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Wohnmobil auf Russisch

Die Zwillinge Jens und Uwe Möller haben ein Faible für Militärfahrzeuge. In einem reisen sie durch Europa.

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© Christian Juppe

Von Vincent Koch

Seine Reifen sind so groß wie ein fünfjähriges Kind. Auch sonst ist alles überdimensional am russischen Militärfahrzeug Ural-4320, Baujahr 1985. Der Laster ist Jens und Uwe Möllers größter Stolz. Die 43-jährigen Zwillingsbrüder führen eine Autowerkstatt in Sporbitz und basteln in ihrer Freizeit an militärhistorischen Fahrzeugen.

Angefangen hat alles mit einem Trabant-Kübel. Mittlerweile stehen 15 dieser außergewöhnlichen Fahrzeuge in ihrer Garage, darunter ein UAZ 469 B, ein Sachsenring P3, ein Gaz 66, und wie sie alle heißen. Stundenlang schrauben Jens und Uwe Möller daran herum, tauschen Teile aus, wechseln Öl. Manche der Oldies müssen sie noch aufarbeiten, andere sind schon repariert. Der Ural-4320 ist dabei ein echtes Möller-Unikat. Er stammt aus Russland und wurde früher als mobile Schweißwerkstatt genutzt. Die Brüder haben ihn 2007 für 7 000 Euro bei einem Bekannten in Bonn gekauft. Inzwischen ist der Ural längst nicht mehr das, was er mal war. Neben dringend nötigen Reparaturen, wie Motor- und Bremsenwechsel, bauten die zwei auch Betten in den Kofferaufbau – ein Wohnmobil der besonderen Art ist so entstanden. Mit diesem fahrbaren Schlafzimmer reisten sie schon oft quer durch Deutschland, aber auch nach Frankreich, Polen, Belgien, Österreich, in die Schweiz und nach England.

Dort findet jedes Jahr die „War and Peace Show“ statt, eine mehrtägige Veranstaltung mit rund 500 Teilnehmern, tituliert als die größte Militärfahrzeugsammlershow der Welt. Schon zweimal waren die Zwillinge ein Teil davon. „Das ist sehr gut organisiert und macht Spaß“, sagt Jens Möller. Mindestens einmal im Monat tuckern sie mit den Kolossen auch zu anderen Oldtimer-Treffen und Wettbewerben, um Kontakte zu knüpfen, ihre Gefährte zu präsentieren und sich beim Kaffee über die Technik zu unterhalten. Vorher werden die Fahrzeuge herausgeputzt. Der Aufwand lohnt sich. Diverse Pokale haben sich über die Jahre im Schrank der Möllers angesammelt. Der Ural gewann 2009 beim Oldtimer-Treffen in Strahwalde den Preis „Bestes Fahrzeug“ in der Kategorie Sonderfahrzeuge. „Viele verbinden Militärfahrzeuge mit dem Krieg. Dabei wissen sie nicht, was für eine interessante Technik dahintersteckt“, sagt Uwe Möller. Allein der Ural weist einige bemerkenswerte technische Details auf. Eine Vorwärmanlage, Allradantrieb und die Reifendruckregelanlage, die den Druck bei Regen minimiert – so etwas hat wohl nicht jedes Auto.

Bei Regen, Schnee und Schlamm ist der Ural-4320 deswegen ein praktisches Fahrzeug. „Er ist für weite Strecken wegen des geringen Kraftstoffverbrauchs sehr wirtschaftlich“, sagt Uwe Möller. Allerdings nicht im Alltag. Mit 07-Kennzeichen und besonderem Fahrzeugschein darf nur an bestimmten Tagen gefahren werden.

Zum Einsatz kam der bullige Russe bei den Hochwassern in den vergangenen Jahren. Zur Juniflut 2013 mussten Uwe und Jens einen ihrer Kollegen abholen, dessen Wohnort von Wasser umgeben war. Dennoch wartete er an einer Bushaltestelle. Eine Frau muss wohl ziemlich perplex zu ihm gesagt haben: „Da kommt heute ganz gewiss kein Bus.“ Der Mitarbeiter entgegnete: „Da kommt mein Bus“ und zeigte auf Uwe und Jens, die in diesem Moment angefahren kamen. Der Allrad-Lkw kann nämlich bis zu 1,50 Metern Tiefe durchs Wasser rollen. Über die Anekdote lachen die Brüder und ihre Kollegen noch heute.

Die Möller-Zwillinge können stundenlang über Autos reden. Als gelernte Kfz-Mechaniker haben sie sich viele Dinge über die Militärfahrzeuge selbst angeeignet. Auch Ersatzteile sind heute keine Hürde mehr. Durch ihre vielen Kontakte zu anderen Autoliebhabern fand sich bislang immer ein gesuchtes Teil. Warum bloß haben sie sich überhaupt die ganzen Militärfahrzeuge angeschafft? „Wir wollen noch etwas von der damaligen Technik erhalten. Die ist nämlich einzigartig.“ So wie der Ural-4320. In Deutschland gibt es nach ihren Schätzungen nur noch 50 Stück davon.