitale Anbindung der Hightech-Geräte von Zeiss, also beispielsweise um die Rechenleistung für Elektronenmikroskope. Sie werden unter anderem in der Hirnforschung und in der Halbleiterindustrie eingesetzt. Kaschke erwartet, dass in Forschung, Software-Entwicklung und Produktion künftig mindestens 500 Mitarbeiter mehr benötigt werden, ein Großteil davon in der Digitalisierung.

Wolfgang Tiefensee (SPD), einst Bundesminister, heute Wirtschafts- und Wissenschaftsminister in Thüringen und ein Freund großer Worte, schwärmte auf der kurzfristig angesetzten Pressekonferenz von der „Jahrhundertinvestition“. Der Großcampus werde Ausgründungen und die Ansiedlung weiterer Institute und Firmen nach sich ziehen – und Jena „in die nächsthöhere europäische Liga katapultieren“. Der Freistaat Thüringen unterstützt das Zeiss-Projekt mit rund 11,5 Millionen Euro Fördermitteln. Zudem soll das alte Zeiss-Gelände nach dem Umzug saniert und entwickelt werden. Auch Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) sagte Zeiss volle Unterstützung für das „historische Vorhaben“ zu. Der Impuls sei vergleichbar mit der Gründung der Jenaer Universität 1558. Von seiner Größe im Jahr 1989 blieb Zeiss heute allerdings nur noch einen Bruchteil erhalten: Damals arbeiteten beim VEB Carl Zeiss Jena 27 000 Menschen.

Dennoch geht es der Thüringer Wirtschafts-Hochburg dank der Großunternehmen Zeiss, Schott und Jenoptik wieder relativ gut. Die Arbeitslosenquote unter den mehr als 100 000 Einwohnern liegt bei nur knapp 5 Prozent. Und die Stadt wächst weiter: Auch die österreichische Ever Pharma Gruppe kündigte gerade an, in ihr Jenaer Werk mehr als 100 Millionen Euro zu investieren. Zeiss-Chef Kaschke macht sich dennoch keine Sorgen, ausreichend Nachwuchskräfte zu finden: Das Unternehmen werde künftig verstärkt ausbilden und genieße einen guten Namen. Zudem biete Thüringen eine gute Hochschullandschaft.

Im November 1846 hatte der dreißigjährige Mechaniker Carl Zeiss eine Werkstatt für Feinmechanik und Optik eröffnet. 1884 gründeten Otto Schott, Ernst Abbe, Carl und Roderich Zeiss das „Glastechnische Laboratorium Schott & Genossen“. Seit 1889 besteht die Carl-Zeiss-Stiftung, zu der beide Unternehmen bis heute gehören. Inzwischen ist Zeiss ein weltweiter Technologiekonzern für Messtechnik, Mikroskope, Medizintechnik, Brillengläser wie auch Foto- und Filmobjektive, Ferngläser und Halbleiterfertigung. Zeiss hat in mehr als 40 Ländern über 25 000 Mitarbeiter und erzielte zuletzt einen Umsatz von 4,9 Milliarden Euro. Dieses Geschäftsjahr werde mit einem neuen Rekord abgeschlossen, deutete Kaschke an.

Der Vorstandchef kennt Thüringen bestens: Er ist in Greiz geboren und hat bis 1988 in Jena studiert und promoviert, den Zeiss-Konzern in Oberkochen auf der schwäbischen Alb führt er seit 2011. Ein besonderes Ansinnen aus Jena wies er dennoch deutlich zurück – dass die globale Gruppe ihren Sitz von Oberkochen nach Jena zurückverlegt: „Unsere Konzernstruktur hat sich bewährt, daran ändert man nichts. Die Geschichte ist geschrieben.“