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Wolf reißt Schaf in Ebersbach

Das getötete Tier weidete auf einer Wiese. Der darum befindliche Elektrozaun bot offenbar keinen Schutz.

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© Kristin Richter

Von Catharina Karlshaus

Ebersbach. Richard Schulze kann es immer noch nicht fassen. Kurz nach um acht ist es an diesem Dienstagmorgen, als der 25-Jährige von seinem Nachbarn angerufen wird. Seine Schafe würden unruhig auf der Wiese hinterm Haus herumlaufen und auf dem angrenzenden Feld liege etwas, das ausschaue wie ein toter Tierkörper. Der junge Mann, der bei der Agrargenossenschaft Ebersbach arbeitet, macht sich sofort auf den Weg. Zwar kümmert sich Opa Johannes um die Schafe, die er gewissermaßen als Hobby zum Eigenbedarf züchtet. Aber sollten sie ausgebrochen sein, will er dem 85-Jährigen lieber unter die Arme greifen. Nach wenigen Minuten erreicht er den elterlichen Dreiseitenhof und traut seinen Augen kaum.

Dieses Bild zeigt das Trittsiegel des Tieres.
Dieses Bild zeigt das Trittsiegel des Tieres. © Kristin Richter

Der 90 Zentimeter hohe Elektrozaun ist im vorderen Bereich niedergedrückt worden. Seine Schützlinge stehen ängstlich zusammen auf der Wiese davor. Allerdings: Statt der sieben Schafe, die Richard Schulze noch am Montagabend mit Futter versorgt hat, sind es nur noch sechs. Der junge Mann muss nicht lange suchen. Die Spur ist eindeutig und führt direkt auf das angrenzende Feld hinter dem Grundstück. Fellreste, Pansen, die Leber, Eingeweide und schließlich das tote Tier selbst – oder das, was noch von ihm übriggeblieben ist. Dass dies die Handschrift des Wolfes ist, darin ist sich Familie Schulze sofort einig. Um Ruhe bemüht, tun sie das, was sie glauben, in dieser Situation tun zu müssen. Nacheinander ruft Richard Schulze die Polizei, den zuständigen Jäger, das Umweltamt des Landratsamtes Meißen und schließlich seinen Arbeitgeber an. „Ich habe erstmal darum gebeten, heute freinehmen zu dürfen. Schließlich muss ich mich um alles kümmern, und mit einem Wolf hat man ja nicht alle Tage zu tun“, sagt Richard Schulze. Der Landwirt ist um Fassung bemüht und möchte jetzt nur noch Gewissheit.

Kurz vor 14 Uhr ist es dann endlich soweit. Zwei Männer entsteigen dem Auto, einer von ihnen ist Torsten Peters, Wolfsbeauftragter des Landkreises Meißen, selbst. „Berührt und angefasst haben Sie nichts? Dann legen wir los“, sagt Peters und tut ohne Umschweife das, was er in solchen Fällen professionell immer tut. Dass es sich bei dem getöteten Tier um ein drei Jahre altes, tragendes Mutterschaf handelt, nimmt er ebenso zu Protokoll wie die Angaben zum Fundort, der Einzäunung und den sonstigen Gegebenheiten.

Dass Strom auf dem Zaun gewesen ist, sei schon mal gut, und auch an der Höhe gebe es nichts zu meckern. „Trotzdem ist unser Schaf jetzt tot“, gibt Johannes Schulze zu bedenken und schüttelt den Kopf. Gedanken, die Torsten Peters durchaus verstehen kann. Nein, er verstehe die Landwirte sehr gut. Sie haben in der vergangenen Nacht ihr Tier eingebüßt. Möglicherweise durch den Wolf, der die Schafe vielleicht so in Panik versetzt, sie in eine Ecke getrieben hat, dass der Zaun irgendwann nach vorn kippte und er leichtes Spiel hatte. Vermutungen und Spekulationen. Torsten Peters ist Profi genug, um sich nicht daran zu beteiligen.

Zielsicher macht er gemeinsam mit seinem Kollegen seine Arbeit. Das bedeutet zehn Minuten später: Tatortbesichtigung. Die Gier dessen, der hier Fell, Innereien und den abgenagten Körper nebst abgetrennten Kopf zurückgelassen hat, spricht ihre eigene Sprache. Und die ist eindeutig: „Selbstverständlich treffe ich hier noch kein abschließendes Urteil. Aber es spricht alles für einen Wolf“, sagt Torsten Peters. All jenes, was gefressen wurde und was eben nicht. Nicht zu vergessen, die Spuren in der regenfeuchte Erde. Mit acht Zentimetern weißt das sogenannte Trittsiegel geradezu Gardemaße für die Vorderpfote eines Wolfes auf.

Auch wenn der Fachmann seinen Bericht noch schreiben muss, drum herum reden muss man nicht. Das Schaf von Familie Schulze wurde von einem Wolf gerissen. Woher dieser gekommen ist, könnte eine Genprobe am Kadaver erbringen, um die sich Torsten Peters mit geübtem Handschuh-Griff bemüht. Immerhin sind einzelne Rudel – etwa das in Königsbrück – erfasst worden. Ob das Tier in den folgenden Nächten wieder um die Häuser in Ebersbach schleicht, kann auch der Experte nicht sagen. Jedoch ist sein Ratschlag eindeutig: „In den nächsten 14 Tagen die Tiere nachts reinnehmen. Der Wolf hat hier wie in einem Restaurant gute Erfahrungen gemacht und wird wieder vorbeischauen!“