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Aus der Zaun

Die Stadtwerke lassen seit Freitag das Bollwerk am Copitzer Natursee abbauen. Ein bisschen Gitter bleibt dennoch.

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© Kristin Richter

Von Thomas Möckel

Pirna. Die Bürgerinitiative „Naherholung Copitz“ gibt sich auf ihrer Internetseite im Freudentaumel. „Wir haben es endlich geschafft“, jubeln die Bürgerbewegten euphorisch. Auslöser des kollektiven Frohsinns ist der Umstand, dass die Protestler mithilfe des Pirnaer Stadtrates einen vermeintlich übermächtigen Gegner zumindest in die Knie gezwungen haben. Nach einem Beschluss der Abgeordneten müssen die Stadtwerke Pirna den bis ins Wasser reichenden Zaun am Naherholungszentrum Copitz bis zum Jahresende wieder abbauen. Als Baustart war der 15. Dezember anvisiert. Armin Müller von der Bürgerinitiative war zunächst skeptisch, ober der Termin gehalten wird. Auf der Internetseite heißt es, man lasse sich überraschen. Die Überraschung fällt nun allerdings etwas anders aus als gedacht.

Ziemlich geräuschlos und publikumsfrei haben die Stadtwerke schon am Freitag begonnen, das grüne Gitter-Bollwerk abbauen und versetzen zu lassen. Weil das beauftragte Tiefbauunternehmen eher Zeit hatte, verlegte der Versorger den Termin kurzerhand nach vorn. „Vom Wetter her sieht es ganz gut aus, dass wir schnell fertig werden“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Herbert Marquard. Wie lange die Arbeiten insgesamt dauern, könne er aber nicht sagen. Immerhin steht fest, dass in Kürze kein Zaun mehr die Liegewiese am Gewässer und den See-Rundweg zerschneidet.

Der Verhau verschwindet zunächst bis zum Tor nahe dem Imbisswagen. Vom linken Torpfosten aus gesehen gehen die Bauleute dann etwa einen Meter in Richtung See und ziehen dort ein neues Gitter – das dann in etwa parallel zum Campingplatz und zum Seeufer verläuft. Dieser Abstand des Zaunes zum Wirtschaftsweg des Campingareals sei laut Marquard nötig, damit Fahrzeuge auf dem Gelände problemlos wenden könnten. Vor dem Zaun lässt der Versorger parallel dazu einen neuen Rundweg anlegen, sodass Fußgänger und Radler den Natursee wieder ziemlich nah am Wasser hindernisfrei umrunden können. Mit der wiedergewonnenen Freiheit werden auch die bislang vom Zaun zerschnittenen Teile der bei Badegästen beliebten Liegewiese wiedervereint. Der neue Teil des Rundweges wird nach Auskunft der Stadtwerke rund 1,50 Meter breit, das entspricht den Maßen der anderen Teilstücke. Ganz billig ist das Unterfangen freilich nicht.

Zaun versetzen, drei neue Tore einbauen, eine Kiefer fällen, Weg anlegen – laut Marquard muss das Unternehmen rund 50000 Euro investieren, um den politischen Willen des Stadtrates umzusetzen.

Erst im Frühjahr hatten die Stadtwerke einen neuen Zaun am Natursee errichten lassen, um den Zeltplatz aufzuwerten. Fortan, so der Plan, sollten die Camper einen eigenen, abgetrennten Strandabschnitt für sich haben. Vor geraumer Zeit jedoch votierten die Abgeordneten mehrheitlich dafür, dass der neue Zaun wieder zu verschwinden hat. Es war das Finale in einem mehrere Monate währenden Gezerre.

Seinen Ursprung hat der Beschluss in einem gehörigen Protest, ausgelöst durch den Zaunbau Anfang 2015. Ohne Vorankündigung wuchs das Gitter plötzlich bis ins Wasser, wo vorher alles frei war. Widerständler befürchteten, dass auf diese Weise das Badesee-Areal für die vielen Nicht-Camper zunehmend flöten ginge. Eine Bürgerinitiative formierte sich, sammelte bislang über 4000 Unterschriften gegen den Zaun und trotzte zwischendurch den Stadtwerken schon einen Kompromiss ab: Die Tore im Zeltplatz-Zaun blieben tagsüber offen, sodass jeder weiterhin den Rundweg und den kompletten Strand nutzen konnte.

Die Forderung nach dem Zaunrückbau aber blieb, auch weil die Protestler der Ansicht waren, das Gitter-Bollwerk sei illegal ohne Baugenehmigung errichtet worden. Die Stadtwerke wiesen den Schwarzbau-Vorwurf stets zurück. Dass aber generell auf dem Campingplatz etwa nicht mit rechten Dingen zuging, räumte selbst die Stadt ein. Denn Pirna brachte inzwischen einen Bebauungsplan auf den Weg, um „bisherige Baumaßnahmen zur Erweiterung des Campingplatzes, die ohne Baugenehmigung erfolgten, zu legalisieren.“

Die Bürgerinitiative frohlockt nun angesichts des geglückten Abbau-Coups. „Endlich hat Herr Marquard mal Wort gehalten“, sagt Müller. Mit dem bisher Erreichten sei er sehr zufrieden, auch, weil es ihn vor einer heiklen Mission mit viel Körpereinsatz bewahrt. Wäre der Zaun stehengeblieben, hätte sich Müller, gehüllt in eine wärmende Daunenjacke, Anfang kommenden Jahres an das Gitter gekettet – bis nach seinem Bekunden ein Aufschrei durch Pirna gegangen wäre.