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Zehn große Görlitzer Sorgenkinder

Nach dem Abriss der Landeskronstraße 34 gelten noch neun weitere Häuser als einsturzgefährdet. Auch Anwohner sind dafür jetzt sensibler geworden.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Görlitz. Hinter dem Bauzaun tut sich was. Da, wo bis März das einstürzende Haus Landeskronstraße 34 stand, haben Arbeiter entlang der Fassadenflucht eine Mauer errichtet, weniger als einen Meter hoch. Dahinter haben sie den verbliebenen Keller des Abrisshauses komplett mit Dachpappe abgedichtet, sodass kein Regenwasser hineinlaufen und keine spielenden Kinder abstürzen können. Mit diesen Schritten ist das Grundstück nun zumindest gesichert.

Bildergalerie der Görlitzer Sorgenkinder

Das Haus Landeskronstraße 34 ist nicht mehr. Die Stadt lässt derzeit das Kellergeschoss abdichten.
Das Haus Landeskronstraße 34 ist nicht mehr. Die Stadt lässt derzeit das Kellergeschoss abdichten.
Imposantes Eckhäuser in der westlichen Innenstadt: die Leipziger Straße 20a an der Ecke zur Rauschwalder Straße
Imposantes Eckhäuser in der westlichen Innenstadt: die Leipziger Straße 20a an der Ecke zur Rauschwalder Straße
Zählt zu den marodesten Gebäuden der Stadt: die Landeskronstraße 22 an der Ecke zum Brautwiesenplatz.
Zählt zu den marodesten Gebäuden der Stadt: die Landeskronstraße 22 an der Ecke zum Brautwiesenplatz.
Ein weiterer Problemfall in der Innenstadt West: die Leipziger Straße 19
Ein weiterer Problemfall in der Innenstadt West: die Leipziger Straße 19
Die Brautwiesenstraße 17 wird jetzt für Hartz-IV-Empfänger saniert.    Foto: Pawel Sosnowski / Pawel Sosnowski/80studio.net / Pawel Sosnowski/80studio.net
Die Brautwiesenstraße 17 wird jetzt für Hartz-IV-Empfänger saniert. Foto: Pawel Sosnowski / Pawel Sosnowski/80studio.net / Pawel Sosnowski/80studio.net
Auch der Otto-Buchwitz-Platz 4 macht der Stadt Sorgen.
Auch der Otto-Buchwitz-Platz 4 macht der Stadt Sorgen.
Die Sohrstraße 9 an der Ecke zur Emmerichstraße wird derzeit zumindest gesichert, aber noch nicht saniert.
Die Sohrstraße 9 an der Ecke zur Emmerichstraße wird derzeit zumindest gesichert, aber noch nicht saniert.
Auch ein Sorgenkind: die Jauernicker Straße 39
Auch ein Sorgenkind: die Jauernicker Straße 39
Und was wird aus Lutherstraße 25?
Und was wird aus Lutherstraße 25?
Das kleine Fachwerkhaus in Deutsch Ossig es ist ebenfalls einsturzgefährdet.
Das kleine Fachwerkhaus in Deutsch Ossig es ist ebenfalls einsturzgefährdet.

„Eine Gestaltung findet bei Sicherungsarbeiten aber nicht statt“, sagt Hartmut Wilke, der Leiter des Amtes für Stadtentwicklung. Vielmehr hoffe er, dass die Baulücke möglichst bald wieder eine neue Nutzung erhält: „Dann wird eine Neugestaltung des Grundstückes erfolgen.“

Gundula König freut sich über den Baufortschritt. Mit ihrer Firma I&H Immobilien und Haustechnik GmbH verwaltet sie gleich beide Nachbarhäuser. „Alles läuft sehr gut“, sagt sie. Die beiden Fassaden hätten beim Abriss des Nachbarhauses kaum Schaden genommen, in den Kellern gebe es keine Probleme durch eindringendes Regenwasser aus dem Keller des Abrisshauses und die nun frei stehenden Giebel sollen demnächst auch abgedichtet werden. Einen konkreten Zeitplan gebe es zwar noch nicht: „Aber wir sind in guten Gesprächen mit der Stadt.“ Und die Mieter seien alle verständnisvoll, lobt Gundula König.

