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Wutbürger tritt gegen Auto

Einem Weinböhlaer wird eine Sachbeschädigung vorgeworfen. Er entgeht zwar mit viel Glück einem Urteil, zahlen muss er aber trotzdem.

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Von Jürgen Müller

Nein, den Eindruck eines rabiaten Randalierers macht der 60-jährige Weinböhlaer nun wirklich nicht. Er steht das erste Mal vor Gericht und weiß eigentlich gar nicht so genau warum. Doch an einem Maitag vorigen Jahres hat er wohl die Nerven verloren. Er soll mit dem Fuß gegen ein Auto getreten und eine Delle verursacht haben.

Der Fahrer des Transporters – im Volksmund auch „Hundefänger“ genannt – hatte in der Siedlung gerade Mittagessen ausgeliefert. Weil er auf der sehr engen Straße, die in einer Sackgasse endet, nicht wenden konnte, ist der Fahrer ein Stück auf das Grundstück des Angeklagten gefahren. Das bringt den offenbar so sehr in Rage, dass er mit dem Fuß gegen die Hecktür tritt.

Die Sache hat eine Vorgeschichte. Dass auf dem Grundstück des Angeklagten, aber auch auf denen anderer Anwohner, gewendet wird, ist dort üblich, weil anders kaum möglich. Mancher nimmt das hin, andere wiederum machen einfach das Hoftor zu. Nicht so der Angeklagte. Der hat zwar auch ein Tor, lässt es aber offen. Und regt sich dann mächtig auf, wenn jemand ein Stück auf sein Land fährt. „Er war sehr ernst und aufgebracht, hat auf das Fahrzeug geguckt und gewartet, ob es nun auf sein Grundstück fährt“, sagt eine Nachbarin, die als Zeugin aussagt. Den Streit hat sie kommen sehen. „Jetzt wird’s gleich krachen, habe ich gedacht, als der Transporter langsam rückwärts fuhr“, sagt sie. Der Angeklagte sei bekannt dafür, dass es ihm nicht passt, wenn jemand auf sein Grundstück fährt. „Der stand auch schon nachts draußen.“

Der Fahrer des Transporters gibt zu, dass er rund zwei Meter auf das Privatgrundstück fuhr, um wenden zu können. „Das Fahrzeug stand, ich wollte gerade den Vorwärtsgang einlegen, als es einen lauten Knall gab“, sagt er. Offenbar hatte der Weinböhlaer gegen das Auto getreten. Kurz danach sieht der Fahrer eine Delle im Blech und den Fußabdruck. Auf Anraten seines Chefs geht er zur Polizei und macht eine Anzeige. Dem Angeklagten flattert ein Strafbefehl ins Haus. Es soll 900 Euro wegen Sachbeschädigung zahlen. Doch das will er nicht. Er hält sich für unschuldig.

„Der Transporter kam angerast, hat mich angefahren“, behauptet er. Er habe eine „Abwehrhaltung“ eingenommen und den Fuß gehoben, um den Stoß zu mindern, will er der Richterin weismachen. „Ich habe das Auto instinktiv abgewehrt, damit es mich nicht umfährt“, sagt er. Wieso er denn nicht einfach weggegangen sei, will die Richterin wissen. Er habe das Auto ja nicht kommen sehen, sondern mit dem Rücken dazu gestanden. Und woher weiß er dann, dass es mit hoher Geschwindigkeit ankam? „Das habe ich am Geräusch erkannt.“ Seine Geschichte ist nicht nur abenteuerlich, wie Staatsanwältin Yvonne Birke feststellt, sondern widerspricht jeglicher Logik und physikalischen Gesetzen und auch den Zeugenaussagen.

Richterin Ute Wehner deutet an, dass sie den Weinböhlaer verurteilen wird. Bei den 30 Tagessätzen wie im Strafbefehl angegeben, würde es zwar wohl bleiben, doch die Tagessatzhöhe, die von der Staatsanwaltschaft nur geschätzt wurde, würde jetzt den tatsächlichen Einkommensverhältnissen angepasst und sich auf 60 Euro und damit insgesamt auf eine Geldstrafe von 1 800 Euro verdoppeln.

Die Staatsanwältin ist bereit, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen. Dazu freilich müsste der Angeklagte ein Geständnis ablegen. Doch genau damit tun er und sein Anwalt sich schwer. Der Verteidiger möchte den Einspruch zurückziehen, doch dazu ist die Staatsanwältin jetzt nicht mehr bereit. Sie und die Richterin wollen ein Geständnis. Mit Engelszungen reden beide auf den Angeklagten ein, wollen ihn regelrecht zum Jagen tragen. Der versteht nun gar nichts mehr. Vor allem aber kann er wohl nicht begreifen, dass der Vorschlag, den Gericht und Staatsanwaltschaft machen, offenbar besser für ihn ist als das, was sein Verteidiger vorhat. Der hatte wohl mit Freispruch gerechnet.

So etwas wie ein Geständnis

Die Richterin baut ihm eine goldene Brücke. Auch sein Anwalt könne ja eine Erklärung für ihn abgeben. Der macht das, doch ein Geständnis ist das nicht. Wieder ein langes Hin und Her. Schließlich ringt sich der Weinböhlaer doch noch zu so etwas Ähnlichem wie einem Geständnis durch. „Ich gebe den Fußtritt zu, wenn das für mich die günstigste Variante ist“, sagt er. Mit viel gutem Willen lässt die Richterin das als Geständnis durchgehen. Das Verfahren wird wegen geringer Schuld gegen eine Geldauflage von 900 Euro eingestellt, die an den Meißner Verein Schmales Haus gehen. Billiger wird es für den Angeklagten also nicht, im Gegenteil: Er muss nun auch noch seinen Anwalt bezahlen.