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Wohin mit dem Bauschutt?

Die EU fordert komplettes Recycling von Pflaster, Beton, Ziegel & Co. Entsorger aber wissen, dass das gar nicht geht, auch rund um Görlitz.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ralph Schermann

Wer schön sein will, muss leiden. Das gilt auch für Städte. Um schick zu sein, werden marode Gebäude abgerissen, Grundstücke saniert und Straßen erneuert. Damit könnte demnächst aber Schluss sein. Denn Firmen befürchten, auf ihrem Bauschutt sitzenzubleiben.

„Entsorger nehmen immer weniger Schutt ab, bisherige Verwerter in Hagenwerder, Nieder Seifersdorf und Neuendorf lehnen Bauschutt schon generell ab“, bestätigt Klaus Borrmann. Die Borrmann Transporte GmbH ist seit Jahrzehnten ein als Familienbetrieb geführtes Transportunternehmen für Schüttgut-, Erdbau- und Baggerarbeiten, doch eine solche Situation hat der Geschäftsführer bisher nicht erlebt. Er beginnt, sich für seine 15 Mitarbeiter und die umfangreiche Flotte von Kippern und Baggern Sorgen zu machen. Noch nehmen zwar TKK Biehain, die Ravon-Deponie Kunnersdorf und vor allem die Kuhn Kies und Sand GmbH Ludwigsdorf Bauschutt ab. Noch. „Denn auch wir überlegen, wie lange wir das durchhalten können“, sagt Dietrich Kuhn, der das acht Mann starke Werk im Ortsteil Ober-Neundorf seit 1993 führt. „Mit hochwertigen Produkten haben wir uns im Raum Görlitz einen guten Namen als Zuschlagstofflieferant für Betonwerke und Asphaltindustrie sowie als Partner für den Tief-, Hoch- und Straßenbau gemacht. Das ist jetzt in Gefahr.“

Wo aber ist das Problem? Es kommt aus Brüssel, wie so manche EU-Regulierung, über die Dietrich Kuhn als Werk „realitätsferner Bürokraten“ den Kopf schüttelt. Eine für die Bundesrepublik seit September 2015 geltende Regel besagt, dass Bauschutt nicht mehr entsorgt, sondern wieder aufbereitet werden muss. „Ein Unding“, weiß Klaus Borrmann, „denn einige Materialien, zum Beispiel Ziegelsteine, lassen sich gar nicht recyceln.“ Selbst die Firma Kuhn, die Mineralgemische in verschiedenen Körnungen und auch Beton-Recycling anbietet, ist mit der neuen Regel überfordert. „Wir sind ein Tagebau und müssen die Fördergruben wieder verfüllen.“ Die neue Regel fordert aber, dass von allen angenommenen Materialien nur zehn Prozent Bauschutt verfüllt werden darf, und auch das nur für technische Zwecke, also für das Anlegen von Fahrwegen oder die Stabilisierung von Böschungen. „Auf je 80 Zentimeter Bauschutt müssen drei Meter Boden kommen“, bedeutet das für den Tagebau.

Kreislaufwirtschaftsgesetz sagt die Politik zu jenem Papier, nach dem so viel wie möglich recycelt werden soll. Nach dem Preis fragt sie nicht. „Neubau ist bald billiger als Abriss“, befürchtet Klaus Borrmann. Vielleicht auch deshalb wird recyceltes Material bei vielen Ausschreibungen abgelehnt, beim Straßenbau am ehesten noch für Radwege anerkannt. Für den Bauschutt steht gleich gar nichts von Wiederaufbereitung in kommunalen und staatlichen Ausschreibungen. Und es gibt weitere Probleme: Ist von staatlichen Baustellen ankommender Abbruch über die Waage, gehört er dem Entsorger.

Werden später Belastungen festgestellt, muss nur der die Kosten tragen. Zwar erfolgen vorher Analysen, doch nur stichpunktartig. „Eigentlich müssten wir beim Eingang Analytik betreiben, um ablehnen zu können, wenn mal etwas belastet ist – doch wer soll das bezahlen?“, fragt Dietrich Kuhn. Wer Ausschreibungen gewinnen will, muss preisgünstig bleiben. Und so verschärft sich die Lage von Monat zu Monat.

Auf einer Tagung in Leipzig hat er empfohlen, dass alle Entsorger mal einen Monat lang nix annehmen sollten, um den Behörden das Problem aufzuzeigen. Bei einst jährlich über 20 000 Tonnen Bauschutt unter allen abgenommenen Materialien wäre das allein bei der Kuhn GmbH eine eindrucksvolle Größe. Als Tagebau ist hier zudem das Oberbergamt zuständig: „Das sind sehr kompetente Leute, die tun was sie können, aber auch ihnen sind durch die neue Regel die Hände gebunden“, ergänzt Kuhn und sieht es wie Klaus Borrmann: „Wir wollen uns für die Region uns einsetzen, Verantwortung für eine schöne Stadt mittragen, aber es wird uns immer schwerer gemacht.“

Für die Zukunft sieht Dietrich Kuhn noch eine weitere Verschärfung: Nachhaltigkeit? „Wer die wirklich will, sollte sich um heutige Bauten kümmern: Glaswolle, verklebte Folien und Bitumen-Sperren, chemisch aufbereiteter Beton, Dämmstoffe und noch mehr. Das soll alles mal einzeln recycelt werden? Unmöglich!“