Doch der Teileinsturz und anschließende Abriss der Landeskronstraße 34 hat noch ganz andere Folgen. „Für uns war das der Auslöser, das Thema marode Häuser anders anzugehen als vorher“, sagt Baubürgermeister Michael Wieler. Zwar habe es auch vorher sehr viele Kontrollen gegeben, wenn von Häusern Gefahr ausging oder auszugehen schien. Manche Gebäude werden sogar monatlich kontrolliert, sagt Wieler. Das Ergebnis seien große Datenmengen in verschiedenen Listen. „Die haben wir jetzt alle zusammengeführt und systematisiert, um einen besseren Überblick zu bekommen“, erklärt der Bürgermeister.

Ein Ergebnis dieser Systematisierung ist in diesem Artikel zu sehen: Neben der Landeskronstraße 34 gibt es in Görlitz neun weitere Gebäude, von denen eine Gefahr ausgeht, darunter allein fünf in der westlichen Innenstadt, zwei in der Südstadt und jeweils eins in der östlichen Innenstadt und in Deutsch Ossig. Darüber hinaus, so Wieler, gebe es noch mehr problematische Häuser, bei denen untersucht werden muss, ob die Standsicherheit gefährdet ist: „Dort fordern wir die Eigentümer auf, Gutachten zu beauftragen und uns vorzulegen.“ Welche Häuser das sind, teilt er mit Verweis auf den Datenschutz nicht mit. Auch die Zahl 31, von der in einer nichtöffentlichen Ausschusssitzung die Rede war, will Wieler nicht bestätigen. Zwar seien viele Häuser in einem schlechten Zustand, allerdings in ganz unterschiedlichen Stadien: „Da ist keines wie das andere.“ Die zehn Häuser, die auf dieser Seite zu sehen sind, haben hingegen eines gemeinsam: Sie sind mit Bauzäunen abgesperrt. Dadurch kann jeder sehen, dass es Probleme gibt. Doch zumindest bei einigen Häusern ist Besserung in Sicht. So wird die Sohrstraße 9 derzeit gesichert, die Brautwiesenstraße 17 soll demnächst komplett saniert werden. Dieses Gebäude ist eines der künftigen Hartz-IV-Häuser von Kommwohnen.

Und noch etwas hat die Landeskronstraße 34 bewirkt: „Wir haben seither viel mehr Hinweise von Bürgern zu maroden Häusern erhalten“, sagt Wieler. Dazu habe sicher auch die Medienberichterstattung zu dem Thema beigetragen. Die Stadt sei allen Hinweisen nachgegangen: „Die meisten sind fachlich zum Glück nicht zutreffend, aber bei manchen war es schon gut, dass wir uns das jetzt angeschaut und nicht noch zwei Monate gewartet haben.“

Ein großes Problem ist die Finanzierung von Sicherungsarbeiten – vor allem dort, wo Eigentümer nicht kooperieren. „Wir setzen uns auch mit dem Freistaat wegen Sicherungsgeldern zusammen“, sagt Wieler. Bisher sei es so, dass jeder, der Fördermittel für eine Sicherung erhält, sich gleichzeitig verpflichten muss, das Haus binnen fünf Jahren zu sanieren. „Hier müssen wir schauen, ob das geändert werden kann“, erklärt der Bürgermeister. OB Siegfried Deinege wolle das Thema mit der Landesdirektion diskutieren – nicht nur für den Einzelfall Landeskronstraße 34, sondern umfassender für die ganze Stadt.

Für die Landeskronstraße 34 erklärt Hartmut Wilke, dass die Arbeiten an den Giebeln der Nachbarhäuser „in nächster Zeit“ erledigt werden sollen. Genaue Termine gibt es nicht. Wenn alles geschafft ist, verschwindet auch der Bauzaun. Das Grundstück gehört einer Erbengemeinschaft. „Ein Teil kooperiert mit uns, ein Teil nicht und ein dritter Teil ist noch gar nicht bekannt“, sagt Wilke. Er hofft, dass das Grundstück bald einen Eigentümer erhält, der dort ein neues Haus errichtet. Allerdings sei das derzeit bloßes Wunschdenken: „Im Moment ist dafür nichts in Sicht.“