Merken

Wolf reißt mitten in Zescha drei Schafe

Die Besitzer der Tiere sind entsetzt, die Anwohner sauer. Sie fordern, etwas gegen die Ausbreitung des Wolfs zu tun.

Teilen
Folgen
NEU!
© Uwe Soeder

Von Kerstin Fiedler

Die Hunde haben gebellt. Doch Carola Tuschmo denkt sich mitten in der Nacht nichts dabei. „Ich dachte, sie jagen wieder einem Igel nach“, sagt sie. Und bedauert, dass sie die Sprache ihrer Hunde nicht verstanden hat. Gestern Morgen dann sieht sie, was passiert ist. Ihr Sohn sollte nachsehen, ob die Tiere noch genug Wasser haben. Doch dann der schreckliche Anblick: Auf dem Nachbargrundstück liegen zwei tote Schafe und ein weiteres, das nur noch zur Hälfte da ist. Innereien und Wolle sind auf der Fläche verteilt. Vor dem Zaun an der Straße durch Zescha liegen weitere Teile des zerrissenen Schafes. Außerdem sind Spuren zu sehen. „Das ist doch wohl eindeutig eine Wolfsspur“, sind sich die Zeschaer einig.

Sechs Schafe halten sich die Familien Tuschmo, Mauff und Homt hier gemeinsam. Im Mai haben sie sich die Lämmer geholt. In diesem Jahr sind es männliche Schwarzköpfe. Jedes hat damals 70 Euro gekostet. Im November sollten die Tiere geschlachtet werden. Seit vier Jahren füttern die Familien Schafe, die dann zum Weihnachtsbraten werden. Bei Niesendorf halten sie auch ein paar Kühe. Noch nie ist etwas passiert. Auf dem Gelände, das die Familien gepachtet haben, steht auch ein Stall. „Da können sich die Schafe unterstellen, wenn es ihnen zum Beispiel zu nass wird“, sagt Diana Mauff. Sie ist aufgeregt, weil es für sie immer noch unbegreiflich ist, was passierte. Die Besitzer wundern sich, dass zwar die Hunde angeschlagen haben, aber kein Blöken der Schafe zu hören war. Die Zeschaer, die von dem Vorfall etwas mitbekommen haben, fürchten nun, dass der Wolf auch Menschen angreifen könnte. „Mitten im Dorf, das kann ja wohl nicht wahr sein“, sagen sie und fordern, dass etwas gegen die Wölfe getan wird.

Hagen Rothmann ist im Landratsamt Bautzen in der Unteren Naturschutzbehörde tätig und dort für Vorfälle mit dem Wolf zuständig. Er bestätigt gestern Nachmittag, dass es sich um einen Wolfsriss handelt. Auf der Fläche in Zescha werden die toten Tiere begutachtet. Die beiden dort liegenden Schafe sind durch einen Biss in die Kehle getötet worden. Das dritte Tier wurde offenbar gefressen, und ein Teil von ihm in Richtung Caßlau geschleppt. Dort fanden die Zeschaer die Überreste. Ob ein weiteres Tier, das vom Wolf angefallen wurde, überleben wird, stand gestern Abend noch nicht fest. Der Tierarzt sollte es sich noch anschauen. „Ich habe da nicht viel Hoffnung“, sagt Diana Mauff.

Während Rothmann die Schafe untersucht, berichtet er, dass er in der vergangenen Zeit viermal in dieses Gebiet gerufen wurde. Dreimal waren Schafe angepflockt und allein. „Das ist natürlich leichte Beute für den Wolf“, sagt der Wolfsexperte. Und wenn der Wolf so oft Erfolg hat, versucht er es eben wieder in diesem Gebiet. Dass Wölfe lernfähig sind, wissen auch die Mitarbeiter der Wolfsregion Lausitz. „Wölfe können durch wiederholte Erfahrung an unzureichend geschützten Nutztieren lernen, dass diese deutlich einfacher zu erbeuten sind als Rehe, Hirsche oder Wildschweine. Im Ergebnis dieses Lernprozesses kann es dazu kommen, dass Wölfe gezielt versuchen auch geschützte Schafe zu erbeuten“, kann man auf der Internetseite nachlesen.

In Zescha ist die Bevölkerung aufgewühlt. Dass sich der Wolf an der viel befahrenen Neschwitzer Straße zu schaffen macht, ist für sie ein Grund, ein Umdenken zu fordern. „Warum wird der Wolf so geschützt?“, fragen sie.

Hagen Rothmann hat mit seinen Kollegen auch die Zaunhöhe nachgemessen. Schließlich gibt es Festlegungen im Wolfsgebiet, wie Tiere geschützt werden sollen. Im Fall Zescha sind ringsum feste und dichte Zäune und an den Seiten die Mauern der angrenzenden Gebäude als Schutz. Die Tiere können frei herumlaufen. Ob und wie die Zeschaer Schafsbesitzer entschädigt werden, muss noch festgelegt werden. Auf jeden Fall haben die Familien noch viel Arbeit. „Wir müssen ja alles selbst entsorgen. Damit werden wir völlig alleingelassen“, ist Carola Tuschmo sauer. Von dem Schaden ganz zu schweigen. Schätzungsweise doppelt so viel wert wie beim Kauf sind die Schafe jetzt.

Erste Untersuchungen haben ergeben, dass es sich bei dem Wolf um ein Tier aus dem Rosenthaler Rudel handeln könnte. Aber auch das Milkeler Rudel könnte infrage kommen. Denn die Grenzen zwischen den Rudeln sind nicht klar gezogen.