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Zäune, Schafe und Wolfsärger

Viele Fragen gibt es nach massiven Übergriffen von Wölfen auf Schafe. Die SZ klärt einige.

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© Wolfgang Wittchen

Von Jana Ulbrich und Irmela Hennig

Neustadt. Ratlos steht Jürgen Mager zwischen seinen Schafen. Diese hier sind die 35. Generation. So lange betreibt der 67-Jährige seine kleine Hobby-Zucht schon. Seit 35 Jahren halten ihm die Schafe die Wiese kurz. 5 000 Quadratmeter. Hanglage, an der jeder Rasenmäher versagt. Jürgen Mager wohnt im Neustädter Ortsteil Krumhermsdorf. Seit einiger Zeit lebt hier auch das Hohwald-Rudel. Wölfe also. Der Rentner hat die Schafweide gut eingezäunt. 1,30 Meter hoch. Aber reicht das, um die Schafe zu schützen? Zur Sicherheit wollte er den Zaun mit einem Übersprungschutz erweitern. Das kostet 2 000 Euro. Der Krumhermsdorfer hat viele Formulare ausgefüllt. Eine Förderung aber bekommt Jürgen Mager nicht. Die gibt es nur für mobile Weidezäune. „Haben Sie schon mal einen Weidezaun umgesetzt?“, hat er die Sachbearbeiterin in der Kamenzer Förderstelle gefragt. Er jedenfalls schafft das nicht mehr, sagt er verbittert. Was soll er tun? Seine Schafe abschaffen, um sie vor einem schmerzhaften Wolfsangriff zu bewahren? So, wie es viele kleine Hobby-Schafhalter angeblich schon getan haben? Und noch etwas hat Jürgen Mager festgestellt. Zwar wird die Anschaffung der mobilen Zäune zu 80 Prozent von Freistaat Sachsen gefördert. Allerdings bezieht sich der Anteil auf die Nettosumme. Die Mehrwertsteuer muss jeder Nutztierhalter selbst zahlen. Wer das gewerblich tut, kann sich diese Steuer oft vom Finanzamt zurückholen. Ein Hobbytierhalter nicht. Die SZ hat diese und andere Themen beim Sächsischen Umweltministerium, bei den Landratsämtern und beim Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz abgefragt.

Fragen & Antworten rund um den Wolf

Gibt es wirklich nur 80 Prozent vom Netto für Herdenschutz?

Das stimmt. Der Freistaat Sachsen übernimmt 80 Prozent der Nettosumme, die für Herdenschutzmaßnahmen anfallen. Mehr Geld zu geben, das geht laut Umweltministerium nicht so einfach. Bei der Unterstützung der gewerblichen Tierhalter mit staatlichen Mitteln gibt es europarechtliche Grenzen. Das Ministerium versuche darum, über private Geldgeber zusätzliche Hilfe zu organisieren. So habe die Sielmann-Stiftung in den letzten zwei Jahren Summen bereitgestellt, um Fördermittelempfängern weitere 20 Prozent der anfallenden Kosten zu finanzieren. Allerdings sind die Töpfe weitgehend ausgeschöpft.

Gibt es das Geld tatsächlich nicht für Festzäune?

Ja, bestätigt Vanessa Ludwig vom Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz in Rietschen. Das hat damit zu tun, dass Festzäune nicht so effektiv sind, wie (mobile) Elektrozäune.

Sollten Hobbyzüchter nicht lieber aufgeben – angesichts des Aufwandes?

Nein, heißt die Antwort aus dem Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft. „Tierhaltung, auch bei Hobbytierhaltern, ist ausdrücklich im Interesse des Ministeriums“, teilt ein Pressesprecher mit. Sie sei Teil des ländlichen Lebens und habe in vielen Fällen auch Bedeutung mit Blick auf den Naturschutz. Mit Schafen werden beispielsweise schwer zu mähende Flächen gepflegt. Darum werden gerade auch Hobbytierhalter bei der Anschaffung von geeignetem Zaunmaterial unterstützt, so das Ministerium. Mit einem Eigenanteil von im Durchschnitt 100 bis 200 Euro kann die Qualität der Weidetierhaltung verbessert und das Tierwohl gefördert werden. Grade wenn Tiere vorher angebunden wurden, sei der Freilauf im Zaun eine deutliche Verbesserung. Auch das tägliche Umpflocken entfällt. Das Förderangebot werde von Hobbytierhaltern landesweit gut angenommen.

