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Wut an Dresdens lautesten Straßen

Quietschende Reifen, bremsende Autos, Hupen und Klingeln – fast 40 000 Dresdner leiden unter Verkehrslärm. Dabei sind einige der betroffenen Verbindungen bereits umgebaut.

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© Christian Juppe

Von Kay Haufe

Quietschende Reifen, bremsende Autos, Hupen und Klingeln – diese Dauergeräusche hat Karla Wolf vor der Haustür. Rollt die Straßenbahn vorbei, zittern die Fußböden. Doch damit nicht genug: Hinter ihrer Gartenmauer schlagen Autotüren und parken Kunden des Discounters Aldi montags bis samstags von 8 bis 20 Uhr ein und aus. Karla Wolf wohnt an der Bautzner Landstraße, zwischen Ullersdorfer Platz und Grundstraße. Rund 30 200 Fahrzeuge kommen täglich an ihrem denkmalgeschützten Haus vorbei, darunter 1 200 Lkw. Der dort gemessene Lärmpegel gehört zu den höchsten in Dresden und liegt tagsüber zwischen 75 und 80 Dezibel. Auch nachts sinkt er nur auf Werte zwischen 65 und 70 Dezibel. „Daran gewöhne ich mich nie“, sagt sie. Drei Herzinfarkte hat die 65-Jährige hinter sich, der Blutdruck ist permanent hoch.

Mit dem Problem ist die Bühlauerin nicht allein. Fast 40 000 Dresdner wohnen an Straßen, deren Lärmpegel über 65 Dezibel liegt. Mehr als 55 Dezibel nachts und 65 Dezibel am Tag können gesundheitliche Folgen haben. Das Risiko von Herzinfarkt, Schlaganfall oder Depressionen steigt deutlich. Nachgewiesen wurden Änderungen in Stoffwechsel und Hormonhaushalt, eine Änderung der Gehirnstromaktivität, aber auch schlechter Schlaf, Stresssymptome und hoher Blutdruck.

Dresdens acht lauteste Straßen verlaufen quer durch das gesamte Stadtgebiet. Vor allem holpriges Groß- und Kleinpflaster verursacht dort hohe Abrollgeräusche, aber auch Betonplatten im Gleisbereich. An einigen hat die Stadt deshalb nachts oder auch tagsüber Tempo 30 angeordnet, denn mit sinkender Geschwindigkeit geht auch der Lärmpegel runter. Doch wichtig wäre für die Anwohner, dass sie kurzfristig saniert werden. Und tatsächlich sind für alle betroffenen Straßen Planungen in Arbeit, wie Till Käbsch, der persönliche Referent von Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne), sagt. Beste Chancen hat die Gerokstraße, die nach Auskunft des Straßen- und Tiefbauamtes schon am Jahresende neuen Belag haben könnte. Für die Königsbrücker Straße und die Stauffenbergallee ist ein Baubeginn für 2019 vorgesehen. Parallel klappt das aber nicht, deshalb muss die Stauffenbergallee warten. Doch wann an den anderen etwas passiert, kann Käbsch nicht sagen. Rund 100 Millionen Euro wären nötig, um alle Dresdner Straßen zu erneuern. Und diese Summe wird weiter wachsen, weil davon nur ein Bruchteil im Haushalt vorgesehen ist.

Hier versteht der Dresdner sein eigenes Wort nicht

Auf den aufgelisteten Straßen herrscht ein Tag-Lärmpegel von 75 bis 80 Dezibel. Aufgeführt ist das Jahr, seit wann sie auffällig sind und die Hauptlärmquelle. Die Daten stammen aus dem Masterplan Lärmminderung.

Stauffenbergallee zwischen Königsbrücker und Radeburger Straße seit 2009, Kfz-Lärm

Loschwitzer Straße zwischen Schubert- und Berggartenstraße seit 2014, Kfz-Lärm

Gerokstraße zwischen Güntz- und Arnoldstraße seit 2014, Kfz-Lärm

Bischofsweg zwischen Förstereistraße und Bischofsplatz seit 1998, Kfz- und Bahnlärm

Warthaer Straße zwischen Hamburger und Roquettestraße seit 2014, Kfz- und Bahnlärm

Königsbrücker Straße zwischen Albertplatz und Stauffenbergallee seit 1998, Kfz- und Bahnlärm

Hamburger Straße zwischen Weißeritzbrücke und Cossebauder Straße seit 1998, Kfz-Lärm

Rudolf-Renner-Straße zwischen Lübecker und Kesselsdorfer Straße seit 2002, Bahnlärm

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Doch es wäre ein Trugschluss, anzunehmen, dass Lärm auf gerade frisch ausgebauten Straßen verschwindet. Bestes Beispiel ist die Ostmagistrale vom Fetscherplatz bis nach Tolkewitz, die seit 2013 erneuert wurde. Die rund 20 000 Fahrzeuge, die auf der Borsbergstraße im Abschnitt zwischen Haydn- und Fetscherstraße fahren, erzeugen immer noch Werte von bis zu 75 Dezibel. Auch auf der Grundstraße, die schon seit 1998/99 neuen Asphalt hat, werden bis zu 65 Dezibel gemessen, weil sie stark frequentiert ist. Gleiches gilt für die Maxim-Gorki- und die Schneebergstraße. Baulich habe man bereits alles versucht, mehr gehe nicht, schätzt die Stadt ein. Beim Körnerplatz, der Bautzener Landstraße zwischen Collenbuschstraße und Rißweg, der Radeburger und der Teplitzer Straße zwischen Caspar-David-Friedrich- und Mockritzer Straße halfen Schallschutzfenster, dass die Anwohner besser schlafen können. 2007/08 gab es dafür ein Programm.

Doch bestimmte Arbeiten sichern den Bewohnern sofortige Lärmminderung. Wie an der Österreicher Straße zwischen Salzburger und Leubener Straße, wo Betonplatten im Gleisbereich durch Asphalt ersetzt wurden. Oder auf der Schillerstraße, die 1998 und 2002 noch zu den lautesten der Stadt gehörte. Nachdem dort Pflaster durch Asphalt ersetzt wurde, sanken die Werte drastisch. Für besonders belastete Stadtteile, wie Äußere und Innere Neustadt, entwickelt die Stadt derzeit Lärmaktionspläne und arbeitet mit den Verkehrsbetrieben zusammen.

Karla Wolf möchte trotz des Lärms nicht aus Bühlau wegziehen. Das Haus aus dem Jahr 1680 gehörte der Familie ihres Mannes. Als er starb, versprach sie ihm, es zu behalten. „Beim Bau stand es mitten im Wald. Statt Vogelgezwitscher und Blätterrascheln hören wir heute nur Verkehrslärm.“