Merken

Wolodjas Geheimnis

Spuren. In Dresden erinnern sich noch einige Menschen an den einstigen KGB-Offizier Putin.

Teilen
Folgen

Wenn der Dresdner Schweißer Bernd Naumann vom russischen Präsidenten Wladimir Putin erzählt, nennt er ihn manchmal beim Kosenamen: Wolodja. Oder er spricht im Dialekt vom „kleenen Putin“. Der Sachse überragt das Staatsoberhaupt um mindestens einen Kopf. Dennoch sind sich beide vor 20 Jahren in Dresden auf Augenhöhe begegnet.

Ruhig und gut gekleidet

„Offiziell sind wir per Sie, wenn wir uns sehen, duzen wir uns“, sagt der 61-Jährige. Schreiben aus dem Kreml sind an Gospodin (Herrn) Naumann gerichtet. Der hofft beim Petersburger Dialog am 10. Oktober in Dresden auf ein Wiedersehen.

Naumann lernte Putin 1986 kennen, im Jahr nach dessen Ankunft in der Elbestadt. Eines Tages habe der Wladimir mit anderen Russen auf dem Hof der Schweißerei im Industriegelände gestanden. Dass Putin ein Mann des Geheimdienstes KGB war, wusste Naumann damals nicht. Sein Wissen beschränkte sich auf Äußerlichkeiten: „Ein unauffälliger Mensch, sehr ruhig, immer gut gekleidet, der hat sich jedes Wort überlegt“, beschreibt der heutige Invalidenrentner den Ex-Agenten. „Ich habe ihn nie richtig lachen sehen, nur lächeln.“

Über Putins Dresdner Jahre von Mitte 1985 bis Anfang 1990 gibt es viele Spekulationen. Er selbst hat – ganz in Geheimdienstmanier – so gut wie nie über seine dunkle Vergangenheit gesprochen. In den Archiven findet sich allerdings ein Interview, das Putin wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl gegeben hat. Er habe im Herbst 1989 die Dresdner KGB-Zentrale in der Angelikastraße allein gegen eine wütende Menge verteidigen müssen. „Niemand machte einen Finger krumm, um uns zu schützen, also mussten wir unsere Entschlossenheit demonstrieren.“

Spionagering geplatzt

Ein Zeitzeuge hat der SZ vor sechs Jahren die Begebenheit bestätigt. Putin habe aufgebrachte Dresdner davon abhalten müssen, das Gelände des sowjetischen Geheimdienstes zu stürmen. Als einige von ihnen die Russen beschimpften, lud ein Soldat seine Kalaschnikow durch. Dann war Ruhe, schilderte der Ex-Stasioffizier im Jahr 2000 den Vorfall. Er sei mit Putin ab 1985 befreundet gewesen und habe ihn oft in dessen Plattenbauwohnung in der Radeberger Straße 101 besucht. In dem Haus wohnten damals ausschließlich Geheimdienstleute. Putins Aufgabe sei es damals gewesen, Agenten zu führen, die in Richtung Westdeutschland und USA arbeiteten. Die Stasi-Unterlagenbehörde bestätigte vor fünf Jahren, dass Putin 1990 versuchte, einstige MfS-Leute in den KGB zu überführen. Der geplante Spionagering sei jedoch aufgeflogen.

Angeln in Moritzburg

Der Schweißer Naumann verlor Putin zur Wende aus den Augen – bis er ihn 1999 als Nachfolger von Präsident Boris Jelzin im Fernsehen wiedersah.

Naumann wurde die Freundschaft zu den Russen quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater Fritz Naumann war kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges einem Todesurteil der SS entkommen und hatte im Mai 1945 mit den Sowjets eine Firma gegründet. Sein Sohn Bernd war da gerade zwei Tage alt. Die Spezialschweißerei der Naumanns arbeitete viel für die sowjetischen Militärs.

Abseits vom Geschäftlichen bedankten sich die Sowjets mit Geschenken und Privilegien. Naumann erhielt einen Ausweis und durfte im gut bestückten Russen-Kaufhaus ein- und ausgehen. Dort hat er auch die Putins samt Töchtern beim Einkauf gesehen. „Ihre Wohnung war sehr gut eingerichtet, wie eine deutsche Wohnung“, lobt er. Der Hausherr selbst sei pedantisch gewesen, aber immer die Höflichkeit in Person. „Auch beim Angeln in Moritzburg habe ich Putin manchmal getroffen.“

Regelmäßiger Kontakt

Den angeblich großen Bierdurst des KGB-Mannes hält Naumann für Verleumdung: „Er war beim Alkohol sehr zurückhaltend, hat höchstens mal ein Bier getrunken und ging dann in die Gaststätte ,Am Thor‘.“ Gastwirt Joachim Loch schweigt eisern und spricht von Diskretion. Er sei ein „angenehmer Gast gewesen, mehr nicht“. Loch widerstand der Versuchung, aus Putins Anwesenheit Kapital zu schlagen.

Mehr private Spuren Putins lassen sich in Dresden kaum finden. Anfang 1990 brach er seine Zelte hier ab, ein Wolga ging mit auf die Rückreise. Als er 2001 zum Staatsbesuch nach Dresden zurückkehrte, traf Naumann ihn wieder. Seither gebe es einen regelmäßigen Kontakt, behauptet er, schweigt aber über Details. „Ich möchte diese Freundschaft nicht aufs Spiel setzen.“ (dpa/SZ/lot)