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Wurde die Feuerwehr behindert?

Die Debatte um die Ereignisse in der Brandnacht am Bautzener Husarenhof reißt nicht ab. Jetzt reden die Einsatzkräfte.

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© Christian Essler

Sebastian Kositz

Bautzen. Eine Woche nach dem Brand in der geplanten Asylunterkunft im Husarenhof beschäftigt die Tat weiter die Ermittler. Die Generalstaats- anwaltschaft in Dresden hat den Fall inzwischen an sich gezogen. Sie geht aufgrund der Spuren am Tatort von Brandstiftung aus, konkrete Tatverdächtige gibt es aber noch nicht. Juristische Konsequenzen drohen überdies etlichen Gaffern, die den Brand bejubelten und mit abfälligen Rufen kommentierten. Mehrere Augenzeugen berichten von Rufen wie „Gebt euch keine Mühe“, „Lasst es brennen“, „Wir sind das Volk“ und „Wir wollen keine Asylantenheime.“ Die Polizei nahm die Personalien mehrerer Personen auf.

Darüber hinaus hat die Görlitzer Staatsanwaltschaft gegen zwei junge Männer Verfahren eingeleitet. Auch dieser Vorgang liegt jetzt an höchster Stelle in Dresden. Die beiden Männer sollen laut Polizei die Löscharbeiten massiv behindert haben. Hierzu gibt es allerdings widersprüchliche Aussagen von Augenzeugen. Die SZ hat mit dem Bautzener Feuerwehrmann Paul Stübner, der in der Nacht vor Ort war, und dem Chef der Feuerwehr, Markus Bergander, über den Einsatz gesprochen.

Herr Stübner, als der Notruf einging und Sie hörten, dass der Husarenhof brennt – hatten Sie da schon eine Ahnung, dass nur Stunden später ganz Deutschland über Bautzen spricht?

Der Einsatz im Überblick

3.35 Uhr: Alarmierung der Feuerwehr

3.41 Uhr: Die Berufsfeuerwehr trifft am Käthe-Kollwitz-Platz mit zwei Fahrzeugen ein, der Dachstuhl brennt in voller Ausdehnung, dichter Qualm behindert die Sicht, böiger Wind erschwert die Löscharbeiten. Zu diesem Zeitpunkt sind noch keine Schaulustigen vor Ort. Die Polizei sperrt das Einsatzgebiet ab.

3.46 Uhr: Die Feuerwehren aus Bautzen-Mitte und Wilthen werden nachalarmiert.

4.05 Uhr: Etwa 20-30 Schaulustige befinden sich im Kreuzungsbereich Käthe-Kollwitz-Straße sowie der Schlachthofstraße, darunter Anwohner und angereiste Schaulustige. Es kommt nach Augenzeugenberichten zu Beifallsbekundungen, asylfeindliche Parolen fallen.

4.07 Uhr: Die Drehleiter der Feuerwehr Bischofswerda wird angefordert.

4.10 Uhr: Die Feuerwehr Wilthen trifft mit einem Hubsteiger und einem Löschfahrzeug ein. Der Einsatzleiter teilt die Einsatzkräfte in drei Abschnitte ein: 1.) Löschangriff Käthe-Kollwitz-Straße; 2.) Löschangriff Schlachthofstraße (Rückseite Hotel); 3.) Löschangriff Bereich Einkaufszentrum „Husarenhof“.

4.33 Uhr: Ein weiteres Löschfahrzeug der Berufsfeuerwehr wird zum Einsatz nachgeholt, um einen Teil des Gebäudes zu schützen, in dem auch zwei Arztpraxen untergebracht sind.

5.01 Uhr: Der Brand ist unter Kontrolle. Die Türen zum Hotel werden für den Innenangriff gewaltsam geöffnet. Es folgen gezielte Nachlöscharbeiten im Objekt.

Quelle: Feuerwehr Bautzen/Stadtverwaltung Bautzen

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Paul Stübner: Nein. In diesem Moment habe ich daran überhaupt nicht gedacht.

In Bautzen wird seit Wochen über die geplante Asylunterkunft diskutiert. Sie wussten aber sofort, was da brennt ...

Paul Stübner: Ja, das war mir durchaus bewusst. Für uns als Feuerwehr ist das in diesem Moment jedoch zweitrangig. Wir müssen konzentriert und professionell unseren Job erledigen. Nach den ersten Informationen von der Einsatzleitung wurde mir nur eines sehr schnell klar: Hier werden wir auf jeden Fall eine Weile beschäftigt sein.

Welches Bild bot sich Ihnen, als Sie am Husarenhof eintrafen?

Paul Stübner: Gesehen haben wir zunächst gar nichts. Die ganze Straße war verqualmt. Nicht einmal die Flammen selbst waren zu sehen, so viel Qualm war da. Erst als wir weiter heranfuhren, erkannten wir, dass der komplette Dachstuhl brannte.

Debattiert wird vor allem über die Szenen im Umfeld des Brandes. Von Behinderungen der Löscharbeiten und applaudierenden Gaffern ist die Rede. Wie haben Sie das erlebt?

Paul Stübner: Ich persönlich habe davon gar nichts wahrgenommen. Ich habe niemand grölen gehört und war stattdessen mit dem Einsatz beschäftigt. Ich weiß aber davon, dass im Bereich des Käthe-Kollwitz-Platzes eine Person in die Einsatzstelle hineingelaufen ist, um den sich dann aber die Polizei gekümmert hat. Nach meinem Wissen gab es keinen weiteren direkten Störungen der Löscharbeiten.

Augenzeugen und Polizei berichten auch von asylfeindlichen Rufen. Herr Bergander, können das ihre Feuerwehrleute so bestätigen?

Markus Bergander: In dieser Situation sind natürlich alle auf das Einsatzgeschehen konzentriert. Da interessiert sich keiner für das, was weiter ringsherum geschieht. Jeder ist mit seiner Aufgabe voll eingebunden. Deshalb hat keiner etwas von alledem mitbekommen. Uns ist das erst später von mehreren Seiten so berichtet worden.

Die Polizei spricht aber auch von massiven Behinderungen der Löscharbeiten. Das muss man doch mitbekommen ...

Markus Bergander: Das ist eine Frage der Formulierung. Es gilt eben auch als Behinderung, wenn Leute in die Einsatzstellen hineinlaufen. Wir hatten die beschriebene Situation am Käthe-Kollwitz-Platz und später den durch die Polizei berichteten Vorfall auf dem Edeka-Parkplatz ...

... bei dem die Beamten sogar zwei betrunkene Männer in Gewahrsam nahm und gegen die jetzt ermittelt wird ...

Paul Stübner: Die Männer wollten in die Einsatzstelle hineinlaufen. Ein Kamerad aus Niederkaina hat sie dann zurückgerufen, damit sie sich nicht in Gefahr bringen. Dem waren sie nicht nachgekommen. Auch die Polizei war vor Ort und hat dann mit eingegriffen. Eine direkte Behinderung der Löscharbeiten gab es so nicht. Uns hat keiner den Schlauch weggezogen.

Auch wenn die Feuerwehrleute vor Ort nichts bemerkt haben – Was denken Sie über Menschen, die bei einem solchem Brand auch noch applaudieren?

Markus Bergander: Das ist in keiner Weise hinnehmbar, dass Menschen bei einem Schadensereignis applaudieren – ganz unabhängig vom Hintergrund. Für die Betroffenen ist es ein Schaden, für uns viel Arbeit und für die Einsatzkräfte zudem immer eine Selbstgefährdung. Deshalb kann ich es überhaupt nicht verstehen, dass dann auch noch geklatscht wird.