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„Woher kommst du?“

Aymar aus Syrien lernt in einer Berliner Willkommensklasse Deutsch. Der 13-Jährige will Abitur machen und studieren. Das wünschen sich auch seine Mitschüler.

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© dpa

Katharina Weygold

Berlin. Sie stammen aus Serbien, Ungarn, Kolumbien und Syrien. Um Krieg oder Armut zu entkommen, sind die Kinder mit ihren Familien nach Deutschland gekommen.

Jetzt lernen sie in einer sogenannten Willkommensklasse gemeinsam deutsche Worte und Grammatik. Eine „ganz normale Klasse“ nennt sie Florian Schempp. Der 34-jährige Lehrer unterrichtet zehn Jungen und zwei Mädchen an der Friedenauer Gemeinschaftsschule im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg.

Schempps Schützlinge haben bereits große Pläne. Alle wollen sie Abitur machen und später studieren. „Ich wünsche mir, ins Gymnasium zu gehen, weil ich Arzt werden will“, sagt Aymar in schon nahezu perfektem Deutsch. Der 13-Jährige ist vor acht Monaten aus Syrien nach Deutschland gekommen. „Wie heißt du?“ und „Woher kommst du?“ seien die ersten Sätze gewesen, die er im Unterricht gelernt habe.

Wenn Deutsch gut genug ist, wird gewechselt

In diesem Schuljahr büffeln fast 5 000 Schüler in Berliner Willkommensklassen, wie die Senatsbildungsverwaltung mitteilte. Das sind 70 Prozent mehr als im letzten Schuljahr, als rund 2 900 Kinder diese speziellen Lerngruppen besuchten. 431 Klassen werden inzwischen gebraucht. Die Zahl der Lehrer wurde nach Angaben der Verwaltung entsprechend aufgestockt. Sobald die Schüler gut genug Deutsch sprechen, wechseln sie in reguläre Schulklassen mit den ganz normalen Unterrichtsfächern.

„Mir hat es gefallen zu klettern.“ Aymar und seine Mitschüler erzählen von ihren Ferien und wiederholen dabei den Infinitiv mit zu. Er lasse die Schüler in Gruppenarbeit viel miteinander reden, erläutert Schempp. Der Unterricht solle Gesprächen außerhalb des Klassenraums so ähnlich wie möglich sein. Die Schüler sprechen auch über ihre Heimat. Sie vermissen die daheimgebliebenen Verwandten und das Essen, mit dem sie aufgewachsen sind.

Es wird auch über Krieg geredet - natürlich

„Sie reden offen über das, was sie erlebt haben. Auch über den Krieg“, berichtet Schempp. Fünf seiner Schüler stammen aus Syrien. Als einer von ihnen auf seinem Handy eine Nachricht von einem Bombenanschlag in seiner Heimat las, habe die Klasse über den Bürgerkrieg geredet. Sein Bruder habe die Gefahr hautnah erlebt, erzählt Aymar. Unweit von ihm sei eine Bombe explodiert. Splitter seien nur einige Zentimeter an ihm vorbeigeflogen.

Ein Unterschied zu normalen Schulklassen fällt bei den Willkommensklassen sofort auf: Die Schüler sind nicht gleichaltrig. In Schempps Klasse reicht die Altersspanne von zwölf bis 16 Jahren. Seine Schüler hätten auch unterschiedliche Sprachkenntnisse und Schulerfahrungen, erzählt der Pädagoge. Auch der Kontakt zu den Eltern sei wegen der Sprachbarrieren nicht immer einfach.

Schempp unterrichtet die Klasse seit Februar. Begonnen habe er mit zwei Schülern, die anderen seien nach und nach dazugekommen. Insgesamt gibt es an der Friedenauer Gemeinschaftsschule zwei Willkommensklassen für Anfänger und zwei für Fortgeschrittene. Zum Schuljahresbeginn habe die Schule sieben neue Schüler aufgenommen, berichtet eine Kollegin Schempps. Rund ein Jahr würden sie nun in der Willkommensklasse lernen, bis sie in eine andere Klasse wechseln. (dpa)