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Wohnprojekt droht zu platzen

Der Verkauf eines Hauses am Konkordienplatz war schon fast erledigt. Doch jetzt lässt die Stadt nichts mehr von sich hören.

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© Sven Ellger

Von Sarah Grundmann

Martin Billert wohnt seit 15 Jahren in dem Haus auf dem Konkordienplatz 3. Und er wohnt gerne dort. Mit seinen Nachbarn versteht er sich gut, sie alle leben wie in einer etagenübergreifenden Wohngemeinschaft in acht Appartements. Die Tür zu Billerts Räumen ist immer offen, die Bewohner nennen es die Zentrale. Deswegen traf es auch alle wie der Blitz, als ein Schreiben der Stadt eintrudelte: Die will das Gebäude, das in ihrem Besitz ist, verkaufen. Doch die Hoffnung keimte ein paar Zeilen weiter unten wieder auf. Denn nach einem Stadtratsbeschluss wurde den derzeitigen Bewohnern das Vorkaufsrecht eingeräumt. Die mussten gar nicht lange überlegen. Doch kurz vor der Vertragsunterschrift gab es einen erneuten Rückschlag.

Dabei war eigentlich schon alles komplett durchgeplant. Dass sie das Haus kaufen wollen, war für die Bewohner schnell klar. Deutlich unklarer war hingegen die Frage nach dem Wie. Denn Eigentümer wollten die Pieschener eigentlich nicht werden. Sie stehen alle an unterschiedlichen Punkten im Leben, sind teilweise noch sehr jung. „Da fiel uns die Broschüre vom Mietshäuser-Syndikat in die Hand“, sagt Billert. Ziel dieser Gesellschaft ist es, bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, indem sie sich am Hauskauf beteiligt.

Die Bewohner gründen eine GmbH, von der ihnen der Großteil gehört. In der Regel erwirbt das Syndikat davon 49 Prozent. Am Konkordienplatz ist das die K-Hoch-3 Dresden GmbH. Der Firma gehört das Haus. Die Bewohner selber sind künftig nur Mieter. Wer es sich anders überlegt, kann also jederzeit aus der autonomen Wohngemeinschaft ausziehen. In Dresden gibt es diese alternative Wohnform inzwischen viermal: Die Projekte befinden sich in Pieschen, Mickten, der Friedrichstadt und Leubnitz-Neuostra. Und auch Billert und seine Nachbarn waren von dem Modell sofort überzeugt, konnten es in einem Gespräch schließlich auch der Stadtverwaltung schmackhaft machen. Also ging das Pläneschmieden los:

Eine Sanierung muss dringend erledigt werden, die Stadt hat schon seit Längerem nichts mehr an dem Gebäude gemacht. „Das finden wir auch nicht schlimm“, sagt Billert. So waren die Mieten bislang schon recht niedrig, bei einigen Dingen haben die Bewohner deswegen einfach selbst Hand angelegt. So soll es auch bei der Sanierung sein, dafür wird auch noch Unterstützung gesucht. Um sich nicht in den finanziellen Ruin zu stürzen, wollen die Pieschener allerdings alles Schritt für Schritt machen. Vor allem das Dach hat Priorität. Außerdem sollen die derzeit unbewohnten Räume im Erdgeschoss hergerichtet werden. Eins der beiden Appartements soll dann als neue „Zentrale“ mit Büroräumen genutzt werden, auch offene Werkstätten kann sich der gegründete Hausverein vorstellen. Und für die andere ebenerdige Wohnung ist ebenfalls etwas ganz Spezielles geplant.

Dort wird Billerts Freundin Romy Backhaus einziehen, die derzeit noch in einer Mietwohnung in Pieschen lebt. Soweit ist das noch nichts Besonderes. Doch Backhaus hat schon ganz genaue Pläne, wer ihr künftiger Mitbewohner wird. Ein Flüchtling soll in die vier Wände einziehen. Dazu will der Konkordienplatz-Neuling Kontakt mit Sozialarbeitern aufnehmen. Bis ins kleinste Detail hat K-Hoch-3 sich alles überlegt. Im Dezember vergangenen Jahres stand die Firma sogar schon kurz vor dem Vertragsabschluss. Doch jetzt gibt es ein großes Problem. Denn ganz überraschend hat die Stadt ein neues Gutachten zum Kaufpreis in Auftrag gegeben. Bei einer ersten Untersuchung war der auf 168 000 Euro festgelegt worden. Zusammen mit der Sanierung hätte die K-Hoch-3 Dresden GmbH so insgesamt 500 000 Euro berappen müssen. Geld, das über die Mieten refinanziert werden muss. Doch auch hier hatten die Pieschener sich bereits gekümmert, wollten das Projekt über ein Bank- und mehrere Privatdarlehen finanzieren. „Die Summe könnten wir so auf jeden Fall zusammenbekommen“, sagt Backhaus. Jetzt ist die Sorge groß, dass der Kaufpreis steigt und die Miete am Ende nicht bezahlbar ist.

„Es ist korrekt, dass der Kaufvertrag sehr weit verhandelt war“, sagt Stadtsprecher Karl Schuricht. Da sich aber der Bodenrichtwert erhöht habe, müsse der Verkaufspreis nun noch einmal überprüft werden. „Diese Überprüfung ist noch nicht abgeschlossen. Aussagen zu deren Ergebnis können daher gegenwärtig nicht getroffen werden.“ Im Gegensatz zu anderen deutschen Städten fördert Dresden keine Projekte im Mietshäuser-Syndikat, dies ist derzeit auch nicht geplant. Eine indirekte Förderung gebe es nach Schuricht aber durch den Beschluss des Vorkaufsrechts – so gebe es keinen Preiswettbewerb.