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Wohnen im Alter auf 48 Quadratmetern

Die WG Fortschritt hat eine typische Zweiraumwohnung für Senioren aufgerüstet. Wichtig ist vor allem Platz.

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© André Braun

Von Jens Hoyer

Döbeln. Im Alter wird es nicht besser mit den Ohren, aber Lisa verschafft sich Gehör. Sie tönt laut im Flur und piept rhythmisch im Schlafzimmer. Und im Wohnzimmer blitzt es unübersehbar in der Fensterlaibung. Lisa – so heißt die akustische und optische Klingel – ist eine der Besonderheiten in der neuen Projektwohnung der Wohnungsgenossenschaft Fortschritt.

Nadine Böhme steht im Bad mit geräumiger Dusche.
Nadine Böhme steht im Bad mit geräumiger Dusche. © André Braun

Im Haus Käthe-Kollwitz-Straße 17 in Döbeln Ost I ist eine der typischen Zweiraumwohnungen seniorengerecht ausgebaut worden: 48 Quadratmeter im Erdgeschoss wurden auf die Bedürfnisse älterer Leute ausgerichtet und mit nützlichen Helferchen versehen. Im Auftrag der Spitzenverbände der Gesetzlichen Krankenversicherungen wird das Ganze wissenschaftlich begleitet. „Wir haben mit Pflegediensten und Mieter gesprochen, wie sich Pflegebedürftigkeit auf Wohnungen auswirken könnte“, sagte Philine Meyreiß von der Firma ATB Chemnitz.

Wand raus, Wohnküche rein

Eine der Erkenntnisse: Pflege braucht Platz. Die Wohnungsgenossenschaft hat in der Projektwohnung versucht, aus wenig mehr Platz zu machen. Die Türen wurden so verbreitert, dass ein Bewohner mit Rollator samt Begleitperson hindurchpassen. Aus einem kleinen Wohnzimmer und einer kleinen Küche wurde eine „Wohnküche“. Katja Näther von der WG-Fortschritt nennt sie einen „Kommunikationsort“. „Wenn Lieschen den halben Tag in der Küche steht und Franz alleine im Wohnzimmer sitzt, dann bricht die Kommunikation zusammen.“

Wohnzimmer und Küche in einem Raum – das mag nicht jeder, wie auch WG-Vorstand Stefan Viehrig zugibt. „Man muss sich auf diese Philosophie einlassen“. Sein Kollege Bernd Wetzig ergänzt: „Das ist auch eine Sicherheitsfrage. Manchmal setzen die Mieter Essen auf den Herd und lassen sich ablenken, wenn es klingelt.“

Alle Fußböden in der Wohnung sind mit rutschfesten Belägen ausgestattet. Es gibt beleuchtete Lichtschalter und hochgesetzte Steckdosen. Für Sicherheit sorgen ein Hausnotruf und Rauchmelder. Das Licht im Flur geht von selbst an und wenn es klingelt, sieht der Bewohner auf einem kleinen Bildschirm, wer draußen steht. Selbst die Farben in der Wohnung sind auf das Alter abgestimmt. Der Clou: Wenn der Mieter von außen seine Wohnungstür abschließt, werden Strom und Wasser abgeschaltet.

Bad ist auf Pflege ausgerichtet.

Platz hat die Genossenschaft auch im engen Bad geschaffen. Statt einer Wanne gibt mitten im Raum eine Dusche, abgetrennt durch zwei Vorhänge. „Die Vorhänge lassen sich waschen und sind am hygienischsten“, sagte Katja Näther. Die Dusche von 1,50 Meter Seitenlänge ist ebenerdig und es wird in ihr auch mit einer Pflegeperson nicht zu eng. Die Toilette ist höher gesetzt und der Spiegel ist zugleich eine Infrarotheizung, weil sich der Heizkörper am anderen Ende des Raumes befindet.

Vor zwei Jahren hatte die Genossenschaft schon einmal zwei Wohnungen seniorengerecht ausrüsten lassen – aber mit ganz anderer Ausrichtung. „Da haben wir gezeigt, was technisch möglich ist“, sagte Vorstand Bernd Wetzig. In der Praxis sei das aber schon wegen der Kosten nicht im großen Stil umzusetzen. Die neue Musterwohnung orientiert sich an der Wirklichkeit: „Das kann man jetzt vervielfältigen“, sagte Stefan Viehrig. Auch die Kosten halten sich im Rahmen. Maximal 6,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter soll sie kosten. Das sind etwa 440 Euro warm.

Der Wohnblock, in dem sich die Projektwohnung befindet, lässt die Genossenschaft in den nächsten zwei Jahren energetisch sanieren. „Dann wird auch noch ein Balkon angebaut“, sagte Bernd Wetzig. Dann sei es auch möglich, eine Hebebühne für Rollstuhlfahrer einzubauen.