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Wohnzimmerdroge ist auf dem Vormarsch

Crystal ist ein Problem in Görlitz. Eine offene Szene gibt es nicht, das macht die Beratung schwierig.

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© Archivfoto: Nikolai Schmidt

Von Matthias Klaus

Die Zahl der Klienten in den Drogenberatungsstellen im Landkreis steigt. Waren es noch 2013 genau 1 509 Menschen, die sich beraten ließen, so waren es im vergangenen Jahr bereits 1 707. Auf 1 000 Einwohner kommen im Kreis Görlitz statistisch gesehen somit 6,54 Klienten. Sachsenweit sind es 6,73. „Aber es gibt hohe Dunkelziffern in allen Bereichen“, so Steffi Weise, Sachgebietsleiterin im Landratsamt.

Gerade das Thema Crystal ist in Görlitz akut. „Wir haben es hier allerdings nicht mit einer offenen Szene zu tun“, sagt Bruno Priehäußer von der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle in Görlitz. Seit 1993 ist er hier. „Damals war vor allem die als Polski-Kompott bekannte Droge in Mode“, erinnert er sich. In Literflaschen abgefüllt wurde die dann auch schon mal verkauft, aufgeteilt. Heute sind es Konsumenten der Droge Crystal, die zum ihm in die Beratungsstelle kommen. Es sind ganz unterschiedliche Konsumenten, die mit der Droge zu tun haben, sagt Priehäußer. „Es gibt da die Partygänger. Um Durchzufeiern reichen 0,2 bis 0,3 Gramm“, sagt er. Ein Gramm Crystal kostet seinen Erkenntnissen nach etwa 30 Euro, auf dem tschechischen Markt. In Deutschland sind es etwa 50 Euro. „Erschreckend billig“, sagt Bruno Priehäußer. Dabei werde Crystal heute nicht nur von Feierfreudigen genommen. „Die Droge wirkt leistungssteigernd. Um Prüfungen zu bestehen, kommt Crystal zum Einsatz, Schichtarbeiter nehmen die Droge ebenso wie Alleinerziehende. „Crystal ist im Wohnzimmer angekommen“, sagt Bruno Priehäußer. Das mache die Arbeit mit Betroffenen, die Vorbeugung schwierig. Wer Crystal nimmt, sei nicht in einer speziellen Szene. „Es gibt nicht so etwas wie eine organisierte Bewegung“, sagt Priehäußer. Im Bereich Görlitz mit der Außenstelle Löbau wurde das Personal zur Drogenberatung aufgestockt – um eine halbe Stelle. Dies habe Auswirkungen auf die Zahl der betreuten Klienten. Sie stieg.

Die synthetische Droge Crystal, sie war und ist ein Problem im Landkreis Görlitz. Etwa die Hälfte aller Rauschgiftdelikte im vergangenen Jahr im Kreis hatten mit Crystal zu tun. „Dabei wurde die Droge 2014 erstmals überhaupt in der Kriminalstatistik erfasst“, sagt Bernhard Graul vom Referat Kriminalitätsbekämpfung der Polizeidirektion Görlitz. Viele Fälle im Zusammenhang mit Rauschgift werden aufgeklärt, sagt die Statistik. Um die 95 Prozent liegt die Quote. Die meisten Crystal-Konsumenten sind zwischen 21 und 29 Jahren alt. „Über 60-Jährige hatten wir noch nicht“, sagt Graul. Ein Phänomen im Kreis dabei: Trotz sinkender Einwohnerzahl steigt die Zahl derer, die in die Suchtberatungsstellen kommen, egal ob wegen Alkohol, Crystal oder anderen Drogen. Trotz allgemein leichter Rückgänge sei der Rauschgiftkonsum im Landkreis Görlitz weiterhin auf einem hohen Niveau, sagt Graul.

303 Crystal-Abhängige, meldeten sich im vergangenen Jahr in den Beratungsstellen zwischen Weißwasser und Zittau. 2013 waren es noch 283. Die meisten kamen im letzten Jahr aus dem Bereich zwischen Zittau und Neugersdorf: 128. „Aber das muss nichts zu sagen haben. Es gibt auch Klienten, die aus Görlitz nach Zittau fahren, einfach der Anonymität wegen“, sagt Steffi Weise vom Gesundheitsamt des Landkreises. Ein großes Problem sei der Mischkonsum, also die Einnahme von Cannabisprodukten und Crystal. Crystal werde zum Aufputschen genommen, Cannabis um danach wieder herunterzukommen, schildert Bruno Priehäußer. Er arbeitet derzeit an einem neuen Vorhaben: dem Aufbau einer anonymen Jugenddrogenberatung.