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Wohin steuert Bombardier?

Das Unternehmen will in Bautzen 230, in Görlitz sogar 700 Stellen streichen. Die Mitarbeiter sind fassungslos.

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© Uwe Soeder

Jana Ulbrich

Bautzen. Das Wetter passt zur Stimmung. Als die Bombardier-Mitarbeiter am Donnerstagvormittag aus der außerordentlichen Belegschafts- versammlung kommen, bläst ihnen der Wind eiskalte Schneegriesel-Schauer ins Gesicht. Gerd Kaczmarek zieht den Jackenkragen noch ein Stückchen höher. Der Betriebsratsvorsitzende hat den Mitarbeitern gerade die bittere Nachricht überbracht: Jeder Fünfte von ihnen muss um seinen Job fürchten. Die Unternehmensleitung will 230 Arbeitsplätze streichen. Zuallererst wird es die Leiharbeiter treffen, auf die Bombardier schon seit Jahren in hohem Maße setzt.

In der Gerüchteküche hatte es schon seit Tagen gebrodelt. Spätestens seit bekannt geworden war, dass der Konzern deutschlandweit 1 430 Stellen streichen will, ging die Angst um in den Werkshallen. „Wir haben ja schon Schlimmes geahnt, aber dass es so schlimm kommt . . .“, sagt einer der älteren Mitarbeiter und schüttelt den Kopf. Er hat einen Kloß im Hals, sagt er und will jetzt nach der Belegschaftsversammlung nur noch schnell nach Hause.

Existenzangst bei den Mitarbeitern

Frank Börold ist vor dem Werkstor stehengeblieben. Der Mann in der roten Bombardier-Arbeitshose ist jetzt 55, Gruppenleiter in der Endmontage. „Im September bin ich 40 Jahre im Betrieb“, sagt er. „Ich hab hier gelernt, ich war mein ganzes Arbeitsleben hier.“ Und jetzt habe er Angst, dass er gehen muss. „Wir haben hier wirklich Existenzangst“, sagt er. „An jedem Arbeitsplatz hängt doch ein Schicksal, eine Familie“. Bei der IG Metall hat es mal eine Studie gegeben, erzählt Frank Börold. An jedem Arbeitsplatz bei Bombardier würden acht Arbeitsplätze in der Region hängen. „Wir brauchen jetzt die Politik“, findet der 55-Jährige.

Die Politik hat sich am Donnerstag schon gemeldet: Von einem „schweren Schlag für die Region“ spricht der Arbeits-Staatssekretär im Sächsischen Wirtschaftsministerium, Stefan Brangs. „Wir erwarten von Bombardier ein belastbares Zukunftskonzept des Konzerns“, so Brangs, der selbst Oberlausitzer ist. Es gehe um sehr gut ausgebildete Fachkräfte. „Dieser Trumpf darf nicht leichtfertig verspielt werden.“ Die Landesregierung wird mit dem Unternehmen Gespräche führen, kündigt der Staatssekretär an.

Auftragslage ist solide

Derweil haben sich vor dem Werktor in Bautzen noch mehr Bombardier-Werker versammelt. Unter ihnen auch Axel Drescher, 27, Ausrichter im Rohbau. „Wir sind gut ausgelastet und wir haben voll zu tun“, sagt er. Auch die Geschäftsleitung bezeichnet die gegenwärtige Auftragslage und die Auslastung des Werkes als „solide“. Aktuell werden Doppelstockzüge für die Deutsche Bahn ausgebaut, Wagenkästen für Straßenbahnen in Berlin montiert, Straßenbahnen für Frankfurt/Main, Basel, Ghent, Antwerpen und Essen montiert.

„Warum sollen denn dann so viele gehen müssen?“, fragt Axel Drescher. Immer wieder ist an diesem Donnerstag von Fehlentscheidungen im Management die Rede. Zum Beispiel davon, dass Portale und Untergestelle jetzt in Polen und anderen Ländern Osteuropas gefertigt werden. „Die haben oft eine schlechte Qualität“, erzählt Drescher. „Wir müssen sie nacharbeiten und unsere Fertigungsstrecke hier steht leer.“ Immer wieder würde es Probleme mit Zulieferteilen geben, die jetzt in den „Best-Cost“-Ländern, Billiglohnländern also, hergestellt werden. Auch viele Produktionsabläufe seien nicht optimal, erzählen die Männer und Frauen vorm Werktor.

Betriebsrat will Gegenstrategie vorlegen

Immer wieder würden sie das Management auch darauf hinweisen, sagen sie. Deswegen wollen sie die Stellenkürzungen nicht hinnehmen. „Wir stehen alle hinter dem Betriebsrat“, sagen sie mit großer Entschlossenheit. Vorsitzender Gerd Kaczmarek hat Proteste angekündigt. „Viel wichtiger ist es ihm aber“, sagt er, „dass er den Managern in den Chefetagen zeigt, dass es auch anders geht.“ Gemeinsam mit der Gewerkschaft IG Metall wollen die Betriebsräte eine Gegenstrategie zu den Kürzungsplänen vorlegen. So, wie sie es auch schon einmal vor anderthalb Jahren erfolgreich praktiziert haben: Schon im Sommer 2014 hatte das Management verkündet, bis 2016 in Bautzen 125 Stellen streichen zu wollen. Bis jetzt konnte das der Betriebsrat verhindern. Auf dessen Druck wurde Fertigung aus anderen Betrieben nach Bautzen geholt, um ein Auslastungsloch zu schließen.

Mitarbeiter Axel Drescher, der immer noch vor dem Werktor steht, hofft, dass es dem Betriebsrat auch diesmal gelingt, die Hiobsbotschaft zumindest abzumildern. „Ich bin jung, ich will hierbleiben, mir etwas aufbauen, eine Familie gründen“, sagt der Bautzener. In dem Moment reißt wie zum Trotz die Wolkendecke auf, und kurz bricht die Sonne durch. Vielleich ist das ja ein gutes Zeichen. Die Bombardier-Werker können das nur hoffen.