Merken

Wohin mit den Zuzüglern?

Beiersdorf fällt aus dem Rahmen: Statt weniger gibt es hier immer mehr Einwohner. Doch es fehlt an Wohnraum.

Teilen
Folgen
NEU!
© SZ Thomas Eichler

Von Romy Altmann-Kühr

Beiersdorf. Jeden Dienstagnachmittag öffnet Hagen Kettmann für zwei Stunden sein frisch renoviertes Bürgermeisterbüro im Beiersdorfer Gemeindeamt. Dann kommen die Einwohner mit ihren Fragen und Problemen, suchen Rat und Unterstützung bei ihrem ehrenamtlichen Rathauschef. Immer wieder klopfen auch Leute an Kettmanns Tür, die nach einer Wohnung in Beiersdorf fragen. Dann muss Hagen Kettmann leider passen.

Auch das Wohngebiet Zeilestraße ist gefragt. Derzeit entstehen wieder neue Eigenheime (kleines Foto). Ein Problem mit Wohnraum hat die Gemeinde dennoch.
Auch das Wohngebiet Zeilestraße ist gefragt. Derzeit entstehen wieder neue Eigenheime (kleines Foto). Ein Problem mit Wohnraum hat die Gemeinde dennoch. © Romy Altmann-Kühr

Denn der Beiersdorfer Bürgermeister hat ein Luxusproblem: Er hat zu viele Einwohner. Das heißt, mehr Leute wollen in Beiersdorf leben, als Wohnungen vorhanden sind. In den letzten beiden Jahren hat Kettmann konstant einen – wenn auch kleinen – Einwohnerzuwachs für Beiersdorf verzeichnet. Für das vorige Jahr 2017 sind es in der totalen Bilanz fünf Einwohner mehr, als noch ein Jahr zuvor. „Da sind die Sterbefälle schon mit berücksichtigt“, sagt Kettmann. 1 144 Einwohner lautete die offizielle Einwohnerzahl zum 31. Dezember 2017. Doch für Zuzugswillige stehen kaum freie Wohnungen im Ort zur Verfügung.

Nicht wenige Neu-Beiersdorfer kommen wegen der Arbeit ins Dorf, weiß der Bürgermeister zu berichten. In dem kleinen Ort sind große Firmen ansässig, Texsib und Frindt zum Beispiel. Deren Mitarbeiter kommen oft auch aus Orten, die etwas weiter weg liegen, zum Beispiel im Kreis Bautzen. „Die Leute würden gern nach Beiersdorf ziehen, um einen kürzeren Arbeitsweg zu haben“, weiß Kettmann. Aber er kann ihnen keinen Wohnraum anbieten. „Wir haben keine freien Mietwohnungen, es gibt auch so gut wie kaum Leerstand im Ort“, sagt er. Selbst leere Häuser seien kaum im Angebot. Eigentlich ein schöner Umstand. Trotzdem ist das ärgerlich. Denn der Bürgermeister will Zuzugswillige nicht abweisen müssen.

Plätze, um selbst ein Eigenheim zu bauen, gibt es in Beiersdorf noch. Das erschlossene Baugebiet an der Zeilestraße hat noch Kapazitäten, so Kettmann. Doch auch hier herrscht große Nachfrage nach Grundstücken. „Das Wohngebiet wächst“, sagt Kettmann. In den vergangenen Jahren sind regelmäßig neue Häuser entstanden. Die Gemeinde hat schon mal auf den Zuspruch reagiert, indem sie die Bauvorschriften für das Wohngebiet an der Zeilestraße gelockert hat. Das betrifft zum Beispiel Vorschriften zur Dachneigung und Giebelausrichtung, die zuvor festgelegt waren und beim Bauen berücksichtigt werden mussten. Die Vorgaben zur Farbgestaltung der Fassade wurden gänzlich abgeschafft. Nur eines ist Bauherren nicht erlaubt: ein Flachdach ohne jegliche Neigung. „Einen Würfel wollen wir hier nicht“, sagt Bürgermeister Kettmann. Nach wie vor bietet die Gemeinde beim Grundstückskauf auch den Familienrabatt an. Vier Euro pro Kind und Quadratmeter beträgt er.

Doch nicht jeder will gleich Hausbesitzer werden. „Es wäre gut für die Gemeinde, wenn wir ein paar Mehrfamilienhäuser hätten, in dem Wohnungen zur Vermietung bereitstünden. Auch dafür wäre Platz in Beiersdorf. Deshalb ist der Bürgermeister nun auf der Suche nach einem Investor, der Mehrfamilien- oder auch Reihenhäuser zur Vermietung baut. Ein solches Projekt war schon einmal geplant gewesen in Beiersdorf, hatte sich dann aber zerschlagen. Nun steht die Fläche bereit, aber ein finanzkräftiger Bauherr fehlt.

Nach Beiersdorf zu ziehen, dafür gibt es neben Arbeitsplätzen weitere gute Gründe, findet Bürgermeister Hagen Kettmann. „Das Breitbandinternet ist bei uns schon voll ausgebaut, es gibt eine Kita, die Grundschule, ein Ärztehaus, einen Zahnarzt, Bäcker, Fleischer“, zählt er die Vorzüge des kleinen Dorfes nahe Löbau auf. Bald solle auch noch ein Dorfladen entstehen, erzählt er. Fehlt nur noch der Investor für Mietwohnungen. Dann ist das Dorfglück perfekt.