Macht das Rosenthaler Rudel noch immer Ärger?

Aktuell nicht. In zwei aufeinanderfolgenden Nächten Anfang Oktober waren 31 Tiere bei Angriffen durch das Rosenthaler Rudel getötet worden. Sieben weitere Schafe starben bei einem Angriff im November. Betroffen war ein Nutztierhalter aus Cunnewitz im Raum Kamenz. Er hatte den Mindeststandard beim Herdenschutz damals schon erfüllt, hat inzwischen aber weiter aufgerüstet. Die Übergriffe der Wölfe auf die Cunnewitzer Tiere sind der einzige Nachweis dafür, dass es das Rudel noch gibt. Andere Spuren – Fotofallenbilder oder Losungen – hat man nicht. Es ist nicht einmal klar, ob die Familie Nachwuchs hat. In Zusammenhang mit den Übergriffen hatten Politiker den Abschuss dieser Wölfe gefordert. Das wurde nicht genehmigt.

Warum dürfen die Rosenthaler Wölfe (noch) nicht geschossen werden?

Die Antwort ist simpel. Der Abschuss wurde noch nicht durch das zuständige Landratsamt in Bautzen beantragt beziehungsweise angewiesen. Erst danach Antrag kann das Ministerium in Dresden den Abschuss genehmigen oder ablehnen. Das Landratsamt Bautzen hat bislang auf den entsprechenden Antrag verzichtet, weil die rechtlichen Voraussetzungen noch nicht gegeben waren. Es waren nämlich nicht alle Schutzmaßnahmen für die Schafe in Cunnewitz ausgeschöpft. Die sind in einem Managementplan für den Wolf festgelegt. Das Landratsamt sei aber weiter mit dem Ministerium im Gespräch. Ziel sei es, den Plan an die „realen Verhältnisse im ländlichen Raum“ anzupassen. Das Landratsamt begründet das damit, dass immer mehr Nutztierhalter die Tierzucht aufgeben. „Ohne eine Änderung beim Artenschutz ,Wolf‘ wird es über kurz oder lang keine kleineren Nutztierbestände mehr geben.“ Bautzens Landrat Michael Harig begrüßt, dass die Umweltministerkonferenz beschlossen hat, den Erhaltungsstand der Population Wolf bundesweit zu bewerten. Er befürchtet aber, dass dies dauern wird. Und so sei damit zu rechnen, dass weitere Tierhalter aufgeben.

Gibt es wirklich weniger Schafe, Ziegen und Co?

Vielleicht – das geht nur teilweise aus den Zahlen des Statistischen Landesamtes Sachsen hervor. 2007 gab es auf dem Gebiet der heutigen Landkreise Görlitz und Bautzen 256 Betriebe mit rund 21160 Schafen. 2010 waren es 216 Betriebe und rund 14760 Tiere. Für die Jahre danach liegen keine kreisbezogenen Daten vor. Aus den alten Daten geht nicht hervor, warum Tierhalter aufgaben. Auch wirtschaftliche oder altersbedingte Gründe können eine Rolle spielen.

Wäre es nicht sinnvoll, Wölfe wie die Rosenthaler mit Sendern auszustatten?

Ja, das wäre es, bestätigen Wolfsexperten. Doch das ist schwierig. Es gibt zwei praktikable Fangmethoden. Das eine sind Soft-Catch-Traps, also Art Fußfallen. Tritt ein Wolf hinein, schnappen sie hoch und halten den Fuß des Tieres fest. Allerdings zählen diese Fallen zu den Tellereisen, die laut EU-Recht verboten sind. Die Bundesregierung ist in der Sache in Brüssel vorstellig geworden, heißt es aus Sachsens Umweltministerium. Bisher konnte auf europäischer Ebene aber keine Erlaubnis für die Soft-Catch-Traps erreicht werden. Die zweite geeignete Methode sind Belisle-Fußschlingen. Die verbietet aber das Sächsische Jagdrecht. In dieses Recht wurde der Wolf vor einigen Jahren aufgenommen. Um den Wolf trotzdem mit diesen Fallen zu fangen, müsste das Jagdrecht geändert werden, sagt das Ministerium. Aktuell sei das nicht vorgesehen. Kommt es zu einer Anpassung des Jagdrechts, werde darüber zu entscheiden sein.

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